Skip to content
Menü

Grades der Behinderung bei Bewegungseinschränkungen der Hand und Schmerzsymptomatik

Sozialgericht Aachen bestätigt GdB von 40 bei Complex regional pain Syndrom (CRPS)

Das Sozialgericht Aachen hat in seinem Urteil vom 13.01.2015 (Az.: S 12 SB 694/14) die Klage einer Frau abgewiesen, die eine höhere Bewertung ihres Grades der Behinderung (GdB) gefordert hatte. Das Gericht bestätigte einen GdB von 40, basierend auf einer umfassenden medizinischen Bewertung ihrer körperlichen Beeinträchtigungen, einschließlich des Complex regional pain Syndroms (CRPS) der rechten Hand. Trotz der von der Klägerin vorgebrachten Beeinträchtigungen im Alltag und Schmerzsymptomen entschied das Gericht, dass eine Erhöhung des GdB auf 50 nicht gerechtfertigt sei.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: S 12 SB 694/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage abgewiesen: Die Forderung der Klägerin nach einem höheren GdB wurde nicht anerkannt.
  2. Bestätigung eines GdB von 40: Das Gericht bestätigte den vom medizinischen Dienst des Beklagten festgestellten GdB.
  3. Complex regional pain Syndrom (CRPS): Die Klägerin leidet unter CRPS der rechten Hand, was wesentlich zur Bewertung des GdB beitrug.
  4. Keine ausreichenden Gründe für eine Erhöhung: Die vorgebrachten Argumente und medizinischen Befunde der Klägerin rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts keine Erhöhung des GdB auf 50.
  5. Medizinische Begutachtung: Umfassende medizinische Untersuchungen und Gutachten bildeten die Grundlage für die Entscheidung.
  6. Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Alltag: Trotz der Einschränkungen im Alltag der Klägerin sah das Gericht keine Notwendigkeit für eine GdB-Erhöhung.
  7. Rechtliche Rahmenbedingungen: Das Urteil basiert auf den Bestimmungen des § 2 SGB IX und § 69 SGB IX.
  8. Keine Kostenübernahme: Die Klägerin muss die Prozesskosten tragen.

Bewegungseinschränkungen der Hand und Schmerzsymptomatik: Wie wird der Grad der Behinderung festgestellt?

Der Grad der Behinderung (GdB) ist ein wichtiger Faktor, um Nachteilsausgleiche für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen zu erhalten. Bei Bewegungseinschränkungen der Hand und Schmerzsymptomatik wird der GdB nach dem Sozialgesetzbuch IX festgestellt. Die Bewertung orientiert sich an der Schwere der Beeinträchtigung und kann je nach individueller Situation variieren.

Eine ausgeprägte Arthrose des Handgelenks mit starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen kann zu einem GdB von 40 führen. In anderen Fällen, wie etwa bei rheumatischen Erkrankungen, können die Behinderungsgrade je nach Häufigkeit und Schwere der Beschwerden variieren. Um mögliche Nachteilsausgleiche zu erhalten, sollten Betroffene einen Antrag auf Feststellung des GdB stellen und ihre individuelle Situation und die Schwere der Beeinträchtigung detailliert darlegen.

In einem konkreten Urteil wurde ein GdB von 40 aufgrund von Arthrose und Rückenerkrankungen festgestellt, wobei auch die Bewegungseinschränkung eine Rolle spielte. Bei chronischen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule hängt der GdB vor allem von der Bewegungseinschränkung ab, was auch auf Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Hand übertragen werden kann.

Es ist wichtig, dass Betroffene ihre Rechte kennen und gegebenenfalls einen Antrag auf Feststellung des GdB stellen, um mögliche Nachteilsausgleiche zu erhalten. Dabei sollten sie sich auf die rechtlichen Herausforderungen einstellen und sich von Experten beraten lassen.

Streit um den Grad der Behinderung: Ein Fall vor dem Sozialgericht Aachen

Das Sozialgericht Aachen befasste sich in einer bemerkenswerten Verhandlung mit dem Fall einer Frau, bei der der Grad der Behinderung (GdB) im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung stand. Ursprung des Streits war ein Bescheid des Beklagten vom 07.12.2011, in dem für die Klägerin ein GdB von 30 festgesetzt wurde. Dieser basierte auf einer diagnostizierten Funktionsstörung der Wirbelsäule und einer Funkzustellung der unteren Gliedmaße.

Komplexe Schmerzsymptomatik als Kern des Disputs

Im Januar 2014 beantragte die Klägerin eine Änderung dieses Bescheids, wobei sie angab, unter einem Complex regional pain Syndrom (CRPS) in der rechten Hand zu leiden. Dieses CRPS führte zu einer erheblichen Einschränkung ihrer Handfunktion, was für sie als Rechtshänderin eine starke Beeinträchtigung darstellte. Die Klägerin legte verschiedene medizinische Berichte vor, darunter einen Entlassungsbefund des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums und einen Bericht über eine Computertomographie des rechten Handgelenks.

Bewertung des GdB: Medizinische und rechtliche Aspekte

Der ärztliche Dienst des Beklagten bewertete den GdB der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen neu und setzte ihn auf 40 fest. Die Klägerin legte Widerspruch ein und argumentierte, die Funktionsstörungen ihres rechten Handgelenks seien zu gering bewertet worden und forderte einen GdB von 40 allein für diese Beeinträchtigung. Der Widerspruch wurde jedoch von der Bezirksregierung als unbegründet zurückgewiesen.

Gerichtsentscheidung: Eine umfassende medizinische und juristische Bewertung

Das Gericht zog für seine Entscheidung ein umfassendes medizinisches Gutachten heran, das eine detaillierte Untersuchung der Klägerin beinhaltete. Trotz der Einwände der Klägerin gegen das Gutachten und die daraus resultierenden Ergebnisse, hielt das Gericht die Feststellungen des Gutachters für zutreffend und angemessen. Insbesondere wurde die Beeinträchtigung der rechten Hand und die damit verbundenen Schmerzen sowie die Auswirkungen auf den Alltag der Klägerin berücksichtigt. Das Gericht fand jedoch keine hinreichenden Gründe, um den GdB über 40 hinaus zu erhöhen.

Fazit: Rechtmäßigkeit des festgesetzten GdB

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klägerin durch die festgesetzten Bescheide nicht beschwert sei und diese rechtmäßig seien. Daher wurde die Klage abgewiesen, und der GdB der Klägerin blieb bei 40. Diese Entscheidung basierte auf einer sorgfältigen Abwägung aller medizinischen Befunde und rechtlichen Rahmenbedingungen.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Was bestimmt den Grad der Behinderung (GdB) nach deutschem Sozialrecht?

Der Grad der Behinderung (GdB) in Deutschland wird durch die Versorgungsmedizin-Verordnung bestimmt. Diese legt fest, welche Kriterien Betroffene erfüllen müssen, um einen Grad der Behinderung zu erhalten. Die Kriterien für die Bestimmung des GdB sind seit dem 1. Januar 2009 die Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Die darin enthaltenen Angaben dienen als Orientierungsrahmen. Die Ermittlung des GdB bei einem Menschen ist immer eine individuelle Entscheidung, die auf der Grundlage medizinischer und sozialmedizinischer Sachverhalte getroffen wird.

Die Gesundheitsstörungen werden den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zugeordnet und dann mit einem Einzel-GdB bewertet. Bei der Bildung eines Gesamt-GdB, wenn also mehrere Beeinträchtigungen zusammenkommen, sollen nur noch Einzel-GdB über 20 berücksichtigt werden.

Schwerbehindert sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, bei denen ein GdB von wenigstens 50 festgestellt wurde. Der GdB kann auch herabgesetzt werden. Es ist möglich, die Schwerbehinderteneigenschaft zu verlieren, wenn der GdB unter 50 eingestuft wird.

Es ist zu erwähnen, dass es Diskussionen über geplante Änderungen in der Versorgungsmedizin-Verordnung gibt, die zu Verschlechterungen für Betroffene führen könnten.

Wie wird der Gesamt-GdB bei mehreren Beeinträchtigungen ermittelt?

Der Grad der Behinderung (GdB) in Deutschland wird durch die Versorgungsmedizin-Verordnung bestimmt. Diese legt fest, welche Kriterien Betroffene erfüllen müssen, um einen Grad der Behinderung zu erhalten. Die Kriterien für die Bestimmung des GdB sind seit dem 1. Januar 2009 die Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Die darin enthaltenen Angaben dienen als Orientierungsrahmen. Die Ermittlung des GdB bei einem Menschen ist immer eine individuelle Entscheidung, die auf der Grundlage medizinischer und sozialmedizinischer Sachverhalte getroffen wird.

Die Gesundheitsstörungen werden den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zugeordnet und dann mit einem Einzel-GdB bewertet. Bei der Bildung eines Gesamt-GdB, wenn also mehrere Beeinträchtigungen zusammenkommen, sollen nur noch Einzel-GdB über 20 berücksichtigt werden.

Schwerbehindert sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, bei denen ein GdB von wenigstens 50 festgestellt wurde. Der GdB kann auch herabgesetzt werden. Es ist möglich, die Schwerbehinderteneigenschaft zu verlieren, wenn der GdB unter 50 eingestuft wird.

Es ist zu erwähnen, dass es Diskussionen über geplante Änderungen in der Versorgungsmedizin-Verordnung gibt, die zu Verschlechterungen für Betroffene führen könnten.

Inwiefern beeinflusst das Complex regional pain Syndrom (CRPS) den GdB?

Das Complex Regional Pain Syndrom (CRPS) kann den Grad der Behinderung (GdB) erheblich beeinflussen. Der GdB wird nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen festgelegt, die seit dem 01.01.2009 gelten. Bei CRPS handelt es sich um eine Erkrankung, die infolge eines Traumas zu erheblichen Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen führt.

Die Bestimmung des GdB bei CRPS erfolgt nicht nur anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze, sondern auch anhand der Kieler CRPS Klassifikation. Es ist möglich, dass ein Einzel-GdB von 40 nach der GdS-Tabelle festgelegt wird.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Bestimmung des GdB bei CRPS komplex ist und von vielen Faktoren abhängt, einschließlich der Schwere der Symptome und der Auswirkungen der Erkrankung auf das tägliche Leben und die soziale Teilhabe des Betroffenen.

Es gibt Berichte, dass die Behörden nicht immer die Schwere der Einschränkungen und Behinderungen, die durch CRPS verursacht werden, vollständig anerkennen. Daher ist es wichtig, dass Betroffene ihre Situation und die Auswirkungen der Erkrankung auf ihr Leben gründlich dokumentieren und gegebenenfalls Widerspruch gegen Entscheidungen einlegen, die sie für ungerecht halten.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass der GdB bei CRPS von Fall zu Fall variieren kann, da die Erkrankung unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann und die Symptome von Person zu Person variieren können.


Das vorliegende Urteil

SG Aachen – Az.: S 12 SB 694/14 – Urteil vom 13.01.2015

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Bei der am 00.00.0000 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2011 aufgrund einer Funktionsstörung der Wirbelsäule und einer Funkzustellung der unteren Gliedmaße einen GdB von insgesamt 30 fest.

Am 31.01.2014 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag beim Beklagten und gab hierbei an, sie leide unter einem Complex regional pain Syndrom (CRPS) in der rechten Hand. Das Bilden einer Faust und eine Streckung der Hand seien nicht möglich. Das Handgelenk sei steif. Bedingt durch das CRPS sei es zudem zu einer Arthrose gekommen. Als Rechtshänderin sei sie hierdurch stark beeinträchtigt. Dem Antrag beigefügt war ein vorläufiger Entlassungsbefund der Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum C vom 17.01.2014, in dem ein komplexes regionales Schmerzsyndrom der rechten Hand nach distalen Radiusfraktur rechts mit Scaphoidfraktur und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Hypothyreose, Hypotonien und ein Zustand nach LWK2 Fraktur 2009 mit temporärer Stabilisierung mittels Fixateur interne und Metallentfernung 2012 (zurzeit asymptomatisch) diagnostiziert wurden. Darüber hinaus lag dem Antrag ein Bericht über eine Computertomographie des rechten Handgelenk zum 8.8.2013 des MVZ RNR F sowie ein Aufnahmebogen der Bethlehem Gesundheitszentrum T vom 27.07.2013 bei.

Die ärztliche Dienst des Beklagten wertete die Unterlagen aus und kam zu der Einschätzung, für das vom zu uns System der Wirbelsäule sei ein GdB von 20, für die vom Zustellung der unteren Gliedmaße ein GdB von 20 für ein chronisches psychosomatische Schmerzsyndrom ein GdB von 20 und für die Funk zur Störung des rechten Handgelenks ebenfalls ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Insgesamt sei der GdB mit 40 zu bewerten.

Am 25.02.2014 erging ein entsprechender Bescheid des Beklagten, in dem der GdB der Klägerin mit 40 festgestellt wurde.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.3.2014 Widerspruch ein, der durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Wesentlichen damit begründet wurde, die Funktionsstörungen des rechten Handgelenks sein zu gering bewertet worden. Allein für diese sei bereits ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen. Die Klägerin legte im Verfahren weiter den endgültigen Entlassungsbefund der Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum C vom 12.02.2014 sowie einen Arztbericht der Chirurgin Dr. N vom 12.05.2014 vor. Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht der Orthopäden Dr. C, L und C1 und werte diese, zusammen mit einem Arztbericht der Klink für Innere Medizin der Bethlehem Gesundheitszentrum T vom 15.04.2013, einen Arztbericht der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des St.-Antonius-Hospitals F vom 16.018.2013, einem Arztbericht der Klink für Schmerz- und Palliativmedizin der Medizinisches Zentrum B vom 30.10.2013 und einem weiteren Arztbericht der Chirurgin Dr. N vom 04.11.2013 durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung der GdB sei mit 40 zutreffend bewertet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 wies die Bezirksregierung N den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Am 29.07.2014 hat die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Zur Begründung hat sie den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren im Wesentlichen wiederholt und vertieft. Sie hat überdies ein Attest des Orthopäden Dr. D, einen Bericht der Ergotherapeutin X und zwei Arztberichte des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C vom 17.12.2013 und 06.01.2014 zu den Akten gereicht.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. T, welches dieser aufgrund Untersuchung der Klägerin am 16.09.2014 gegenüber dem Gericht am 08.10.2014 erstattet hat. Die Klägerin hat schriftsätzlich sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, sie könne sich mit dem Gutachten nicht einverstanden erklären. Es berücksichtige die bei ihr im Vordergrund stehenden Beeinträchtigungen der Hand nicht hinreichend. Insbesondere die Tatsache, dass sie als Rechtshänderin im Gebrauch der rechten Hand erheblich im Alltag eingeschränkt sei, werde nicht hinreichend berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2014 zu verurteilen, den GdB ab Antragstellung mit 50 zu bewerten.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen des ärztlichen Dienstes im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie das Ergebnis der Begutachtung der Klägerin durch Dr. T.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da diese rechtmäßig sind. Der GdB der Klägerin ist mit 40 zu bewerten.

Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 – Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.

Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 – B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 – B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 – 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.

Die Klägerin leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Wesentlichen unter

1. Restbeschwerden nach einer instabilen LWK2-Kompressionsfraktur mit Hinterkantenbeteiligung

2. Complex regional pain Syndrom (CRPS bzw. Morbus Sudeck) des rechten Handgelenks und der rechten Hand im Stadium III, dem Stadium der Atrophie nach konservativer Behandlung einer knöchernen Verletzung des distalen rechten Radius und Fraktur des rechten Os scaphoidum nach einem Sturz mit dem Fahrrad 2013 mit verbliebener Funktionsminderung des rechten Handgelenks und der rechten Hand im Sinne bestehender Bewegungs- und Belastungsschmerzen

3. Druckschmerzhaftigkeit über dem linken Daumensattelgelenk, ohne wesentlichen Entzündungszeichen und ohne radiologische Zeichen eines wesentlichen Verschleißschadens des linken Daumensattelgelenks

4. Karpaltunnelsyndrom links mit angegebenem nächtlichen Taubheitsgefühl im 1. bis 3. Finger der linken Hand, bei im Rahmen der Untersuchung negativem Tinel-Zeichen über dem linken Karpaltunnel und keinen nachweisbaren sensomotorischen Defiziten im Bereich der linken Hand

5. Beginnender Hüftverschleißschaden beidseits im Sinne einer Protrusionskoxarthrose

6. Beginnender Verschleißschaden auf der Innenseite des rechten Knies und klinische Hinweise auf einen beginnenden Knorpelschaden auf der Rückseite der rechten Kniescheibe

7. Spreizfuß mit mittelgradig ausgeprägtem Hallux valgus beidseits und ca. 2 cm lange, schmerzlose Verhärtung im Bereich der Plantarapneurose der linken Fußsohle im Sinne eines beginnenden Morbus Ledderhose

8. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren

9. Medikamentös nicht behandlungsbedürftiger niedriger Blutdruck

10. Medikamentös nicht behandlungsbedürftige geringe Schilddrüsenfunktion

11. Diverse Allergien ohne chronische Bronchitis oder dauernde Einschränkung der Lungenfunktion und ohne Ekzeme

Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte sowie dem Gutachten des Herrn Dr. T fest. Das Gutachten beruht auf umfangreichen Untersuchungen, die von einem erfahrenen medizinischen Gutachter unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit und Vollständigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln.

Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben.

Zwar hat die Klägerin erklärt, sie könne sich mit dem Gutachten und dessen Ergebnissen nicht einverstanden erklären. Allerdings sind die von ihr vorgebrachten Einwendungen gegen die Untersuchung und das Gutachten nach Auffassung der Kammer nicht durchgreifend. Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, die Begutachtung habe zu lange gedauert und die Anfertigung von zahlreichen Röntgenbildern sei nicht erforderlich gewesen, erschließt sich der Kammer dies nicht. Es zeichnet das Gutachten des Dr. T nach Auffassung vielmehr aus, dass dieser – vor dem Hintergrund der bestehenden Komplexität des sog. CRPS und den daraus resultierenden Anforderungen an eine Begutachtung (vgl. hierzu etwa Widder/Tegenthoff, Begutachtung komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), MedSach 2014, 26 ff.; siehe auch die S1-Studie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Birklein, et. al., Diagnostik und Therapie komplexer regionaler Schmerzsyndrome, Stand: September 2012, abrufbar unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-116.html) – sich viel Zeit für die Untersuchung genommen hat und zudem – durch Anfertigung aktueller Röntgenbilder – sich ein aktuelles radiologisches Bild betreffend die Körperregionen gemacht hat, bei denen Beeinträchtigungen vorbefundet waren bzw. von der Klägerin beklagt wurde. Die Klägerin verkennt insoweit, dass ältere Aufnahmen gerade keine Auskunft über den derzeitigen Zustand geben, welcher aber – sowohl zum Vorteil oder aber ggf. auch zum Nachteil des jeweiligen Klägers – ebenfalls maßgeblich ist. Dass die Untersuchung für die Klägerin anstrengend war und sie angibt, im Nachgang unter Schmerzen gelitten zu haben, mag sein. Die Richtigkeit dieser Behauptung ist für die Kammer im Nachgang nicht prüfen. Allerdings spräche auch dieses nicht gegen das durch Dr. T erstellte Gutachten. Die Kammer nimmt die von der Klägerin geschilderte Sorge, sie habe im Nachgang eine „Aktivierung“ der Beeinträchtigungen der rechten Hand befürchtet, durchaus ernst. Im Ergebnis ist es aber durch das Gutachten weder zu einer erneuten Entzündungsreaktion gekommen, noch ist eine solche – insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen des Gutachters Dr. T in seiner ergänzenden Stellungnahme an – durch eine, wie vorliegend lege artis durchgeführte, gutachterliche Untersuchung zu befürchten. Die übrigen Einwendungen der Klägerin beziehen sich im Wesentlichen darauf, der Gutachter habe die bei ihr bestehenden Beeinträchtigungen, insbesondere des Lebensalltags, nicht hinreichend bewertet. Auch dieser Einwand greift nach Auffassung der Kammer indes nicht durch, sind doch – wie unten näher dargelegt werden wird – die objektivierbaren Beeinträchtigungen der Klägerin vom Gutachter entsprechend den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zutreffend bewertet worden, und auch die vom ihm vorgeschlagenen GdB, einschließlich des Gesamt-GdB, erachtete die Kammer nach eingehender eigenen Prüfung für zutreffend.

Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen.

Die Klägerin klagte gegenüber dem Gutachter, dass nach der Entfernung des Fixateur interne im Januar 2012 sich die seinerzeit belastungsabhängigen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule zwischenzeitlich deutlich gebessert hätten. Der Gutachter beschreibt bei der Oberkörpervorneigung einen Finger-Boden-Abstand von ca. 7 cm, wobei die Lendenwirbelsäule nicht harmonisch abgeholt, sondern dieser Finger-Boden-Abstand durch eine Gutschrift Beweglichkeit erreicht werde. Die Oberkörperrückneigung beschreibt der Gutachter als gering endgradig eingeschränkt, die Oberkörperseitneigung beidseits nicht wesentlich eingeschränkt. Er beschreibt den Abstand der Mittelffingerspitzen zum äußeren Kniegelenksspalt jeweils mit 0 cm. Die Muskulatur im Bereich der Brustwirbelsäule ist seitengleich normal entwickelt und nur im unteren Bereich leicht verspannen. Es fand sich eine geringe Druckschmerzhaftigkeit über den Interspinalraum Th8/9. Die Brustwirbelsäulengelenksbeweglichkeit beschreibt der Gutachter als altersentsprechend normal. Das Ott’sche Zeichen ermittelte der Gutachter mit 30/32,5 cm (vgl. zu den Werten nach Ott, Wülker (Hrsg.), Orthopädie und Unfallchirurgie, 2. Aufl. 2010, S. 224). Die paravertebrale Muskulatur im Lendenwirbelsäulenbereich zeigt sich bei der Untersuchung beidseits normal entwickelt. Es fand sich eine Druckschmerzhaftigkeit über den Beinen Interspinalräumen L4/L 5 und L5/S1 und über den Wirbelgelenken in den Segmenten L1/L2 und L2/L3. die orientierende neurologische Untersuchung zeigten sich hinsichtlich der Wirbelsäule keine auffälligen Befunde. Das Lasègue-Zeichen war beidseits negativ ein Nervus-femoralis Dehnungsschmerz konnte nicht ausgelöst werden, der Patellasehnenreflex, der Tibialis-posterior-Reflex und der Achillessehnenreflex waren an beiden Beinen normal auslösbar. Der Babinksi-Reflex war beidseits negativ, ein Clonus war beidseits nicht auslösbar, so dass sich insgesamt Hinweise auf ein Nervenengpasssyndrom nicht fanden.

Im Bereich der Halswirbelsäule stellte der Gutachter eine mäßige Verspannung der entsprechenden Muskulatur mit schmerzweiterleitenden Triggerpunkten am Oberrand der Mitte des Musculus trapezius. Eindeutige Bewegungsminderung einzelner Halswirbelsäulengelenke konnte der Gutachter nicht tasten. Den Kinn-Sternum Abstand ermittelte der Gutachter mit 1,5/15 cm. Die Seitenneigung rechts/links nach Neutral-Null mit 30°/0°/35° und die Rotation rechts/links mit 65°/0°/60° (vgl. zur Neutral-Null-Methode etwa, Wülker (Hrsg.), Orthopädie und Unfallchirurgie, 2. Aufl. 2010, S 3 ff.; Dörfler/Eisenmenger/Wandl/Lippert, Medizinische Gutachten, 2008, S. 72 ff.).

Insgesamt beschreibt der Gutachter damit leichte funktionelle Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule und leichte bis soeben mittelgradige Beeinträchtigungen im Bereich der Brust-/und Lendenwirbelsäule. Hierfür ist – in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr. T – ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen, der nach Auffassung der Kammer indes soeben erreicht ist.

Für den Bereich der oberen Extremitäten ist gemäß Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 30 in Ansatz zu bringen.

Maßgeblich sind insoweit die Beeinträchtigungen der Klägerin im Bereich der rechten Hand. Soweit die Klägerin daneben über eine Druckschmerzhaftigkeit des linken Daumensattelgelenks klagt, ließen sich diesbezüglich weder bestehende Entzündungszeichen noch – nativradiologisch – ein wesentlicher Verschleißschaden objektivieren. Der Faustschluss links zeigte sich bei der Untersuchung als problemlos möglich, die Finger konnten allesamt gestreckt werden. Spitzgriff und Schlüsselgriff sowie der Apfelsinengriff waren links ebenfalls vollständig möglich. Das Handgelenk links war handrückenwärts/hohlhandwärts mit 80°/0°/60° und speichenwärts/ellenwärts mit 30°/0°/45° möglich. Hinsichtlich des von der Klägerin angegebenen Karpaltunnelsyndroms ließen sich gutachterlich keine sensomotorischen Defizite objektivieren. Die Schulterbeweglichkeit beschreibt der Gutachter als altersentsprechend normgerecht, Die insoweit beklagte geringe Druckschmerzhaftigkeit bedingt keinen eigenen GdB.

Wesentlichere Beeinträchtigungen bestehen demgegenüber im Bereich der rechten Hand. Die Klägerin leidet – dies steht für die Kammer aufgrund des eingeholten Gutachtens sowie der im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgelegten Arzt- und Befundbericht – im Nachgang zu einer knöchernen Verletzung des distalen rechten Radius (Speiche) und Fraktur des rechten Os scaphoidum nach einem Sturz mit dem Fahrrad 2013 unter einem sog. „Complex regional pain Syndrom“ (CRPS Typ I bzw. Morbus Sudeck) des rechten Handgelenks und der rechten Hand im Stadium III, der Atrophie (vgl. zum CRPS Widder/Tegenthoff,. Begutachtung komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), MedSach 2014, 26 ff.; Niethard/Pfeil/Biberthaler, Orthopädie und Unfallchirurgie, 7. Aufl. 2014, S 324; Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Aufl. 2013, S. 827 f.; siehe auch die S1-Studie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Birklein, et. al., Diagnostik und Therapie komplexer regionaler Schmerzsyndrome, Stand: September 2012, abrufbar unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-116.html).

Hinsichtlich der Beeinträchtigungen der rechten Hand schilderte die Klägerin gegenüber dem Gutachter Dr. T, es träte in Schreibhaltung des rechten Unterarmes ein Druckgefühl im rechten Unterarm auf. Ursprünglich sei es an der rechten Hand zu einem vermehrten Haarwachstum und einer deutlich verstärkten Schwitzneigung gekommen, die mittlerweile allerdings zurückgegangen wären. Zeitweilig träte noch ein Wärmegefühl in der rechten Hand auf und es bestehe eine Einschränkung der rechtzeitigen Fingerbeweglichkeit. Im Nachgang zur Begutachtung trug die Klägerin gegenüber dem Gericht weiter vor, aufgrund der Beeinträchtigung der rechten Hand sei die Körperhygiene nur eingeschränkt möglich. Auch sei sie in der Verrichtung von Handarbeiten, wie Nähen, Stricken, Filzen usw. beeinträchtigt. Diese seien ihr nicht möglich. Töpfern könne sie nur mit Hilfe, auch sei ihr die Gartenarbeiten nicht mehr möglich. Ihr Arbeitsplatz sei so gestaltet, dass sie sitzend und stehend arbeiten könne. Sie habe ich Akten und Papierakten und könne zwischen diesen wechseln. Schreiben könne sie mit der rechten Hand nur minimal.

Die Untersuchung durch Dr. T ergab, dass die rechtzeitige Handmuskulatur im Vergleich zur normal entwickelten linken Seite leicht verschmächtigt war. Die Beschwielung der Handflächen war beidseits gering und es bestand beidseits keine Rötung. Eine Überwärmung, verstärkte Schweißsekretion oder vermehrtes Haarwachstum waren nicht erkennbar. Die Klägerin gab am rechten Handgelenk eine an über verschiedenen Knochen eine Druckschmerzhaftigkeit an. Die Beweglichkeit der Handwurzelknochen war rechts gegenüber links eingeschränkt. Das Handgelenk rechts war handrückenwärts/hohlhandwärts mit 25°/0°/20° und speichenwärts/ellenwärts mit 0°/0°/20° beweglich.

Bei der Daumenopposition betrug der Abstand der Daumenspitze zum Köpfchen des Fünften Mittelhandknochens rechts 2 cm, links 0 cm. Beim Faustschluss betrug der Abstand der langen Fingerspitzen zur proximalen Hohlhandbeugefalte am 2. bis 4. Finger rechts jeweils 3 cm und am 5. Finger rechts 2 cm, so dass rechts der Faustschluss unvollständig blieb. Beim aktiven Strecken der Finger der rechten Hand bestand ein Streckdefizit, insbesondere in den proximalen Interphalangealgelenken der Langfinger – rechter Zeigefinger ca. 15°, Mittelfinger ca. 25°, Ringfinger ca. 15°, Kleinfinger ca. 55°. Außerdem war ein geringes aktive Streckdefizit auch in den Gelenken der Langfinger zu erkennen – am Kleinfinger ca. 15° und einen in Gelenken des rechten Zeige-, Mittel-, und Ringfingers jeweils ca. 5°. Die passive Beweglichkeit der Langfingergelenke an der rechten Hand war ebenfalls andeutungsweise vermindert gegenüber den Fingerendgelenken links. Die Klägerin konnte den Spitzgriff und den Schlüsselbegriff mit der rechten Hand durchführen. Der so genannte Apfelsinengriff war rechts insbesondere durch die stärkere Beugekontraktur im proximalen Interphalangealgelenk des Kleinfingers eingeschränkt. Ein Querhanddruckschmerz wurde weder rechts noch links beschrieben. Die rechtsseitige Unterarmmuskulatur der rechtshängigen Klägerin beschrieb der Gutachter als allenfalls andeutungsweise schwächer entwickelt als die normal entwickelte linksseitige Unterarmmuskulatur. Bei der orientierend neurologischen Untersuchung gab die Klägerin eine Gefühlsminderung auf der Speichenseite des rechten Unterarms an. Darüber hinaus beschreibt der Gutachter eine geringe Abschwächung des rechtzeitigen Faustschlusses und der Beugung -. hohlhandwärts – des rechten Handgelenks.

Bei der Bemessung des GdB ist gemäß Teil B Ziffer 18.13 zunächst von den – wohl maßgeblich durch die Schmerzen verursachten – objektivierbaren Bewegungseinschränkungen auszugehen. Das rechte Handgelenk ist nicht vollständig versteift. Aufgrund der von der Klägerin beschriebenen Schmerzen ist es im Ergebnis aber in seiner Beweglichkeit durchaus eingeschränkt. Die Beugung/Streckung wurde mit 25°/0°/20° ermittelt. In Übereinstimmung mit dem Gutachter erachtet die Kammer hier – bei einem bestehenden Bewertungsspielraum von 20 bis 30 – im Hinblick auf die verbliebene Beweglichkeit ein GdB von 20 für zutreffend. Darüber hinaus sind die glaubhaften Bewegungs- und Belastungsschmerzen der Klägerin in den Fingern der rechten Hand zu berücksichtigen. Hier ist, dies steht zur Überzeugung der Kammer fest, in Übereinstimmung mit Gutachter, ebenfalls insgesamt ein GdB von 20 zu bilden. In diese Bewertung fließt insbesondere mit ein, bei objektivierter Betrachtung durchaus noch viele Funktionen der rechten Hand erhalten sind. Soweit die Klägerin angibt, die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand sei im Alltag kaum noch erhalten, was sie als Rechtshänderin besonders beeinträchtige, ist die Kammer vor dem Hintergrund des eingeholten Gutachtens hiervon im Ergebnis nicht überzeugt. Diesbezügliche Feststellungen konnte der Gutachter nicht treffen. Auch eine zu erwartenden Verschmächtigung der Muskulatur des rechten Armes wurde in nur äußerst geringem Maße beschrieben. Die Greiffunktion der Hand war, nach den Feststellungen des Gutachters, denen sich die Kammer anschließt, noch zu einem Großteil erhalten. Die Feststellung eines höheren GdB als 20 käme nur bei einer Situation in Betracht, die etwa mit dem Verlust eines Daumens oder dem Verlust von zwei Fingern (unter Einschluss des Daumens, oder II+III bzw. II+IV) und den damit verbundenen Schwierigkeiten im Gebrauch der Hand – vergleichbar wären. Eine solche Vergleichbarkeit sieht die Kammer bei der Klägerin nicht. Der GdB von 20 ist vor dem Hintergrund der nachvollziehbar geschilderten Schmerzen der Klägerin nach Auffassung der Kammer jedoch gerechtfertigt. Hierbei bezieht sich die Kammer im Übrigen auch auf die Einteilung der Schweregrade komplexer regionaler Schmerzsyndrome in der modifizierten Kieler CRPS Klassifikation. Danach handelt es sich bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum um eine CRPS Grad P1 (vgl. dazu Widder/Tegenthoff, Begutachtung komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), MedSach 2014, 26, 31.; Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Aufl. 2013, S. 828). Dies steht für die Kammer aufgrund der vom Gutachter erhobenen Bewegungsausmaße und Befunde sowie der Tatsache, dass ein besonderer Analgetikabedarf bei der Klägerin nicht besteht, fest. Hierfür wird in der Literatur ebenfalls ein GdB von 20 in Ansatz gebracht (vgl. Widder/Tegenthoff, a.a.O.). Diese Bewertung ist – wie oben ausführlich dargelegt – auch im konkreten Fall, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, angemessen

Unter Einbeziehung der Beeinträchtigung der Beweglichkeit des rechten Handgelenks ist der GdB für die oberen Extremitäten damit mit 30 zu bewerten, wobei die Problematik der neuropathischen Schmerzen des CRPS bereits mitberücksichtigt wurde.

Für das Funktionssystem der unteren Gliedmaße ist gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinische Grundsätze insgesamt ein GdB von 10 in Ansatz zu bringen.

Der bei der Klägerin festgestellte beidseits beginnende Hüftverschleißschaden im Sinne einer Protrusionskoxarthrose führt bislang lediglich zu unwesentlichen Bewegungseinschränkungen. Die Beugung/Streckung der Hüftgelenke wurde rechts mit 110°/0°/10° und links mit 120°/0°/15° festgestellt und ist damit weitgehend altersgerecht normentsprechend. Insoweit käme allerhöchstens die Feststellung eines GdB von 10 in Betracht. Das gleiche gilt im Hinblick auf den beginnenden Verschleißschaden auf der Innenseite des rechten Knies und die gefundenen klinische Hinweise auf einen beginnenden Knorpelschaden auf der Rückseite der rechten Kniescheibe. Insoweit zeigt sich zwar eine Druckschmerzhaftigkeit am rechten Knie. Die Beweglichkeit ist mit beidseits 130°/0°/0° aber durchaus weiterhin normal, so dass auch insoweit die Feststellung eines GdB von mehr als 10 keinesfalls in Betracht kommt. Der festgestellte Spreizfuß mit mittelgradig ausgeprägtem Hallux valgus beidseits und ca. 2 cm lange, schmerzlose Verhärtung im Bereich der Plantarapneurose der linken Fußsohle im Sinne eines beginnenden Morbus Ledderhose bedingt derzeit ebenfalls keinen GdB, der höher als mit 10 zu bewerten wäre, so dass insgesamt für den Bereich der unteren Gliedmaße ein höherer GdB nicht in Betracht kommt.

Daneben ist bei der Klägerin das Vorliegen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren zu berücksichtigen. Die Klägerin, dies zeigen sowohl das Gutachten des Dr. T und die übrigen Befunde und Arztberichte, insbesondere der Klinik C in C, als auch das Verhalten der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, stark auf die Problematik der rechten Hand fokussiert. Durch die hierdurch bedingten, zweifellos vorhandenen, Einschränkungen – insbesondere als Rechtshänderin – zeigen sich bei der Klägerin nach ihren eigenen Angaben bereits psychovegetative Störungen. Die Klägerin beschreibt Ein- und Durchschlafstörungen. Daneben zeigte sich auch eine Ängstlichkeit und Besorgtheit der Klägerin im Hinblick auf die Hand, welche auch in der mehrfach geäußerten Sorge um eine „Re-Aktivierung“ der Beeinträchtigungen durch die erfolgte Begutachtung zum Ausdruck kommt. Trotz dieser Fokussierung auf die Beeinträchtigungen der rechten Hand sind wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bislang nicht objektiviert. Die Klägerin geht und ging arbeiten und beschrieb dem Gutachter Interesse an Hobbies, wobei sie angibt diesbezüglich durch die Hand eingeschränkt zu sein. Betrachtet man zusätzlich die Tatsache, dass die Klägerin zwar in schmerztherapeutischer, nicht aber bislang in psychiatrischer noch psychologischer Behandlung ist, kommt insoweit ein – eigenständiger – höherer GdB als 20 gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht in Betracht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass wesentliche Anteile der Schmerzproblematik bereits im Rahmen der Bewertung des GdB für die oberen Extremitäten berücksichtigt worden sind.

Die Diagnose eines medikamentös nicht behandlungsbedürftigen niedrigen Blutdrucks bedingt gemäß Teil B Ziffer 9.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze keinen GdB. Das Gleiche gilt für die medikamentös nicht behandlungsbedürftige geringe Schilddrüsenfunktion gemäß Teil B Ziffer 15.6 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Auch die von der Klägerin beschriebenen Allergien bedingen keinen GdB. Ekzeme, welche gemäß Teil B Ziffer 17.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigen wären, sind nicht vorhanden. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Atmungsorgane, etwa durch eine hierdurch bedingte chronische Bronchitis oder eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion ist ebenfalls nicht objektiviert, so dass insoweit gemäß Teil B Ziffer 8 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kein GdB in Ansatz zu bringen ist.

Ausgehend von den objektivierten Beeinträchtigungen ist bei der Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Gesamt-GdB von höchstens 40 in Ansatz zu bringen.

§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchtigungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 – B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris).

Im vorliegenden Fall ist als allein führender GdB derjenige für die Beeinträchtigungen durch das CRPS der rechten Hand heranzuziehen. Dieser GdB ist – wie oben dargelegt – zunächst mit 30 zu bewerten. Wie bereits ausgeführt, ließe sich die Feststellung eines höheren GdB für die Kammer im Vergleich zu den Beeinträchtigungen, die einen GdB von 40 oder gar 50 bedingen, nicht rechtfertigen. Der im Vordergrund stehende GdB von 30 für die rechte Hand ist sodann – unter Berücksichtigung der oben beschriebenen psychischen Beeinträchtigung der Klägerin und der – weitestgehend zurückstehenden – Beeinträchtigungen der Wirbelsäule, moderat auf 40 zu erhöhen.

Eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB, insbesondere die Feststellung des begehrten GdB von 50, kommt derzeit nach Auffassung der Kammer damit nicht in Betracht.

Eine Vergleichbarkeit der Klägerin mit Personen, die etwa unter dem Verlust eines Armes im Unterarm oder der Verlust von vier Fingern (unter Einschluss des Daumens), dem vollständigen Ausfalls der oberen Armplexus oder aber schweren psychischen Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten leiden, ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!