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Gesetzliche Unfallversicherung – Holen der Arbeitsbekleidung bei Bekannten

Dachdecker-Unfall auf dem Weg zur Arbeitskleidung nicht als Arbeitsunfall anerkannt

Das Bayerische Landessozialgericht entschied im Fall Az.: L 2 U 351/14 am 30.06.2015, dass ein Unfall, den der Kläger auf dem Weg zur Arbeit erlitt, nachdem er seine Arbeitskleidung bei seiner Freundin geholt hatte, nicht als Arbeitsunfall unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Die Begründung des Gerichts basiert darauf, dass der Unfallweg nicht in direktem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand, da der Kläger sich zuvor in entgegengesetzter Richtung zur Arbeitsstätte bewegt hatte, um seine Arbeitskleidung zu holen. Das Gericht wies die Berufung des Klägers zurück, und außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 2 U 351/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Der Kläger hatte einen Unfall auf dem Weg zur Arbeit, nachdem er seine Arbeitskleidung bei einer Freundin abgeholt hatte.
  2. Das Gericht entschied, dass dieser Unfall nicht unter die gesetzliche Unfallversicherung fällt.
  3. Der Hauptgrund für diese Entscheidung war, dass der Unfallweg nicht in direktem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand.
  4. Der Kläger hatte sich zuvor in entgegengesetzter Richtung zur Arbeitsstätte bewegt, um seine Arbeitskleidung zu holen.
  5. Das Sozialgericht wies die Berufung des Klägers zurück, und außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet.
  6. Die Revision wurde nicht zugelassen.
  7. Die Entscheidung betont die Bedeutung des direkten Weges zur Arbeit für den Versicherungsschutz.
  8. Es unterstreicht auch die Abgrenzung zwischen privaten Unternehmungen und versicherten Tätigkeiten.
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Dachdecker-Unfall auf dem Weg zur Arbeitskleidung bleibt außerhalb des Versicherungsschutzes

In den frühen Morgenstunden des 16. Oktober 2011 ereignete sich ein tragischer Verkehrsunfall auf der B 20 zwischen den Städten C und F, der die juristische Welt bis heute beschäftigt. Der Unfallbeteiligte, ein damals 31-jähriger Dachdecker, war auf dem Weg, seine Arbeitskleidung zu holen, als sein Fahrzeug von der Fahrbahn abkam, sich überschlug und zu schweren Verletzungen führte. Dieser Fall wurde vor dem Bayerischen Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 2 U 351/14 verhandelt, welches am 30. Juni 2015 sein Urteil fällte.

Der nächtliche Unfallweg und seine Konsequenzen

Zur Klärung der Umstände: Der Kläger hatte die Nacht vor dem Unfall bei einer Freundin verbracht und plante, am nächsten Tag, einem Sonntag, in der Firma zu arbeiten. Um seine Arbeitskleidung zu holen, verließ er in den frühen Morgenstunden die Wohnung der Freundin und machte sich auf den Weg zu seinem Elternhaus. Auf dieser Fahrt ereignete sich der Unfall, der ihn mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus brachte. Die zentrale Frage, die sich die Gerichte stellen mussten, war, ob dieser Unfall als Arbeitsunfall unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt.

Streitpunkt gesetzliche Unfallversicherung

Die Entscheidung des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts drehte sich um den Versicherungsschutz im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung. Im Kern ging es darum, ob der Weg, den der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls zurücklegte, als ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängender Weg anzusehen ist. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts wurde zurückgewiesen, und es wurde festgestellt, dass der Unfall kein Arbeitsunfall sei, da der Kläger sich nicht auf einem versicherten Weg befand.

Rechtliche Würdigung und Begründung

Die Gerichte kamen zu dem Schluss, dass der Unfall nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt, weil der Kläger zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtete. Der Weg, den der Kläger zurücklegte, um seine Arbeitskleidung zu holen, stand nicht im sachlichen bzw. inneren Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit und war somit nicht versichert. Es wurde argumentiert, dass die Fahrt zur eigenen Wohnung, um dort Arbeitskleidung anzuziehen, keine versicherte Verrichtung darstellt und somit nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt.

Die Bedeutung von Wegunfällen in der Rechtsprechung

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Rechtslage im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und speziell auf die Frage, wann ein Wegunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts betont die Notwendigkeit, dass der Weg unmittelbar mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen muss, um unter den Versicherungsschutz zu fallen. Der Fall zeigt, wie wichtig eine genaue Prüfung der Umstände ist und dass nicht jeder Weg zur Arbeit automatisch unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Fall des Dachdeckers, der auf dem Weg war, seine Arbeitskleidung zu holen, als nicht unter die gesetzliche Unfallversicherung fallend bewertet wurde, da der Weg nicht in direktem Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit stand.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche Rolle spielt die gesetzliche Unfallversicherung bei Unfällen auf dem Weg zur Arbeit?

Die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland bietet Schutz für Arbeitnehmer, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg einen Unfall erleiden. Dies wird als Wegeunfall bezeichnet. Der Versicherungsschutz beginnt, sobald die Person die Außentür ihres Wohngebäudes verlässt, und endet dort auch wieder.

Umwege oder Abweichungen vom direkten Weg sind ebenfalls versichert, wenn sie beispielsweise notwendig sind, um Kinder in die Betreuung oder Schule zu bringen, bei Fahrgemeinschaften oder bei Umleitungen. Auch wenn der Arbeitsplatz über einen längeren Weg schneller erreicht werden kann, besteht Versicherungsschutz.

Die gesetzliche Unfallversicherung tritt ein, wenn der Unfall auf dem direkten Weg zur Arbeitsstelle passiert. Sie deckt die gesundheitlichen Folgen des Unfalls ab, jedoch nicht Sach- oder Personenschäden anderer Unfallbeteiligter. Arbeitsunfähigkeit, die länger als drei Tage andauert, muss vom Arbeitgeber beim Unfallversicherungsträger gemeldet werden, der dann für alle Folgeleistungen zuständig ist.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Unfall durch Alkohol-, Rauschgift- oder Tablettenmissbrauch verursacht wurde oder wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde.

Zusammenfassend spielt die gesetzliche Unfallversicherung eine wichtige Rolle bei Wegeunfällen, indem sie Schutz bietet und für die Folgen des Unfalls aufkommt, solange die Unfallumstände den Regelungen der Unfallversicherung entsprechen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 8 Abs. 1 SGB VII: Bestimmt, dass Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit sind. Dies ist zentral, um zu verstehen, unter welchen Bedingungen ein Unfall als Arbeitsunfall unter die gesetzliche Unfallversicherung fällt. Im vorliegenden Fall ist die Frage, ob der Unfall des Klägers während des Holens der Arbeitskleidung als Arbeitsunfall anzusehen ist.
  • § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII: Definiert den versicherten Weg zur Arbeit, der unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt. Der Absatz ist relevant, um zu klären, ob der Weg, den der Kläger genommen hat, als versicherter Weg zur Arbeitsstätte zählt, insbesondere im Kontext des Holens von Arbeitskleidung.
  • § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII: Legt fest, wer als beschäftigter Versicherter gilt. Für den Fall bedeutet dies, die Zuordnung des Klägers als abhängig beschäftigter Dachdecker und damit als versicherte Person im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
  • § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG): Regelt die Möglichkeit, Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung zu treffen, was im vorliegenden Urteil Anwendung fand. Diese Norm erlaubt ein Verfahren, das für die Entscheidungsfindung im Berufungsverfahren angewendet wurde.
  • §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 SGG: Definieren die statthafte Klageart in Sozialrechtssachen. Sie sind relevant für das Verständnis der juristischen Wege, die der Kläger im Berufungsverfahren beschreiten kann, insbesondere im Hinblick auf die Anfechtungs- und Feststellungsklage.
  • § 193 SGG: Regelt die Kostenentscheidung in sozialgerichtlichen Verfahren. Dieser Paragraph ist von Bedeutung für das Verständnis, wer im Falle einer Klageabweisung die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.


Das vorliegende Urteil

Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 2 U 351/14 – Urteil vom 30.06.2015

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 14.07.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall des Klägers am 16.10.2011 ein Arbeitsunfall war.

Der 1980 geborene Kläger war abhängig beschäftigter Dachdecker der Firma M. (haftungsbeschränkt) & Co. KG in Z.. Er erlitt am 16.10.2011 gegen 5.15 Uhr einen Verkehrsunfall auf der B 20 zwischen C-Stadt und F-Stadt.

Laut Arbeitgeberauskunft des F. M. mit Schreiben vom 07.11.2011 (Bl. P 54 BA) und telefonischer Mitteilung vom 10.05.2012 (Bl. P 315 BA) hatte der Kläger am Samstag, den 15.10.2011, gearbeitet. Es wurde vereinbart, dass der Kläger am Sonntag, den 16.10.2011, wieder in der Firma arbeiten sollte. In der neu aufgestellten Lagerhalle sollte am Sonntag der Boden verlegt werden, wofür in der Woche keine Zeit gewesen war. Die Arbeitsstunden sollten normal über das Stundenkonto laufen. Herr M. gab an, dass in der Firma keine Möglichkeiten zum Umziehen und Duschen bestünden, weshalb die Mitarbeiter ihre Arbeitskleidung immer zu Hause anziehen.

Die Ermittlungen der Beklagten unter Auswertung der Akten der Staatsanwaltschaft ergaben Folgendes: Am Samstag, den 15.10.2011 fuhr der Kläger mit dem Pkw seines Chefs F. M., einem Audi A6, gegen 22.00 Uhr zu seiner Freundin (D. S.) in deren Wohnung in C. (A.). Gemeinsam suchten sie verschiedene Lokale auf und fuhren zwischen 2.30 Uhr und 3.00 Uhr in die Wohnung der Freundin zurück, wo sie gemeinsam fernsahen; die Freundin schlief dabei ein. Zwischen 4.15 Uhr und 5.15 Uhr verließ der Kläger die Wohnung und fuhr zu seiner Wohnung im Elternhaus in der B-Straße in A-Stadt (Stadtteil R.), um dort seine Arbeitskleidung zu holen und anzuziehen. Anschließend wollte er von seiner Wohnung zur Arbeitsstelle (W., Z.) fahren.

Bereits auf der Fahrt von der Wohnung der Freundin in C. zur eigenen Wohnung in Richtung Norden auf der B 20 Richtung F-Stadt kam der Kläger gegen 5.15 Uhr bei Kilometer 2,4 aus unbekannter Ursache mit dem Pkw nach links von der Fahrbahn ab, streifte einen Straßenpfosten, fuhr 50 m in den angrenzenden Straßengraben teilweise am Wildschutzzaun entlang, überschlug sich bei der dortigen Brücke und prallte in den Straßengraben. Zeugen für den Unfall gab es nicht. Die Polizei traf um 5.25 Uhr an der Unfallstelle ein. Auf den Ermittlungsbericht der Polizei vom 23.12.2011 und die Zeugeneinvernahmen wird verwiesen. Danach wurde im Gutachten des TÜV Süd ein technischer Defekt ausgeschlossen.

Die Arbeitsstätte befindet sich südwestlich von der Wohnung der Freundin. Die eigene Wohnung des Klägers in der B-Straße in A-Stadt lag nordöstlich von der Wohnung der Freundin. Der Unfall ereignete sich auf einer Wegstrecke der B 20 zwischen C-Stadt und F-Stadt, die beim Zurücklegen des Wegs zur Arbeitsstätte nicht in dieser Richtung befahren worden wäre, weder von der eigenen Wohnung aus noch von der Wohnung der Freundin aus.

Laut Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. N. (Uniklinik R.) vom 16.10.2011 zog er sich dabei schwere Verletzungen zu, u.a. ein Schädelhirntrauma mit Einblutungen, ein Lungenkontusion mit Kollabieren des linken Lungenunterlappens sowie multiple Frakturen (u.a. des Nasenbeins, der Halswirbelkörper 5 bis 7, von BWK 12 und LWK 1, der 5. Rippe links).

Mit Bescheid vom 06.06.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil der Unfall vom 16.10.2011 kein Arbeitsunfall sei. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Versicherungsschutz sei dann nicht gegeben, wenn der Unfall auf unternehmensfremde Umstände zurückzuführen sei, die die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall seien. Durch Aussage der Freundin gegenüber der Polizei sei nachgewiesen, dass der Kläger mit ihr die Nacht zum 16.10.2011 durchgemacht und nicht geschlafen habe. Das reiche zum Nachweis einer nicht betriebsbedingten Übermüdung. Angesichts des Unfallhergangs mit dem Abkommen von einer offensichtlich geraden Straße handele es sich um einen typischen Geschehensablauf bei Übermüdung mit Sekundenschlaf. Andere besondere Gefahrenmomente seien nicht bekannt. Daher könne nach dem Anscheinsbeweis die Übermüdung als allein wesentliche Unfallursache nachgewiesen werden. Andere Ursachen seien nicht nachgewiesen.

Zur Begründung des Widerspruchs vom 13.06.2012 trug der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen vor, dass der Kläger selbst aufgrund retrograder Amnesie keine Angaben zu Unfallursachen machen könne und keine Zeugen vorhanden seien. Übermüdung sei hier nur eine von mehreren möglichen Unfallursachen wie Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers, Wildwechsel oder eine momentane Unaufmerksamkeit. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Kläger vor Aufsuchen der Freundin gegen 22.00 Uhr bereits geschlafen habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 zurück. Da der Kläger in der Nacht vor dem Unfall nicht geschlafen und am Tag vor dem Unfall gearbeitet habe, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Übermüdung aus unternehmensfremden Umständen nachzuweisen. Ein technischer Defekt sei durch Gutachten des TÜV Süd ausgeschlossen, die Polizei gehe nicht von Fremdverschulden aus und habe keinen Wildwechsel in Betracht gezogen; außerdem würden die fehlenden Bremsspuren am Unfallort deutlich auf einen Sekundenschlaf hinweisen.

Dagegen hat der Klägerbevollmächtigte am 23.10.2012 (fristgerecht) Klage zum Sozialgericht R. (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass der Kläger am Samstag gegen 16.30 Uhr in seiner Wohnung geduscht und anschließend von ca. 16:45 Uhr bis ca. 21:30 Uhr geschlafen habe; von Übermüdung könne keine Rede sein. Fehlende Bremsspuren seien bei Antiblockiersystemen nicht aussagekräftig.

Das SG zog die Akten der Beklagten bei und wies mit Schreiben vom 20.02.2014 darauf hin, dass ein Abkommen von der Fahrbahn nach der Lebenserfahrung zahlreiche Ursachen haben könne und für eine Übermüdung als Unfallursache kein Anscheinsbeweis spreche. Mit Schreiben vom 14.04.2014 räumte die Beklagte ein, dass tatsächlich der Anscheinsbeweis schwer zu führen sei. Es bestehe aber kein Versicherungsschutz, weil der Kläger nicht auf einem versicherten Weg verunglückt sei. Er habe sich nicht auf dem Weg zur Arbeitsstätte befunden, sondern sich in entgegengesetzter Richtung zur Arbeitsstätte bewegt. Das Ankleiden sei als Verrichtung des täglichen Lebens unversichert.

Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 07.05.2014 entgegnet, dass der Kläger den Weg zur Arbeit von einem dritten Ort angetreten habe, weil er sich mehr als zwei Stunden am dritten Ort aufgehalten habe. Er habe sich nicht in der Wohnung umziehen, sondern die Arbeitskleidung nur mitnehmen wollen. Für die Wahl der Wegstrecke hätten objektive Gründe gesprochen. Die kurze Unterbrechung zum Abholen der Arbeitskleidung sei unschädlich.

Die Beklagte hat erwidert, dass laut Arbeitgeber ein Ankleiden in der Firma nicht möglich sei. Der Weg, auf dem sich der Unfall ereignete, habe weder zum Arbeitsort geführt noch in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden. Vielmehr sei der Weg von der Wohnung der Bekannten in C. zur Wohnung des Klägers in R. rechtlich wesentlich durch die Rückfahrt von einer dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Unternehmung geprägt gewesen.

Mit Schreiben vom 06.06.2014 hat das SG die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung mit Gerichtsbescheid angehört und dem Klägerbevollmächtigten mitgeteilt, dass eine Klageabweisung beabsichtigt sei, weil der Charakter der Rückfahrt allein durch die eigenwirtschaftlichen Motive für den Hinweg geprägt worden sei und der Kläger den üblichen Arbeitsweg zum Unfallzeitpunkt nicht erreicht hatte. Der Klägerbevollmächtigte hat betont, dass sich der Kläger auf dem Weg von einem dritten Ort zur Arbeitsstätte befunden habe.

Daraufhin hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 14.07.2014 die Klage abgewiesen. Die Klage sei dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Feststellung eines Arbeitsunfalls begehre und nicht zugleich unzulässige Leistungsklage auf nicht konkrete Leistungen. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Die Fahrt des Klägers am Abend des 15.10.2011 zu seiner Bekannten nach C. habe nicht in inneren Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit gestanden, denn ihr hätten nur eigenwirtschaftliche Motive zu gemeinsamen Unternehmungen zu Grunde gelegen. Außerdem habe sich der Kläger zuvor mehr als zwei Stunden in seiner Wohnung aufgehalten. Die Rückfahrt am Morgen des Unfalltags von C. nach R. teile hinsichtlich des Versicherungsschutzes den rechtlichen Charakter des Hinweges, auch wenn der Kläger in seiner Wohnung seine Arbeitskleidung holen bzw. anziehen wollte.

Gegen den am 25.07.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klägerbevollmächtigte am 25.08.2014 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass der Weg vom dritten Ort unter Versicherungsschutz stehe, wenn die Länge des Wegs in angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg stehe und wenn der Aufenthalt am dritten Ort mindestens zwei Stunden gedauert habe. Die Wegstrecke von der Wohnung der damaligen Freundin in C. über die eigene Wohnung zur Arbeitsstätte habe 32,8 km betragen, die Wegstrecke von R. zur Arbeitsstelle seines Arbeitgebers 21,1 km. Diese Wege stünden in einem angemessenen Verhältnis.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass der Weg von und zu der Freundin nicht versichert sei. Ein Weg von einem dritten Ort zur Arbeitsstätte liege nur vor, wenn dieser dritte Ort an die Stelle der Wohnung trete, nicht wenn von diesem erst noch zur Wohnung und dann zur Arbeit gefahren werde wie hier. Außerdem habe hier der rein eigenwirtschaftliche Besuch bei der Freundin abgeschlossen werden sollen. Das betriebliche Motiv – Anlegen der Arbeitskleidung – habe nicht im Vordergrund gestanden. Zum Unfallzeitpunkt habe sich der Kläger nicht in Richtung zur Arbeitsstätte fortbewegt.

Das LSG hat beim C. Unterlagen zum Unfallort eingeholt und den Beteiligten Kopien übersandt mit ausführlichem richterlichen Hinweis vom 17.02.2015 dazu, weshalb das Zurücklegen des Wegs zum Unfallzeitpunkt nicht in innerem bzw. sachlichem Zusammenhang mit einer versicherten Verrichtung steht. Der Klägerbevollmächtigte hat auf richterlichen Hinweis mit Schreiben vom 11.05.2015 den Klageantrag auf den Hauptantrag – Feststellung des Arbeitsunfalls – beschränkt, an der Klage insoweit festgehalten und Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 05.05.2015 Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt.

Der Kläger beantragt zuletzt noch, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 14.07.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2012 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 16.10.2011 (Verkehrsunfall auf der Bundesstraße B 20 – km 2,4000) um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts sowie die gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe

A) Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet. Dabei ergeht die Entscheidung mit schriftlich erteiltem Einverständnis beider Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass sein Unfall vom 16.10.2011 ein Arbeitsunfall war. Zu Recht hat das SG im Gerichtsbescheid vom 14.07.2014 die Klage abgewiesen, die gegen den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 gerichtet war.

Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 SGG (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 RdNr. 4; BSGE 108, 274 ff. RdNr. 12). Klage und Berufung des Klägers sind aber unbegründet, weil er keinen Anspruch auf die Feststellung hat, dass das Ereignis vom 16.10.2011 ein Arbeitsunfall war. Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlagen für die vom Kläger begehrte Feststellung eines Arbeitsunfalls sind §§ 102, 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) (vgl. BSG Urteil vom 13.11.2012 – B 2 U 27/11 R – Juris RdNr. 16).

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherter“ ist (vgl. BSG Urteil vom 04.07.2013 – B 2 U 3/13 R – Juris RdNr. 10). Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (vgl. BSG Urteil vom 18.6.2013 – B 2 U 10/12 R – Juris RdNr. 12).

Der Kläger war zwar Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und hat am 16.10.2011 einen Unfall erlitten, als er auf der Bundesstraße 20 mit seinem Pkw nach links von der Fahrbahn abkam, an Begrenzungen prallte, in den Straßengraben fuhr und sich überschlug, wobei er sich insbesondere multiple Frakturen, eine Lungenkontusion und ein Schädel-Hirn-Trauma als Gesundheitserstschäden zuzog.

Der Kläger hat aber zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtet. Er fuhr am Unfalltag von der Wohnung seiner damaligen Freundin (A., C.) über die B 20 in Richtung seiner damaligen Wohnung im Haus seiner Eltern in der B-Straße in A-Stadt, um dort – wie er vorträgt – seine Arbeitskleidung anzuziehen. Die Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt war mithin das Zurücklegen des Wegs von der Wohnung seiner Freundin zu seiner eigenen Wohnung mit dem Pkw auf der B 20 zwischen C-Stadt und F-Stadt, von Süden kommend Richtung Norden. Diese konkrete Verrichtung stand nicht im sachlichen bzw. inneren Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit und war nicht versichert.

1. Unstreitig hat der Kläger nicht dazu angesetzt, eine tatsächliche oder vermeintliche Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, und er hat auch keine unternehmensbezogenen Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt (vgl. BSG Urteil vom 13.11.2012 – B 2 U 27/11 R – Juris RdNr. 23).

2. Der Kläger hat mit der Fahrt auch keine versicherte Vor- oder Nachbereitungshandlung für eine versicherte (Haupt-)Tätigkeit verrichtet. Solche Vor- oder Nachbereitungshandlungen sind nur versichert, wenn

– eine ausdrückliche gesetzliche Regelung (z. B. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) diese selbst und eigenständig zu einer versicherten Tätigkeit erhebt oder

– der jeweilige Versicherungstatbestand nach seinem Schutzzweck auch Vor- und Nachbereitungshandlungen erfasst, diese Handlungen für die versicherte Hauptverrichtung im Einzelfall notwendig sind und in einem sehr engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. BSG vom 13.11.2012 – B 2 U 27/11 R – Juris RdNr. 20).

Zutreffend hat das SG entschieden, dass der Kläger keinen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Weg zurückgelegt hat. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit „zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit“. Diese Formulierung kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang einer unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 9/10 R – Juris RdNr. 11).

Begründet wird der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit damit, dass diese Wege nicht (nur) aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden, so dass sie eine Art notwendiger Vor- oder Nachbereitungshandlung zur eigentlichen versicherten Tätigkeit darstellen (vgl. BSG Urteil vom 27.04.2010 – B 2 U 23/09 R – Juris RdNr. 14; BSG Urteil vom 02.12.2008 – B 2 U 15/07 R – Juris RdNr. 13). Außerdem ist ein Grenzpunkt dieser Wege – der Ort der versicherten Tätigkeit – und zumeist auch der Zeitpunkt, zu denen die Wege zurückgelegt werden, durch die versicherte Tätigkeit vorgegeben (vgl. hierzu Becker in BG 2011, 462 ff, 463).

Damit hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird, sondern nur, soweit das Zurücklegen des Weges und die versicherte Tätigkeit – hier die abhängige Beschäftigung im Unternehmen – im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1998 – B 2 U 40/97 R – Juris RdNr. 13). Der innere bzw. sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit besteht, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt ist, den Ort der versicherten Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 9/10 R – Juris RdNr. 11). Die darauf gerichtete Handlungstendenz als innere Tatsache muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden (sog. objektivierte Handlungstendenz, vgl. BSG Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 29/06 R – Juris RdNr. 9 m.w.N.). Ob eine entsprechende subjektive Handlungstendenz als innere Tatsache vorliegt, stellt das Tatsachengericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gemäß § 128 SGG fest (vgl. zur Feststellung als innere Tatsache BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 2 U 14/10 R -Juris RdNr. 23).

Dabei sprechen weder Gesetzwortlaut noch Sinn und Zweck der Unfallversicherung der Beschäftigten dafür, den Versicherungsschutz eines Rückweges stets davon abhängig zu machen, dass der Hinweg ein versicherter Weg war (vgl. BSG vom 14.11.2013 – B 2 U 27/12 R – Juris RdNr. 15).

Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf. das gewählte Verkehrsmittel durch die Erfordernisse der versicherten Tätigkeit geprägt werden (vgl. BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 2 U 14/10 R – Juris RdNr. 20).

Zwar hat der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ebenso wie in den Vorgängervorschriften (§ 550 Abs. 1 RVO i.d.F. des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30.04.1963 – BGBl. I S. 241 ff. bzw. § 545a RVO i.d.F. des 2. Änderungsgesetzes vom 14.07.1925 – RGBl. I S. 97) den Versicherungsschutz nicht auf Wege zwischen Arbeitsstätte und Wohnung beschränkt und nur die Arbeitsstätte als Ziel- bzw. Ausgangspunkt, nicht aber den anderen Grenzpunkt des Weges festgelegt. Das BSG hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein anderer Ort – ein sogenannter dritter Ort – als die Wohnung nur dann Ausgangspunkt eines versicherten Weges zur Arbeitsstätte sein kann, wenn die Dauer des Aufenthaltes an diesem anderen Ort so erheblich war, dass der vorangegangene Weg (zum dritten Ort) eine selbstständige Bedeutung erlangt und deshalb nicht in einem rechtlich erheblichem Zusammenhang mit der Aufnahme der Arbeit an der Arbeitsstätte steht (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1998 – B 2 U 40/97 R – Juris RdNr. 14). In diesen Fällen tritt der dritte Ort funktional an die Stelle des häuslichen Bereichs (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1998 – B 2 U 40/97 R – Juris RdNr. 18). Das entspricht der Überlegung, dass gerade der durch die versicherte Tätigkeit veranlasste Übergang vom eigenen häuslichen Bereich in den betrieblichen Bereich geschützt werden soll. Für die Erheblichkeit des Aufenthalts an dem dritten Ort hat das BSG erstmals mit Urteil vom 05.05.1998 (B 2 U 40/97 R, veröffentlicht in Juris) als Mindestzeitdauer die Zwei-Stunden-Grenze festgelegt und damit dem Erfordernis nach Rechtssicherheit und Gleichbehandlung Rechnung getragen (vgl. hierzu m.w.N. BayLSG im Urteil vom 07.05.2014 – L 2 U 180/13 – Juris RdNr. 41).

Das Zurücklegen des Wegs zum Unfallzeitpunkt diente nach eigenen Angaben des Klägers dem Erreichen der eigenen Wohnung (Ziel der Fahrt) und startete von der Wohnung der Freundin (Ausgangspunkt der Fahrt). Die Streckenführung lag dabei eindeutig in entgegengesetzter Richtung zur Arbeitsstätte, denn der Weg des Klägers führte nicht von C. aus Richtung Südwesten zur Arbeitsstätte in Z., sondern vielmehr Richtung Nordosten und führte damit von der Arbeitsstätte weg. Folglich legte der Kläger zum Unfallzeitpunkt weder einen Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung noch einen Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte zurück. Die Arbeitsstätte war weder Ziel noch Ausgangspunkt der Unfallfahrt.

Der Kläger legte auch keinen Weg von einem sogenannten dritten Ort, der an die Stelle der eigenen Wohnung tritt, zur Arbeitsstelle zurück.

Dabei kann der Senat offenlassen, ob sich der Kläger in der Wohnung seiner Freundin tatsächlich mindestens zwei Stunden aufgehalten hatte und dieser überhaupt als dritter Ort Ausgangspunkt eines versicherten Weges zur Arbeitsstätte sein kann. Entgegen der Annahme des Klägerbevollmächtigten steht dies nicht sicher fest angesichts der unklaren Angaben zur Rückkehr in die Wohnung der Freundin (zwischen 2:30 Uhr und 3:00 Uhr) und der fehlenden Kenntnis vom Zeitpunkt, zu dem der Kläger die Wohnung verlassen hat – zwischen 4:15 Uhr und 5:15 Uhr als Unfallzeitpunkt.

Denn der Kläger wollte jedenfalls nicht von der Wohnung der Freundin aus – statt von der eigenen Wohnung aus – den unmittelbaren Weg zur Arbeitsstelle zurücklegen, sondern vielmehr zunächst zu seiner eigenen Wohnung fahren, dort halten, sich umziehen und anschließend von dort aus seine Arbeitsstätte aufsuchen.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Kläger am Unfalltag seinen Weg zur Arbeitsstätte von der Wohnung seiner Freundin als dritten Ort aus aufgenommen hatte, hatte er vor dem Unfall das (versicherte) Zurücklegen dieses Weges unterbrochen, als er Richtung Norden abbog und damit nicht in Richtung zu seiner Arbeitsstätte, sondern in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Gegen die Geringfügigkeit der Unterbrechung bzw. des Umwegs spricht hier die deutliche Zäsur durch den Richtungswechsel (vgl. BSG vom 17.02.2009 – B 2 U 26/07 R; BSG vom 04.07.2013 – B 2 U 3/13 R – Juris RdNr. 15). Wie das SG zutreffend dargelegt hat, war diese Unterbrechung des versicherten Weges zum Unfallzeitpunkt nicht beendet, denn der Kläger legte noch nicht den versicherten Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurück (vgl. dazu auch BSG vom 02.12.2008 – B 2 U 17/07 R – Juris RdNr. 22 ff., 24 und Urteil vom selben Tag B 2 U 15/07 R – Juris RdNr. 20 ff.).

Zutreffend hat die Beklagte außerdem darauf hingewiesen, dass der sogenannte dritte Ort nur dann Ausgangspunkt einer Fahrt zur Arbeitsstätte sein kann im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, wenn der dritte Ort an die Stelle der Wohnung tritt (vgl. hierzu BSG im Urteil vom 12.05.2009 – B 2 U 11/08 R – Juris RdNr. 18). Denn wie bereits dargelegt, soll durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gerade der durch die versicherte Tätigkeit veranlasste Übergang vom eigenen häuslichen Bereich in den betrieblichen Bereich geschützt werden, nicht aber das privat motivierte Zurücklegen von Wegen zwischen einem Ort privater Lebensgestaltung in den häuslichen Bereich. Das Zurücklegen solcher Wege wird gerade nicht von der versicherten Verrichtung bestimmt, sondern allein von der eigenverantwortlichen Entscheidung des Beschäftigten über die Gestaltung seines Privatlebens.

3. Auch scheidet ein Weg von einer weiteren Wohnung – hier bei der Freundin bzw. Bekannten – zur Arbeitsstätte aus. Es fehlt hierbei bereits an der Schaffung eines (zweiten) Lebensmittelpunktes, da eine freundschaftliche Beziehung allenfalls am Anfang stand.

4. Die Wohnung der Freundin war weder ständige Familienwohnung des Klägers noch eine Unterkunft, die wesentlich wegen der räumlichen Entfernung seiner Familienwohnung zum Arbeitsplatz als Unterkunft gewählt worden war, so dass Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII für eine Fahrt zwischen den Wohnungen ausscheidet.

5. Soweit vorgetragen wird, dass die Rückfahrt von der Freundin in die eigene Wohnung erfolgt sei, damit der Kläger dort seine Arbeitskleidung anziehen konnte, begründet dies keinen inneren bzw. sachlichen Zusammenhang der Fahrt mit der abhängigen Beschäftigung des Klägers.

a) Die Fahrt zur eigenen Wohnung, um dort Arbeitskleidung eines Dachdeckers anzuziehen, ist keine versicherte Verrichtung i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII (sog. Arbeitsgeräteunfall), insbesondere hat der Kläger die Arbeitskleidung bei dieser Fahrt nicht befördert oder verwahrt, selbst wenn es sich um eine Schutzausrüstung gehandelt hat, was dahinstehen kann. Die Verwahrenshandlung i.S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII beschränkt sich auf den einmaligen Akt der Unterbringung des Arbeitsgerätes an einem bestimmten Ort und deren Beendigung, die sogenannte Entwahrung (vgl. BSG Urteil vom 12.12.2006 – B 2 U 28/05 R – Juris RdNr. 25). Teil der Verwahrung sind unmittelbar damit zusammenhängende Wege am Arbeitsplatz oder an einer anderen Stelle nur, soweit sie mit der Verwahrung bzw. Entwahrung bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang bilden (vgl. BSG Urteil vom 12.12.2006 – B 2 U 28/05 R – Juris RdNr. 25; BSG Urteil vom 29.06.1972 – 2 RU 95/71 – Juris RdNr. 22 zu § 549 RVO). Selbst wenn der Kläger die Arbeitskleidung in seiner Wohnung verwahrt hatte, also bewusst an einem bestimmten Ort untergebracht und nicht nur dort liegengelassen hatte, ist bei natürlicher Betrachtungsweise allenfalls der unmittelbare Weg innerhalb der Wohnung zu dem Ort der Unterbringung zum Zweck der Entnahme der Arbeitskleidung als einheitlicher Vorgang und Bestandteil der Entwahrung zu sehen. Dagegen steht die Autofahrt von ca. 12 km von der Wohnung der Freundin zur eigenen Wohnung nicht in derart engem zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Entnahme der Arbeitskleidung, dass die Fahrt mit der Entnahme einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt, zumal unklar ist, ob nach Ankunft in der Wohnung überhaupt sofort die Arbeitskleidung entnommen werden sollte oder davor andere naheliegende Verrichtungen beabsichtigt waren, z.B. Körperwäsche, Frühstück etc.

Ein Befördern im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII liegt nur vor, wenn das Zurücklegen des zu diesem Zwecke unternommenen Weges von der Absicht, die Sache nach einem anderen Ort zu schaffen, so maßgebend beherrscht wird, dass demgegenüber die Fortbewegung der eigenen Person als nebensächlich zurücktritt; kein Versicherungsschutz besteht mithin, wenn das Arbeitsgerät (z.B. die angezogene Bekleidung) lediglich mitgeführt wird oder die eigene Beförderung im Vordergrund steht (vgl. BSG im Urteil vom 12.12.2006 – B 2 U 1/06 R – Juris RdNr. 21). Hier erfolgte die Unfallfahrt aber allein deswegen, weil der Kläger sich selbst von der Wohnung seiner Freundin zur eigenen Wohnung begeben wollte und nicht um die Arbeitskleidung oder den Pkw des Arbeitgebers auf dieser Strecke zu transportieren. Sowohl bei der Unfallfahrt als auch bei der geplanten anschließenden Fahrt zur Arbeitsstätte stand die eigene Fortbewegung des Klägers eindeutig im Vordergrund. Daher kann offengelassen werden, ob der Pkw des Arbeitgebers überhaupt ein Arbeitsgerät war, das dazu bestimmt war, hauptsächlich der Tätigkeit im Unternehmen zu dienen (vgl. BSG vom 12.05.2009 – B 2 U 12/08 R – Juris Rdnr. 28).

b) Die Unfallfahrt ist auch nicht als Vorbereitungshandlung zur versicherten abhängigen Beschäftigung versichert, weil sie für die versicherte Hauptverrichtung im Einzelfall notwendig war und in einem sehr engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit ihr stand (vgl. BSG vom 13.11.2012 – B 2 U 27/11 R – Juris RdNr. 20). Ein solcher enger Zusammenhang ist regelmäßig zu verneinen, wenn noch mehrere Zwischenschritte erforderlich sind (vgl. BSG im Urteil vom 12. 5. 2009, B 2 U 12/08 R – Juris RdNr. 23). Da schon das Ankleiden selbst im häuslichen Bereich vor dem Aufbruch zur Arbeit nicht versicherte Vorbereitungshandlung einer versicherten Beschäftigung ist (vgl. hierzu Keller in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, zu § 8 RdNr. 26 m.w.N.), steht erst recht das Zurücklegen des Wegs von C. nach A-Stadt als Vorbereitungshandlung für das (unversicherte) Umziehen mangels entsprechend engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs nicht unter Versicherungsschutz.

6. Der Kläger war auch nicht auf dem Weg zur Wohnung, um eine „vergessene“ Arbeitskleidung zu holen, so dass dahinstehen kann, ob ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit aufgrund eines Beweggrundes, einen vergessenen Gegenstand zu holen, besteht (vgl. hierzu BSG vom 07.09.2004, SozR 4-2700 § 8 Nr. 6 m. w. N.).

Ein Arbeitsunfall liegt schon deswegen nicht vor, weil die zum Unfall führende Verrichtung des Klägers nicht in innerem bzw. sachlichem Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit stand. Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

C) Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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