Skip to content
Menü

Gonarthrose als Berufskrankheit nach Nr. 21121 BKV – Voraussetzungen der Anerkennung

Schmerzhafte Knie und die Frage der Berufskrankheit: Ein Fall von Gonarthrose

In einer intensiven Auseinandersetzung um das Leiden eines Arbeitnehmers hat ein umfangreicher Rechtsstreit die Bühne des deutschen Arbeitsrechts betreten. Der Arbeitnehmer argumentiert, dass seine unerträglichen Knieschmerzen, die ihm seit sieben Jahren jede Arbeit unmöglich machen, das Ergebnis von jahrzehntelangen, kniebelastenden Tätigkeiten sind. Sein Job bestand darin, Gerätekästen, Generatoren und Antriebe zu warten und zu reparieren, die größtenteils im unterflurigen Wagenbereich von der Seite aus angebracht waren. Dies führte dazu, dass er ständig in kniender Position, im Fersensitz oder in gehockter Haltung arbeiten musste.

Direkt zum Urteil Az.: L 2 U 10/18 springen.

Die Belastung der Knie im Berufsleben

Er argumentiert, dass er erheblich mehr kniebelastende Tätigkeiten ausgeführt hat, als von der beklagten Partei angenommen wurde. In seiner Verteidigung verweist er auf eine kumulative Einwirkungsdauer von 13.000 Stunden in kniender oder vergleichbar kniebelastender Haltung. Die Beklagte, nach eingehender Prüfung, bestreitet diese Behauptung jedoch. Sie ist der Ansicht, dass die vom Kläger ausgeführten kniebelastenden Tätigkeiten, obwohl sie in der Gesamtbetrachtung die Belastung erheblich erhöht haben könnten, nicht die erforderliche Gesamtdauer erreicht haben.

Beweissammlung und -bewertung

Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte neue Untersuchungen zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen eingeleitet und Zeugenaussagen sowie technische Untersuchungen durchgeführt. Die Bewertung der Beweise durch die Beklagte, basierend auf Zeugenaussagen, Besichtigungen der Arbeitsplätze und den Ergebnissen der CUELA-Messungen, wurden vom Gericht unterstützt.

Einschätzung der Gonarthrose

Die Entscheidung des Gerichts basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit mehrere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, darunter ein sachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen auf den Körper sowie eine durch diese Einwirkungen verursachte Krankheit. In diesem Fall ist die Krankheit eine Gonarthrose. Diese tritt auf, wenn eine kniebelastende Tätigkeit mit einer kumulativen Einwirkungsdauer von mindestens 13.000 Stunden während des Arbeitslebens und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht ausgeübt wird. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger weder die medizinischen noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2112 erfüllt.

Im Zentrum dieses Falles steht die komplexe Frage der Verbindung zwischen langjähriger körperlicher Arbeit und gesundheitlichen Problemen. Obwohl der Fall schließlich zugunsten der Beklagten entschieden wurde, ist er dennoch ein anschauliches Beispiel für die Herausforderungen, die sich bei der Beurteilung der Auswirkungen langjähriger körperlicher Arbeit auf die Gesundheit ergeben können. […]


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 2 U 10/18 – Urteil vom 02.12.2020

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Berufskrankheit Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.

Der am … 1959 geborene Kläger beantragte am 5. Januar 2010 die Feststellung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV. Er sei seit August 1979 mit Unterbrechungen bei der D. AG als Wagenelektriker beschäftigt. Er habe Wartungs- und Reparaturarbeiten an verschiedenen Reisezügen an Gerätekästen (Wagenseite und Unterflurbereich) durchgeführt. Er habe vor Schaltschränken, heiz- und klimatechnischen Einrichtungen im Wagen gekniet. Der Einstieg in den Unterflurbereich sei krabbelnd erfolgt, die Einstiegshöhe in das Fahrzeug sei 70 cm vom Boden. Seit dem 1. August 2005 seien die Arbeiten stehend ausgeführt worden und die Gerätekästen hätten sich in Brusthöhe befunden. Vor Schaltschränken, heiz- und klimatechnischen Geräten sei weiter kniend gearbeitet worden. Durch das Arbeiten auf Arbeitsebenen und dem Unterqueren von aufgeständerten Gleisen hätten viele Treppen gestiegen werden müssen. Bis August 2005 habe er 3,5 Stunden pro Tag in belastender Dauerzwangshaltung (Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung) gearbeitet und 0,5 Stunden am Tag mit häufig wiederkehrender erheblicher Bewegungsbeanspruchung (Laufen oder Springen auf grob unebener Unterlage). Danach habe er noch 1,5 Stunden am Tag in kniebelastender Tätigkeit gearbeitet.

Der Kläger gab an, dass er bereits seit Frühjahr 2000 Beschwerden im Knie mit zeitweisen Bewegungseinschränkungen im linken Knie gehabt habe. Im Dezember 2008 sei er am linken Knie operiert worden und im März 2009 dann am rechten.

Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Bahn-BKK ergab sich u. a., dass der Kläger im Jahre 2000 vom 8. September bis 11. Oktober 2000 wegen einer Gonarthrose und eines Meniskusschadens arbeitsunfähig war. Vom 24. März 2009 bis 15. Juni 2009 war er wegen einer Knorpelkrankheit, einer Meniskusschädigung durch einen alten Riss oder eine alte Verletzung am Hinterhorn des Innenmeniskus arbeitsunfähig.

Gonarthrose als Berufskrankheit nach Nr. 21121 BKV
Ein Arbeitnehmer verlor einen Rechtsstreit, in dem er behauptete, seine Gonarthrose sei durch kniebelastende Arbeitstätigkeiten entstanden. Das Gericht verneinte die Anerkennung als Berufskrankheit. (Symbolfoto: Mabeline72/Shutterstock.com)

Die Beklagte kam in ihrer Arbeitsplatzanalyse vom 22. Juli 2010 zu folgendem Ergebnis: Der Kläger habe zeitweise Arbeiten in niedriger Arbeitshöhe oder an ungünstig zu erreichenden Arbeitsstellen ausgeführt, die auch stark gebückte, hockende oder kniende Körperhaltungen begründeten, bei denen auch zum Teil endgradige Kniebeugungen (Fersensitzhaltung) eingenommen würden. Die unterschiedlichen Haltungen wechselten sich je nach Arbeitsaufgabe mehr oder weniger häufig ab, dabei seien insgesamt kniebelastende Anteile im Sinne einer Berufskrankheit mit aufsummiert 20 bis 35 Minuten, in Ausnahmefällen mit bis zu 45 Minuten durchschnittlich einzuschätzen. Das Kriterium kniebelastender Arbeiten von insgesamt einer Stunde pro Schicht sei damit aus technischer Sicht nicht erfüllt. Die Tätigkeiten seien keinesfalls vergleichbar z. B. mit denen eines Bodenlegers oder Schlossers im Schiffsbau. In der gesamtheitlichen Belastungsbetrachtung hätten kniebelastende Tätigkeiten zwar anteilig ausgeführt werden müssen, dabei sei die kumulative Einwirkungsdauer von 13.000 Stunden in kniender Position oder mit vergleichbaren kniebelastenden Haltungen im Beschäftigungszeitraum des Klägers nicht erreicht worden.

Mit Bescheid vom 24. August 2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ab. Die Einwirkungen, denen der Kläger während seiner Berufstätigkeit ausgesetzt gewesen sei, seien nicht geeignet, eine Berufskrankheit zu verursachen. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht.

Am 21. September 2010 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Er habe erheblich mehr kniebelastende Tätigkeiten verrichtet, als dies von der Beklagten zu Grunde gelegt worden sei. Seit 7 Jahren könne er wegen unerträglicher Schmerzen überhaupt keine Arbeiten mehr ausführen. Die zu bearbeitenden Gerätekästen, Generatoren und Antriebe seien überwiegend im unterflurigen Wagenbereich von der Seite aus angebracht gewesen. Darum habe er ständig Arbeiten in kniender Position, im Fersensitz oder in gehockter Haltung ausführen müssen.

Nach einer weiteren Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 16. November 2010 kam die Beklagte erneut zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Zeitangabe des Klägers von 3,5 Stunden täglich sei in Gesprächen von Führungskräften, Vorgesetzten und Kollegen in den Ermittlungsgesprächen nicht bestätigt worden. Weiterhin hätten die im Werk befragten Personen angegeben, dass man bei länger andauernden Arbeiten auf Hockern oder Ähnlichem gesessen habe. Die Arbeiten selbst seien größtenteils außen an den Wagen vom Hallenboden auszuführen gewesen.

Im ersten Abschnitt vom 1. August 1979 bis zum 31. Dezember 1985 (mit Unterbrechung durch die Bundeswehrzeit) lägen in den 3,42 Jahren effektive Kniezeiten von 15 bis 45 Minuten pro Schicht vor. Nach den Ermittlungen lasse sich an ca. 46 der jährlichen Schichten (230 Jahresschichten) eine Tätigkeit im Knien von durchschnittlich einer Stunde effektiver Kniezeit ableiten. Für diesen Abschnitt ergebe sich damit eine Dosis von 158 Stunden Arbeiten in kniender Haltung. Im zweiten Abschnitt vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 2004 sei in den etwa 19 Jahren der Anfall an knienden Tätigkeiten pro Schicht in etwa gleich wie zuvor. Für diesen Abschnitt errechne sich damit eine Dosis von 874 Stunden in knienden Haltungen. Im dritten Abschnitt vom 1. Januar 2005 bis zum Tag der Stellungnahme seien die Arbeiten an aufgeständerten Gleisen ausgeführt worden. Ab diesem Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass schichtbezogen kniende Arbeiten im Umfang von einer Stunde nicht mehr erreicht worden seien. Insgesamt lasse sich im ungünstigsten Fall eine Lebensdosis für Arbeiten im Knien von 1.032 Stunden, also weniger als 13.000 Stunden, ableiten. Der Kläger habe an durchschnittlich 46 Schichten im Jahr über einen Zeitraum von 22,42 Jahren Arbeiten in kniender Haltung von durchschnittlich einer Stunde ausgeführt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen, eine kumulative Einwirkungsdauer während des gesamten Arbeitslebens von 13.000 Stunden in kniender Position oder vergleichbaren belastenden Haltungen und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Arbeitsschicht, sei beim Kläger nicht erreicht worden.

Am 5. April 2011 hat der Kläger dagegen Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und hat die Auffassung vertreten, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien. Der Kläger hat als Zeugen Herrn R., B. und S. benannt. Gegen die Stellungnahme des arbeitstechnischen Dienstes hat der Kläger eingewendet, dass Hocker nicht zur Verfügung gestanden hätten. In der Zeit von 1979 bis 1985 habe er auch nicht hauptsächlich an Fahrzeugen der Bauart B1 gearbeitet. Er sei für hochwertige Wagen der Bauart A. oder A1, A2, A3, B2 und B3 eingeteilt gewesen. Diese hätten eine Klimaanlage und zentrale Energieversorgung und dementsprechend viele Bauteile seitlich des Fahrzeugs gehabt. Nach der Umstrukturierung des Werks L. habe sich sein Arbeitsinhalt in der Zeit von 1985 bis 2005 nicht geändert. Der Anteil der hochwertigen Fahrzeuge habe sich stark vermehrt. Erst nach dem Umbau der Halle mit Aufständerung der Gleise habe sich die Arbeit im Knien auf ein erträgliches Maß reduziert. Sie habe aber weiterhin bei 1,5 Stunden pro Tag gelegen. Denn auch im oberflurigen Bereich der Fahrzeuge gebe es viele Arbeiten, die ausschließlich im Knien ausgeführt werden könnten (Arbeiten im Schaltschrank und an klimatechnischen Geräten).

Auf Anregung des Gerichts hat am 10. Juni 2012 seitens der Beklagten ein Ortstermin am aktuellen Arbeitsplatz des Klägers stattgefunden, bei dem die vom Kläger benannten Zeugen jedoch verhindert gewesen sind. Der Kläger hat im Nachhinein kritisiert, dass nur jüngere Kollegen oder Vorgesetzte befragt worden seien, nicht aber Kollegen, die damals mit ihm zusammengearbeitet hätten. Als weiteren Zeugen hat der Kläger H.B. benannt. Dieser sei in den 90er Jahren Meister im Betriebswerk L. gewesen und somit zwar einerseits Vorgesetzter, andererseits aber auch täglich in der Halle anwesend gewesen, so dass er viel genauere Auskünfte geben könne.

Am 4. und 5. Dezember 2013 hat eine CUELA-Messung vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesellschaft Unfallversicherung stattgefunden. In dem Bericht vom 11. Februar 2014 ist ausgeführt worden, dass das CUELA-Messsystem auf der Kleidung getragen werde und die Körperhaltung erfassen könne; parallel erfolge eine Videoaufzeichnung, damit anschließend die Tätigkeiten zugeordnet werden könnten. Gemessen worden seien zwei F2 Fristen (A3, B4) und ein Schadwagenauftrag mit F1 Frist (Bcmkh). Es seien 30,4 Prozent der Arbeitszeit (Frist 1 Bcmkh: 23,7 %, Frist 2 A3: 28,4 %, Frist 2 B4: 36 %) kniebelastend gewesen, so dass sich pro 8-Stundenschicht ein Wert von 146 Minuten errechne.

Der Präventionsdienst hat am 29. August 2014 eine Zusatzstellungnahme unter Berücksichtigung der CUELA-Messung und weiterer Aussagen von Zeugen u. a. von H.B. (Werkmeister Instandhaltung), R. (Meister Klima-, Energie- und Lok-IH), S. (Fachreferent für Instandhaltung), C. (Facharbeiter Instandhaltung, RzW), T. (Werkstattleiter) und dem Kläger selbst (Wagenelektriker, Facharbeiter) abgegeben. Außerdem sei der langjährige Arbeitskollege des Klägers S1 für seine sozialgerichtlichen Verfahren befragt worden. Die CUELA-Messung sei unter den strittigen Bedingungen der nicht aufgeständerten Gleise im Werk H. durchgeführt worden. Der Kläger habe gesagt, dass dort die Arbeitsbedingungen wie damals seien. Nunmehr solle dort doch vieles anders gewesen sein. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er – wie von ihm angegeben – mehr als drei Stunden täglich im Knien verbracht habe. Es seien Aussagen aus der ausführenden und der arbeitsvorbereitenden Sparte herangezogen worden und die CUELA-Messung als Vergleich herangezogen worden. Alle seien gleich gewichtet worden und es hätten sich 1,92 Stunden täglich im Knien ergeben. Fehltage seien aus der Akte und den Angaben des Werkes und der Krankenkasse zugrunde gelegt worden. Für einige Jahre würden Nachweise fehlen. Es seien nur die belegbaren Fehlzeiten berücksichtigt worden. 220 Jahresschichten sei ein Wert, wie er im Bereich der Bahn angegeben werde. Der Kläger erreiche 11.048 Stunden im Knien, das seien 85 Prozent des Schwellenwertes.

Der Kläger hat in seiner Stellungnahme vom 24. November 2014 mitgeteilt, dass H.B. und R. keine ausreichenden Kenntnisse über die genauen Arbeitsabläufe gehabt hätten. Ein Verwaltungsangestellter wie Herr B5 könne dies nicht beurteilen. Die Arbeitsvorbereitung sei im Werk immer unzulänglich geplant worden. Er stelle nicht die Messmethoden der CUELA-Messung in Frage, sondern die Rahmenbedingungen dafür. Es seien keine H-Wagen der Bauart (BA), Nahverkehrswagen der ABn und Bn Baureihen und die alten Wagen der BAbm 232 vermessen worden. Das Arbeiten an diesen habe mehr Zeit veranschlagt.

Die Beklagte hat hierauf mit Schreiben vom 16. Januar 2015 erwidert, dass alle Zeugen mit Ausnahme des Fertigungsingenieurs B5 vom Kläger selbst benannt worden seien. Auch die Werkstatt sei vom Kläger ausgewählt worden und der Proband sei keinen Einflüssen der Beklagten unterlegen gewesen. Es sei der normale Arbeitsablauf gewesen. Die Messung könne in der Tat nicht das gesamte Spektrum abbilden, welches durch unterschiedliche Wagentypen, Schadensbilder, Fristen und andere Aufgaben in einem Arbeitsjahr geprägt sei. Daher sei die Messung auch nur ein Parameter von insgesamt acht Einschätzungen, die gleich gewichtet herangezogen worden seien. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits Beschwerden seit 2000 bzw. 2003 schildere, so dass der bis 14. Januar 2014 berechnete Wert weiter zu reduzieren sei.

Der Kläger hat im Erörterungstermin vom 4. März 2016 angegeben, dass bei älteren Modellen erheblich längere kniebelastende Tätigkeiten zu verrichten gewesen seien und dies von der Beklagten nicht berücksichtigt worden sei. Bei älteren Modellen hätten auch Filter gewechselt werden müssen, man habe eigentlich den ganzen Tag im Knien gearbeitet. Außerdem seien in den 70er und 80er Jahren als Werkzeug Steckschlüssel benutzt worden, so dass die Tätigkeiten länger gedauert hätten als heute mit dem Ratschen-System, mit dem man die Schrauben erheblich schneller lösen könne. Ebenfalls sei nicht berücksichtigt worden, dass er auch mehrfach täglich die Grube habe betreten und verlassen und hierbei jeweils eine Stufenhöhe von ca. 70 cm kniebelastend habe überwinden müssen. Hierbei habe es sich nicht um Arbeitsvorgänge gehandelt, die 10 bzw. 20 Minuten ausgemacht hätten, aber in der Gesamtschau die Belastung erheblich erhöht hätten. Es sei auch nicht ersichtlich, ob bei der CUELA-Messung normale „Wartungstätigkeiten“ ausgeführt worden seien, denn regelmäßig seien bei seinen Wartungstätigkeiten auch Reparaturen angefallen, die dann zu einer erheblich längeren kniebelastenden Tätigkeit geführt hätten.

Die Beklagte hat daraufhin neue Ermittlungen zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen eingeleitet und die Zeugen S., H.B., R. R., S1 und Herrn B. erneut befragt. Sie ist zu der Bewertung gekommen, dass es eine deutlich unterschiedliche Einschätzung von Kniezeiten zwischen den Handwerkern und den Mitarbeitern mit Führungsaufgaben gebe, wobei letztere auch zunächst als Handwerker tätig gewesen seien. Soweit sich die Zeugen festgelegt hätten, würden diese im Durchschnittswert berücksichtigt. Erhöhte Angaben würden nur bis Ende der 80er Jahre berücksichtigt, da dann Ratschensysteme zur Verfügung gestanden hätten. Bis dahin seien 2,3 Stunden aufgrund des Durchschnittswerts der Zeugen zu berücksichtigen. Ein- und Aussteigen mit 2,3 Minuten seien im Zwischenwert enthalten. Eine Stunde Knien sei ab 2005 nicht mehr zu rechtfertigen, da die Hauptkniezeit an den Wagenkästen durch die aufgeständerten Gleise weggefallen sei. Dennoch werde diese berücksichtigt. Es ergebe sich dann eine Kniebelastung von 13.265 h für die Zeit vom 1. August 1979 bis zum 16. Juni 2016. Hiervon seien für die Jahre 1979 bis 2004 insgesamt 385 Tage mit 1,92 Stunden und für die Jahre 2005 bis 2013 186 Tage mit 1 Stunde abzuziehen. Auf die Erhöhung des Mittelwertes von 1979 bis 1990 werde zu Gunsten des Klägers verzichtet. Gesamtkniezeit: 12.340 Stunden (für die Zeit ab 2014 lägen noch keine Daten zu den Fehlzeiten des Klägers vor). Die Beklagte hat ihre Berechnung zu bestimmten Zeitpunkten konkretisiert:

– 1. August 1979 – 8. September 2000 (Erstdiagnose): 8.804 Stunden ohne Abzug Krankentage

– 1. August 1979 – 15. Dezember 2008: Knieoperation links: 11.551 Stunden ohne Abzug Krankentage

– 1. August 1979 – 24. März 2009: Knieoperation rechts: 11.670 Stunden ohne Abzug Krankentage.

Der Kläger hat zu der Berechnung der Beklagten vorgetragen, dass lediglich die Schätzungen der Führungskräfte sowie der Beklagten selbst mit 60, 80 bzw. 90 Minuten weit unterhalb der Werte der CUELA-Messung lägen. Laut CUELA-Messung sei die Wartung der Wagen A3 und B2 mit 189 und 202 Minuten erheblich höher gewesen als die Wartung des Bcmkh und eines Schadwagenauftrags. Diese Wagen seien ab 1979 hinzugekommen und der Kläger als Leistungsträger dürfte vorrangig an diesen gearbeitet haben. Der CUELA-Wert müsse für die vorangegangenen Zeiträume bis zum 31. Dezember 1989 um 24 Minuten erhöht werden, wie von der Beklagten berechnet. Die Zeitanteile beim Ein- und Aussteigen seien zu berücksichtigen und seien beim Zwischenwert nicht enthalten.

Die Beklagte hat darauf mit Schreiben vom 31. Januar 2017 erwidert, dass unrealistische Werte von beiden Seiten 60 min und 3 bis 4 Stunden auf der anderen Seite in die Wertung eingegangen seien. Arbeiten an höherwertigen Wagen hätten nicht automatisch höhere Kniezeiten zur Folge, da sich diese aus dem Schaden ergäben. Dies hätten die Zeugen deutlich ausgesagt. Bei der CUELA-Messung seien keine modernen Werkzeuge benutzt worden. Es habe sich dabei um das Öffnen der Wagenkästen mit dem Vierkantschlüssel, Säuberungen mit Besen und Anziehen von Schrauben oder Verbindungen mit Schraubenzieher, Maul- oder Ringschlüssel gehandelt. Diese Zeiten seien nicht zu erhöhen. Auch die Ein- und Ausstiegszeiten führten allenfalls zu 8,4 Stunden mehr pro Jahr. Außerdem könnten nur vergleichbare Belastungen nach der Berufskrankheit Nr. 2112 herangezogen werden. Dies seien Bewegungen bei einer Endgradigkeit der Knie. Bei einer Stufe von 70 cm und einer Körpergröße des Klägers von 1,91 m sei dies nicht der Fall. Es sei ab 2005 arbeitstäglich eine Stunde berücksichtigt worden, obwohl mehrfach bestätigt worden sei, dass ab der Aufständerung der Gleise eine Kniebelastung von einer Stunde eher nicht mehr anzusetzen sei. Somit könnten 2.411 Stunden eigentlich noch abgezogen werden.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 20. Juli 2017 vorgetragen, dass er weiterhin der Auffassung sei, erheblich mehr Kniezeiten als in der CUELA-Messung gehabt zu haben. Gerade aufgrund der erheblich differierenden Aussagen der Zeugen sei der CUELA-Wert als objektiver Messwert geeignet gewesen. Der Kläger habe überwiegend Arbeiten an höherwertigen klimatisierten Reisezugwagen ausgeführt. Auch im Wageninneren seien viele Arbeiten in kniender Position angefallen. Während sich die Klimaanlagen der Komfortreisezugwagen erst hätten einpendeln müssen, seien sog. Füllarbeiten ausgeführt worden. Dabei habe es sich jedoch auch um kniebelastende Tätigkeiten gehandelt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2018 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung seiner Erkrankungen in den Kniegelenken (Gonarthrose) als Berufskrankheit nach der Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV. Das Gericht könne nicht feststellen, dass die tatbestandlich geforderten Einwirkungen von 13.000 Stunden zur Anerkennung im Vollbeweis vorlägen. Dies habe sich aus den Ermittlungen, Zeugenaussagen und Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten ergeben. Den Vollbeweis des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der erforderlichen Einwirkung habe das Gericht nicht positiv feststellen können. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast gehe dies zulasten des Klägers. Das Gericht schließe sich nach Überprüfung der vorliegenden Unterlagen den Feststellungen und der Beweiswürdigung der Beklagten an, die in den Schriftsätzen dezidiert dargelegt habe, wie sie die Zeugenaussagen, die Besichtigungen der verschiedenen Örtlichkeiten, den präventionstechnischen Erfahrungswerten bei knienden Tätigkeiten im Servicebereich „Bahn“ und der CUELA-Messungen insgesamt bewertet habe. Hierbei habe sie einen praktikablen und geeigneten „Berechnungsmittelwert“ (Durchschnittswert) und eine plausible Grundlage für die Einschätzung der diversen verschiedenen versicherten Tätigkeiten des Klägers von August 1979 bis Mitte 2016 gefunden. Zutreffend habe die Beklagte auch darauf hingewiesen, dass diese zur Verfügung stehenden Beweismittel keine exakten Berechnungen der tatsächlichen belastenden Tätigkeiten des Klägers darstellten. Dies sei für das Berufskrankheitenrecht typisch, denn die Einwirkungen müssten häufig über Jahrzehnte rückwirkend festgestellt werden. Daher bedürfe es einer realistischen Bewertung, die auch durch die Erfahrungswerte der Präventionsdienste der Unfallversicherungsträger zu ermitteln, zu bewerten und festzustellen sei.

Die Präventionsdienste seien im Bereich der Berufskrankheiten die fachkundigen Stellen zur Ermittlung und Berechnung der schädigenden Einwirkungen. Nur bei einem dezidierten, qualifizierten und nachvollziehbaren Vorbringen gegen deren Feststellungen bestehe ein gesteigertes Interesse zur weiteren Aufklärung. Ein bloßes Bestreiten der Feststellungen reiche hierbei regelmäßig nicht aus, wenn offenkundig keine Fehler erkennbar seien. Nach der Erfahrung des Gerichts würden die arbeitstechnischen Beurteilungen regelmäßig sehr „wohlwollend“ („worst-case-Betrachtung“), aber immer auch realistisch, durchgeführt. Im Falle des Klägers habe der Präventionsdienst beispielsweise ab dem Jahre 2005 nicht berücksichtigt, dass der Kläger möglicherweise die weitere Voraussetzung – mindestens 1 Stunde belastende Tätigkeit pro Arbeitsschicht – zum Teil nicht mehr erfüllt habe. Auch seien die Fehlzeiten bis Mitte 2016 nicht berücksichtigt worden.

Der Kläger hat gegen den ihm am 14. Februar 2018 zugestellten Gerichtsbescheid am 7. März 2018 Berufung eingelegt. Der Kläger erinnere sich an wesentlich längere Kniezeiten. Insofern habe das Gericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger als Leistungsträger oft Schadenssuche übernommen habe, bei der höhere Kniezeiten angefallen seien. Zudem seien die Zeugenaussagen der Führungskräfte nur bedingt zu berücksichtigen. Der Zeuge R. sei erst seit 1997 im Werk L. tätig, der Zeuge B5 lediglich in den Jahren 2004 bis 2006. Gerade dessen Angaben mit 5 bis 60 Minuten kniendem Zeitanteil pro Schicht weiche jedoch erheblich von den übrigen Angaben ab. Auch die Erinnerung des Zeugen R. mit Mindestwerten von 10 Minuten pro Schicht könnten nicht überzeugen. Außerdem seien die Ausführungen des Zeugen B. mit 2 bis 4 Stunden im Knien nicht in den Durchschnittswert eingeflossen. Die Aussagen der Handwerker, die zwei bis drei Stunden täglich veranschlagt hätten, stimmten mit der CUELA-Messung, bei der sich ein Wert von 146 Minuten ergeben habe, überein. Folglich sei mindestens dieser Wert den Berechnungen zugrunde zu legen und nicht der angenommene Wert von 115,3 Minuten. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung ergebe sich dann, dass die kniebelastenden Tätigkeiten eine kumulative Einwirkung von mindestens 13.000 Stunden erreichten.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2018 und den Bescheid vom 24. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Gonarthrose als Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf ihre bisherigen Stellungnahmen, insbesondere des Präventionsdienstes.

Das Gericht hat bei der O.-Chirurgie H1 angefragt, wann der Kläger sich erstmals dort wegen Kniebeschwerden in Behandlung befunden hat und wann erstmals die Diagnose einer Gonarthrose gestellt worden sei. Dr. T1 hat auf Dezember 2008 für das rechte Knie und März 2009 für das linke Knie verwiesen.

Das Gericht hat ein chirurgisches Gutachten von Dr. T2 vom 5. September 2019 eingeholt. Eine Kernspintomographie des linken Kniegelenkes vom 29. August 2000 habe nach Aussage von Dr. F. eine mediale Gonarthrose mit Knorpelschäden und Gelenkbinnenerguss und eine längliche Signalanhebung am Hinterhorn des Innenmeniskus gezeigt. Die Aufnahme liege aber nicht vor. Die ersten Untersuchungen, die hätten beurteilt werden können, seien die Kernspintomographie des rechten Kniegelenkes vom 8. September 2009 sowie die des linken Kniegelenkes vom 23. Oktober 2008 gewesen. Sie zeigten unmissverständlich innenseitig betonte Verschleißumformungen sowohl am rechten als auch am linken Kniegelenk jeweils mit zusätzlichen Schädigungen des jeweiligen Innenmeniskus. Dr. Kerneck habe auch im arthroskopischen Befundbericht aus 2008 über Veränderungen am rechten und linken Kniegelenk berichtet. Die zusätzlich zur Verfügung stehende Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenkes vom 15. Dezember 2019 zeige zwar eine geringe Verschmälerung des inneren Kniegelenkspaltes jedoch keinerlei knöcherne Randkantenausziehungen. Es werde gefordert, dass chronische Kniegelenkbeschwerden ebenso wie Funktionsstörungen mit Einschränkung der Streck- und Beugefähigkeit medizinisch dokumentiert sein müssten. Auch dementsprechende Befundberichte lägen nicht vor. Auch liege eine der Grundvoraussetzungen, nämlich der Nachweis der röntgenologischen Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren weder am rechten noch linken Kniegelenk vor. Noch 2009 sei eine solche Veränderung am rechten Knie nicht feststellbar. Röntgenuntersuchungen des linken Kniegelenkes lägen nicht vor.

Berücksichtige man zusätzlich die Berechnungen zur Arbeitsplatzexposition, so werde rasch deutlich, dass die Operationen an den Kniegelenken bezüglich der Verschleißumformung der Knorpeloberflächen deutlich vor Erreichen der erforderlichen 13.000 Stunden (errechnet seien bis 2016 nur knapp 13.000 Stunden) Kniebelastungen, nämlich bereits 2008 und 2009 erfolgten. Und nach Aussage des Versicherten das linke Kniegelenk betreffend sei bereits in 2000 eine Arthroskopie des linken Kniegelenkes erfolgt. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen würden nicht von Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV erfasst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift vom 2. Dezember 2020 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in dessen Rechten.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie dass eine Krankheit vorliegt (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R, BSGE 118, 255). Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht sein (haftungsbegründende Kausalität). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die Berufskrankheit nicht anzuerkennen (BSG, a.a.O.). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (BSG, a.a.O.). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen (BSG, a.a.O.). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, a.a.O.). Es ist zu fordern, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 27/02, juris).

Der Kläger erfüllt weder die medizinischen noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV. Diese setzt das Vorliegen einer Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht voraus.

Bei dem Kläger ist eine Gonarthrose im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2112 nicht nachgewiesen. Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit hat folgende Voraussetzungen (Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2112, Bekanntmachung des BMAS vom 30. Dezember 2009 – IVa 4-45222-2112, GMBl 5/6/2010, S. 98 ff.):

– chronische Kniegelenksbeschwerden,

– Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten

Streckung oder Beugung im Kniegelenk und

– die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad 2 bis 4 der Klassifikation von Kellgren et al.

Hierfür reiche die Feststellung eines definitiven Osteophyten im Kniehauptgelenk oder Retropatellargelenk aus. Die Kniegelenksarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit könne isoliert im medialen oder lateralen Kniehauptgelenk oder im medialen oder lateralen Retropatellargelenk auftreten. Bei schweren Erkrankungsfällen seien häufig alle Kompartimente des Kniegelenks degenerativ verändert.

Dr. T2 ist nach Auswertung der Befunde schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht alle medizinischen Voraussetzungen nachgewiesen sind. Zum einen sind Funktionsstörungen mit Einschränkung der Streck- und Beugefähigkeit nicht dokumentiert. Auch den vorliegenden Befundberichten kann nichts hierzu entnommen werden. Zum anderen liegt kein Nachweis der röntgenologischen Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren et al. an einem der Kniegelenke vor. Grad II setzt definitive Osteophyten und eine mögliche Verschmälerung des Kniegelenkspalts, Grad 3 multiple Osteophyten und eine definitive Verschmälerung des Kniegelenkspalts, Sklerose und mögliche Verformung der Tibia und des Femurs und Grad 4 ausgeprägte Osteophyten, starke Verschmälerung des Kniegelenkspalts, ausgeprägte Sklerose und definitive Verformung der Tibia und des Femurs voraus. Die Röntgenaufnahme vom 15. Dezember 2009 des rechten Kniegelenkes zeigte zwar eine geringe Verschmälerung des inneren Kniegelenkspalts jedoch keinerlei knöcherne Randkantenausziehungen (Osteophyten). Röntgenuntersuchungen des linken Kniegelenkes liegen nicht vor. Der Kläger ist mittlerweile beidseitig mit Kunstgelenken versorgt, so dass die fehlenden Befunde auch nicht nachgeholt werden können.

Neben den medizinischen liegen auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vor. Zu berücksichtigen ist, dass die Verschleißumformung der Knorpeloberflächen jedenfalls schon in den Jahren 2008 und 2009 erfolgten. Der Kläger selbst trägt vor, bereits im Jahr 2000 wegen des linken Knies in Behandlung gewesen zu sein. Seit 2003 könne er gar keine Tätigkeiten mehr ausführen. Die kumulative Einwirkungsdauer von mindestens 13.000 Stunden durch eine Tätigkeit im Knien oder eine vergleichbare Kniebelastung müsste daher bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als durch die Beklagte angenommen erfolgt sein. Das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ließ sich beim Kläger, der hierfür die Beweislast trägt, nicht nachweisen. Die Prüfung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen ist nicht ausreichend konkret möglich. Dies liegt zum einen daran, dass für eine exakte Berechnung notwendige Daten fehlen. Bei der CUELA-Messung hat sich gezeigt, dass je nach Schadauftrag die kniebelastende Tätigkeit zwischen 23,7 Prozent (Frist F1 Bcmkh) und 36 Prozent (Frist F2 B4) schwanken kann. Wie sich die Arbeitszeit des Klägers konkret zusammengesetzt hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Getestet wurden zudem auch nur drei verschiedene Wagenmodelle, während der Kläger an weiteren tätig war. Die Arbeitsbedingungen, z. B. das zur Verfügung gestellte Werkzeug, ließen sich ebenfalls nicht für jeden Zeitraum originalgetreu nachstellen. Zum anderen liegen aber auch die unterschiedlichsten Angaben zu den kniebelastenden Tätigkeiten von Zeugen vor. Die Angaben reichen hier von 30 bis 70 Minuten bis zu 4 Stunden. Der Kläger selbst ist in seinem Vortrag dabei auch widersprüchlich. Beispielsweise hat er zunächst selbst H.B. als Zeugen benannt, um dann später dessen Aussage damit zurückzuweisen, dass dieser überhaupt keine Angaben zu den Arbeitsabläufen machen könne. Erst hat der Kläger vorgetragen, dass die Nahverkehrszüge nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten und er für hochwertige Züge eingeteilt gewesen sei. Nach Durchführung der CUELA-Messung hat er dann aber bemängelt, dass keine Nahverkehrswagen der ABn und Bn Baureihen und die alten Wagen der BAbm 232 vermessen worden seien. Für das Arbeiten an diesen sei mehr Zeit zu veranschlagen gewesen. Aufgrund der umfassenden Ermittlungen der Beklagten und der nicht mehr zu erlangenden Daten zu den Inhalten der jeweiligen Arbeitsschichten des Klägers wären weitere Ermittlungen auch nicht zielführend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!