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Medizinisches Sachverständigengutachten – Verwertbarkeit im Schwerbehindertenrecht

Landessozialgericht: Feststellung Behinderungsgrad erfordert objektive Befunde

Im Fall vor dem Landessozialgericht Hamburg ging es um die Streitigkeit bezüglich des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers. Nachdem der Kläger zunächst einen GdB von 20 zuerkannt bekam, wurde dieser nach einem Neufeststellungsantrag auf 30 erhöht. Der Kläger strebte jedoch einen höheren GdB an und argumentierte, unter stärkeren Beeinträchtigungen zu leiden, als von der Beklagten und den medizinischen Gutachten festgestellt. Die Gerichte wiesen die Berufung des Klägers zurück, da keine ausreichenden Beweise für eine höhere Beeinträchtigung vorgelegt wurden. Das Urteil betont die Wichtigkeit objektiv nachweisbarer Funktionsbeeinträchtigungen für die Feststellung des GdB und nicht die subjektiven Beschwerden des Betroffenen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: L 3 SB 5/11 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Landessozialgericht Hamburg hat die Berufung des Klägers im Streit um den Grad der Behinderung (GdB) zurückgewiesen.
  2. Der Kläger forderte einen höheren GdB aufgrund verschiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen.
  3. Die medizinischen Gutachten spielten eine zentrale Rolle in der Entscheidungsfindung, wobei die vom Kläger angegebenen Beschwerden als nicht ausreichend objektiviert betrachtet wurden.
  4. Die Feststellung des GdB basiert auf objektiv nachweisbaren Funktionsbeeinträchtigungen, nicht auf subjektiven Beschwerden.
  5. Das Gericht bestätigte einen GdB von 30 und lehnte einen höheren GdB mangels ausreichender Beweise ab.
  6. Der Kläger kritisierte die Objektivität der Gutachterin und die Berücksichtigung seiner Beschwerden, was jedoch nicht zu einer Änderung des Urteils führte.
  7. Neue gesundheitliche Vorbringen des Klägers, wie angebliche Herzinfarkte, führten nicht zu einer anderen Bewertung, da diese nicht hinreichend durch medizinische Befunde gestützt wurden.
  8. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der medizinischen Objektivität und der nachweisbaren Befunde bei der Festlegung des GdB.

Behinderung: Grad und Folgen

Für Menschen mit Behinderungen ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) von großer Bedeutung. Dieser Wert bestimmt den Anspruch auf finanzielle Leistungen, Nachteilsausgleiche und die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten. Zudem hat er Auswirkungen auf die Teilhabe am Arbeits- und Sozialleben.

Die Ermittlung des GdB basiert auf ärztlichen Sachverständigengutachten. Sie sollen die gesundheitlichen Einschränkungen einer Person möglichst objektiv bewerten. Denn der GdB hängt nicht von der Diagnose, sondern von den funktionellen Beeinträchtigungen im Alltag ab. Häufig gibt es jedoch Streit über die korrekte Einschätzung der Leistungsfähigkeit.

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Medizinisches Sachverständigengutachten und rechtliche Bewertung im Streit um den Grad der Behinderung

Im Zentrum des Rechtsstreits vor dem Landessozialgericht Hamburg stand die Frage nach dem korrekten Grad der Behinderung (GdB) eines Klägers. Der Kläger hatte nach einem Verkehrsunfall im Jahr 1995 verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend gemacht, darunter ungeklärte Muskelkrämpfe, diffuser Schwindel und eine nahezu vollständige Amnesie bis zum Jahr 2002. Auf Basis dieser Beschwerden forderte er eine Neubewertung seines GdB, der ursprünglich auf 20 festgesetzt und später auf 30 erhöht wurde.

Der Weg durch die Instanzen

Der Fall nahm seinen Ausgangspunkt im Jahr 2001, als der Kläger erstmals nach dem Schwerbehindertenrecht einen GdB beantragte. Nachdem die Beklagte, eine Behörde, diesen zunächst auf 20 festsetzte, erhöhte sie ihn nach einem weiteren Antrag des Klägers auf 30. Der Kläger, mit dieser Feststellung nicht zufrieden, strebte einen höheren GdB an, was zu einem umfassenden Rechtsstreit führte.

Sachverständigengutachten im Fokus

Ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt in diesem Rechtsstreit war ein medizinisches Sachverständigengutachten, das von einer Neurologin und Psychiaterin erstellt wurde. Dieses Gutachten kam zu dem Schluss, dass die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden eher auf eine leichtergradig ausgeprägte überwiegend motorische Polyneuropathie zurückzuführen seien. Weiterhin wurde die psychische Belastbarkeit des Klägers als nur leicht beeinträchtigt eingeschätzt. Die Sachverständige stellte zudem eine Aggravation, also eine Überzeichnung der Symptome durch den Kläger, fest.

Juristische Bewertung der Befunde

Aufgrund der sachverständigen Einschätzung und der ausbleibenden Nachweise für die vom Kläger behaupteten schwereren Beeinträchtigungen wies das Sozialgericht die Klage ab. Es stellte fest, dass keine ausreichenden Beweise für einen höheren GdB vorlagen. Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Berufung ein und argumentierte, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen würden nicht adäquat berücksichtigt. Insbesondere bemängelte er die Objektivität der Gutachterin und führte an, dass weitere medizinische Untersuchungen notwendig gewesen wären.

Kernpunkte der gerichtlichen Entscheidung

Das Landessozialgericht Hamburg bestätigte die vorherige Entscheidung und wies die Berufung des Klägers zurück. Es betonte, dass für die Feststellung eines GdB objektiv nachweisbare Funktionsbeeinträchtigungen maßgeblich seien, nicht jedoch die subjektiv empfundenen Beschwerden des Betroffenen. Zudem sah das Gericht in den vom Kläger nachträglich vorgebrachten gesundheitlichen Problemen, einschließlich behaupteter Herzinfarkte und Schlaganfälle, keine ausreichende Grundlage für eine Neubewertung des GdB, da auch diese nicht hinreichend durch medizinische Befunde gestützt wurden.

Im Ergebnis bestätigte das Landessozialgericht die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Behinderungsgrade. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung medizinischer Gutachten und objektivierbarer Befunde im Schwerbehindertenrecht. Sie zeigt auf, dass die rechtliche Auseinandersetzung um den Grad der Behinderung komplex ist und eine sorgfältige Abwägung aller vorliegenden medizinischen Beweise erfordert.

Zum Schluss bleibt festzuhalten, dass die gerichtliche Überprüfung solcher Fälle darauf abzielt, eine faire und gerechte Bewertung der Behinderung zu gewährleisten, wobei der Fokus auf objektiv nachweisbaren Beeinträchtigungen liegt.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird der Grad der Behinderung festgestellt?

Der Grad der Behinderung (GdB) ist ein Maß, das die Auswirkungen einer Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft angibt. Er wird in Zehnerschritten von 10 bis 100 festgelegt. Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn der GdB mindestens 50 beträgt. Personen mit einem GdB von weniger als 50, aber mindestens 30, können unter bestimmten Voraussetzungen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.

Um den GdB festzustellen, muss ein Antrag bei der zuständigen Behörde, in der Regel dem Versorgungsamt oder einem ähnlichen Amt, gestellt werden. Der Antrag kann formlos erfolgen, es wird jedoch empfohlen, ein entsprechendes Antragsformular zu verwenden, das bei den Versorgungsämtern, Gemeindebüros oder online erhältlich ist. Neben persönlichen Daten werden Angaben zur Behinderung, zu Einschränkungen sowie zu behandelnden Ärzten abgefragt. Aktuelle Arztberichte und Befunde sollten dem Antrag beigefügt werden.

Nach Eingang des Antrags werden von den angegebenen Ärzten und Einrichtungen fehlende Unterlagen angefordert. Ein Gutachter bewertet dann die medizinischen Unterlagen nach den Maßgaben der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) und legt den GdB fest. Die Versorgungsmedizin-Verordnung und die darin enthaltenen versorgungsmedizinischen Grundsätze dienen als Grundlage für die Bewertung der Beeinträchtigungen.

Der GdB wird nicht durch einfache Addition der Einzel-GdBs bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen ermittelt. Stattdessen wird der Gesamt-GdB auf Basis der Wechselwirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen bestimmt. Die Feststellung des GdB erfolgt rückwirkend zum Datum der Antragstellung.

Personen mit einem anerkannten GdB können verschiedene Nachteilsausgleiche und Rechte in Anspruch nehmen, wie beispielsweise Steuererleichterungen, besonderen Kündigungsschutz, Anspruch auf Zusatzurlaub und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu vergünstigten Konditionen. Der Schwerbehindertenausweis dient als Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft und weist auf besondere gesundheitliche Einschränkungen hin.

Es ist wichtig zu beachten, dass der GdB individuell festgelegt wird und die Bewertung von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen kann. Die GdB-Tabelle bietet eine Orientierung, jedoch wird die Zuordnung der Krankheitsbilder individuell neu bewertet.

Was geschieht, wenn ein Betroffener mit dem festgestellten GdB nicht einverstanden ist?

Wenn ein Betroffener mit dem festgestellten Grad der Behinderung (GdB) nicht einverstanden ist, hat er die Möglichkeit, gegen den Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes Widerspruch einzulegen. Dieser Schritt ist durch das Sozialgerichtsgesetz (§§ 77 ff. SGG) geregelt und sollte innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids erfolgen. Die Widerspruchseinlegung muss schriftlich oder zur Niederschrift beim Versorgungsamt erfolgen.

Sollte das Versorgungsamt den Widerspruch ablehnen, besteht die Möglichkeit, Klage beim zuständigen Sozialgericht einzureichen. Die Zuständigkeit des Sozialgerichts und die Frist zur Klageeinreichung, die ebenfalls einen Monat beträgt, sind in der Regel dem Widerspruchsschreiben zu entnehmen.

Es ist ratsam, bei der Einreichung des Widerspruchs und der eventuellen Klage anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein Rechtsanwalt kann dabei helfen, den Widerspruch fachgerecht zu formulieren und die Erfolgsaussichten zu bewerten.

Während des Widerspruchsverfahrens können weitere Untersuchungen durchgeführt werden, deren Ergebnisse das Versorgungsamt bei seiner Entscheidung über den Widerspruch berücksichtigen muss. Sollten neue relevante Befunde vorliegen, können diese nachgereicht werden, solange noch nicht über den Widerspruch entschieden wurde.

Es ist wichtig, die Fristen genau einzuhalten und den Widerspruch sowie die Klage fristgerecht einzureichen, um die Rechte des Betroffenen zu wahren.

Wie beeinflusst die Aggravation die Bewertung eines medizinischen Sachverständigengutachtens?

Aggravation, das bewusste oder unbewusste Übertreiben von Symptomen, kann die Bewertung eines medizinischen Sachverständigengutachtens erheblich beeinflussen. Sachverständige stehen vor der Herausforderung, zwischen authentischen Beschwerden und Aggravation oder sogar Simulation (dem Vortäuschen nicht vorhandener Symptome) zu unterscheiden. Dies ist besonders relevant, da die Glaubwürdigkeit und Genauigkeit des Gutachtens direkte Auswirkungen auf rechtliche Entscheidungen haben kann, beispielsweise im Kontext von Berufsunfähigkeitsansprüchen oder im Schwerbehindertenverfahren.

Wenn ein Sachverständiger Aggravations- oder Simulationstendenzen feststellt, muss er diese in seinem Gutachten berücksichtigen. Die Herausforderung besteht darin, zu bestimmen, inwieweit diese Tendenzen die Einschätzung der tatsächlichen Beeinträchtigungen beeinflussen. In seltenen Fällen kann der Sachverständige präzise aussagen, welche Beeinträchtigungen objektiv vorliegen und welche durch Aggravation bedingt sind. Jedoch ist eine solche genaue Differenzierung oft schwierig. Medizinische Fachgutachter verwenden forensische Tests, um Inkonsistenzen oder Unstimmigkeiten in den Angaben der Begutachteten zu identifizieren, was Hinweise auf Aggravation oder Simulation geben kann.

Die Aggravation kann jedoch auch ein Ausdruck der zugrundeliegenden Erkrankung sein und muss nicht zwangsläufig gegen die Glaubwürdigkeit des Versicherten sprechen. Problematisch wird es erst, wenn die Aggravation den Sachverständigen daran hindert, das tatsächliche Ausmaß der Erkrankung und deren Auswirkungen zuverlässig zu beurteilen. In solchen Fällen kann die Aggravation zu Lasten des Versicherten gehen, insbesondere wenn dadurch die Beurteilung der Berufsunfähigkeit oder einer anderen rechtlich relevanten Fragestellung beeinträchtigt wird.

Sachverständige sind angehalten, ihre Gutachten objektiv und neutral zu erstellen, wobei sie sich auf die ihnen vorliegenden Fakten und ihre fachliche Expertise stützen müssen. Sie sind an Beweisfragen und Weisungen des Auftraggebers oder Gerichts gebunden und müssen ihre Schlussfolgerungen logisch entwickeln und nachvollziehbar begründen. Bei Unsicherheiten oder Zweifeln bezüglich des Auftrags oder der zu begutachtenden Sachverhalte ist eine Klärung durch den Auftraggeber oder das Gericht erforderlich.

Insgesamt erfordert die Bewertung von Aggravation im Rahmen medizinischer Sachverständigengutachten ein hohes Maß an Fachkenntnis, Erfahrung und Sorgfalt seitens des Sachverständigen, um zu einer gerechten und fundierten Einschätzung zu gelangen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 2 SGB IX (Schwerbehindertenrecht): Dieses Gesetz regelt die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Der Grad der Behinderung (GdB) ist ein zentrales Element, um den Anspruch auf bestimmte Leistungen und Nachteilsausgleiche zu bestimmen. Im vorliegenden Fall ist der GdB zwischen den Parteien strittig.
  • § 69 SGB IX (Feststellung der Behinderung, Ausweise): Dieser Paragraph beschreibt das Verfahren zur Feststellung des GdB sowie die Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen. Die Neufeststellung und Anfechtung des GdB, wie im Text beschrieben, fallen unter diese Regelung.
  • Medizinische Sachverständigengutachten: Diese spielen eine entscheidende Rolle bei der Feststellung des GdB im Schwerbehindertenrecht. Sie liefern die medizinische Basis, auf der Behörden und Gerichte den GdB feststellen. Das Gutachten von Dr. L. ist hier ein zentraler Beweisgegenstand.
  • § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG): Ermöglicht dem Kläger, ein eigenes Sachverständigengutachten in das Verfahren einzuführen. Dies ist relevant, wenn, wie im Fall, die Bewertung des GdB durch ein Gutachten der Behörde oder des Gerichts angezweifelt wird.
  • § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG (Entscheidung nach Lage der Akten): Erlaubt es dem Gericht, eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu treffen, wenn die Sachlage klar ist. Der Senat nutzte diese Vorschrift, um die Berufung zurückzuweisen.
  • § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG (Nichtzulassungsbeschwerde): Bestimmt die Voraussetzungen, unter denen eine Revision gegen Urteile der Sozialgerichtsbarkeit zugelassen wird. Im vorliegenden Fall wurde die Revision nicht zugelassen, da die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Hamburg – Az.: L 3 SB 5/11 – Beschluss vom 08.06.2015

Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) im Streit.

Auf den Erstantrag des Klägers nach dem Schwerbehindertenrecht vom 10. Oktober 2001 zuerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2002 einen GdB von 20 und legte hierbei ihrer Entscheidung die folgenden Gesundheitsstörungen zu Grunde:

– Bluthochdruck, arterielle Verschlusskrankheit

– Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

– Kopfschmerzen

– Psychische Minderbelastbarkeit.

Auf den Neufeststellungsantrag vom 10. Oktober 2007 hin erließ die Beklagte am 19. März 2008 einen Neufeststellungsbescheid, mit welchem sie einen GdB von 30 feststellte und die folgenden Gesundheitsstörungen berücksichtigte:

– Bluthochdruck, arterielle Verschlusskrankheit

– Psychische Minderbelastbarkeit, Hirnleistungsstörung, Verletzungsfolgen

– Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen

– Kopfschmerzen

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchbescheid vom 21. Oktober 2008). In dem auf Zuerkennung eines höheren GdB als 30 betriebenen Klagverfahren hat die Beklagte sodann nach Auswertung der vom Sozialgericht eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers mit Neufeststellungsbescheid vom 16. September 2009 unter Berücksichtigung der bereits im Vorbescheid genannten Gesundheitsstörungen einen GdB von 50 festgestellt.

Aufgrund einer bereits am 31. August 2009 getroffenen Beweisanordnung hat das Sozialgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt, welches die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. nach Untersuchung des Klägers am 26. Januar 2010 erstellt hat. Dort hat der Kläger angegeben, seit einem auf das Jahr 1995 datierten Verkehrsunfall unter ungeklärten Muskelkrämpfen und diffusem Schwindel sowie unter einer nahezu vollständigen Amnesie bis zum Jahr 2002 zu leiden. Die Sachverständige hat hierzu ausgeführt, die diesbezüglichen Angaben seien wechselhaft, zum Teil widersprüchlich. Auffällig sei auch die inadäquate Affektivität, welche die Schilderung eines solch gravierenden Symptoms begleite. Hinweise auf altersvorauseilende Einschränkungen der kognitiven und mnestischen Funktionen hätten sich auch nicht gezeigt. Die in der körperlichen Untersuchung beklagten krampfartigen Schmerzen blieben wenig einfühlbar, erschienen aggraviert und von kurzer Dauer. In der Zusammenschau seien die Beschwerden des Klägers am ehesten mit einer leichtergradig ausgeprägten überwiegend motorischen Polyneuropathie vom axonalen Schädigungstyp zu erklären. Die Sensibilität sei nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich der angegebenen Gedächtnisstörung habe sich herausgestellt, dass der Kläger mehr erinnern könne als zunächst vorgetragen, so dass der Eindruck einer nicht unerheblichen Aggravation entstanden sei. Die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms könne insoweit nicht gestellt werden. Eine wesentliche Hirnteilleistungsstörung sei nicht feststellbar. Der Kläger habe keine gravierenden psychischen Auffälligkeiten, insbesondere nicht im Sinne von Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen gezeigt. Auch die Annahme einer erheblichen Somatisierungsstörung sei nicht gerechtfertigt, ärztliche Behandlungen nehme der Kläger nur in geringem Umfang in Anspruch und es fehle die Einengung auf die körperliche Symptomatik. Unter Berücksichtigung der Aggravationsneigung sei die seelische Störung des Klägers als leichtere Störung zu qualifizieren und rechtfertige keinen höheren Teil-GdB als 20. Wesentliche organische Befunde auf anderen Fachgebieten hätten sich nicht gefunden, so dass auch der Gesamt-GdB mit 20 zu bewerten sei. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 9. September 2010 ihren Bescheid vom 16. September 2009 für die Zukunft zurückgenommen und ab 15. September 2010 (erneut) einen GdB von 30 festgestellt.

Mit Urteil vom 6. April 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die gerichtliche Sachverständige Dr. L. habe überzeugend festgestellt, dass beim Kläger eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit funktionellen Organbeschwerden geringer Auswirkung bestehe, die als leichtere psychovegetative oder psychische Störung mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Eine stärker behindernde Störung, welche einen höheren GdB rechtfertigen würde, liege nicht vor. Die beim Kläger des Weiteren vorliegende geringgradige Polyneuropathie bedinge keine schwerwiegenden motorischen Ausfälle. Die vom Kläger beklagten weiteren Funktionseinschränkungen der Hände und Beine seien nicht nachgewiesen und könnten nicht durch entsprechende Befunde bestätigt werden. Es könne dabei dahinstehen, ob der GdB 20 betrage, wie von Dr. L. vorgeschlagen, oder aber 30, wie von der Beklagten festgestellt. Ein höherer GdB als 30 liege jedenfalls nicht vor.

Der Kläger hat gegen das ihm am 15. April 2011 zugestellte Urteil am 16. Mai 2011, einem Montag, Berufung eingelegt, mit welcher er geltend macht, bei ihm liege ein GdB von 80, mindestens jedoch von 50 vor. Das Gutachten der Dr. L. berücksichtige die Schwindelanfälle und die schmerzhaften Krämpfe, unter denen er, der Kläger, leide, nicht ausreichend. Die Muskelkrämpfe, die insbesondere auch die Kiefermuskulatur beträfen, seien nicht ausreichend diagnostiziert, hier hätte das Sozialgericht weitere Sachaufklärung betreiben müssen. Die Gutachterin sei ihm gegenüber nicht objektiv gewesen, was aus dem Vorwurf der Aggravation folge.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts vom 6. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. September 2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 80, wenigstens aber von 50 festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, ein höherer GdB als 30 lasse sich nicht rechtfertigen.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2011 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt mit der Begründung, die Berufung sei ohne Aussicht auf Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten und von den behandelnden Ärzten ohne entsprechende Befunderhebung zum Teil bescheinigten Beschwerden in Form von Krämpfen am ganzen Körper hätten weder bei der umfangreichen Untersuchung in der Neurologischen Poliklinik des Universitätsklinikums H.- E. noch bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. L. objektiviert werden können und könnten deshalb in die Feststellung des Grades der Behinderung nicht einfließen. Aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ergebe sich nichts Neues. Es erschöpfe sich im Wesentlichen in der Kritik an dem Gutachten der Sachverständigen Dr. L., ohne andererseits Anhaltspunkte für objektiv feststellbare, deshalb zu berücksichtigende und zu einem höheren Grad der Behinderung führende Funktionsbeeinträchtigungen aufzuzeigen.

Der Kläger hat hierzu nochmals Stellung genommen und die Kritik an Dr. L. wiederholt. Des Weiteren trägt er nunmehr erstmals vor, seit 2010 mehrere Herzinfarkte bzw. Schlaganfälle erlitten zu haben. Zur Begründung hierfür bezieht er sich insbesondere einen Bericht über eine Magnetresonanztomographie (MR) des Neurocraniums vom 24. Februar 2012, in welchem es heißt, es gebe einzelne kleine Glianarben. In einem Befundbericht der Klinik für Neurochirurgie der Medizinischen Hochschule H1 vom 22. März 2012, welchen der Kläger gleichfalls vorgelegt hat, heißt es dazu, die MRT-Aufnahmen zeigten keinen auffälligen Befund, aus neurochirurgischer Sicht bestehe kein Handlungsbedarf. In einem weiteren Arztbrief der A. Klinik B. vom 20. September 2012 heißt es, für die geschilderte Schwindel- und muskuläre Symptomatik lasse sich keine organische Ursache finden. Es sei an eine Somatisierungsstörung zu denken. Der Senat hat weitere Befundberichte eingeholt, aus welchen sich keine Veränderungen des Gesundheitszustandes des Klägers im Vergleich zu diesen und den übrigen bereits vorliegenden Befunden ergeben.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und der Verwaltungsakte der Beklagten, welche dem Senat vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

II.

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Kläger ist hierzu gehört worden (Verfügung vom 20. März 2015, zugestellt am 31. März 2015 und vom 22. April 2015, zugestellt am 30. April 2015).

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 nicht zu. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Senat sieht nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den in dem Urteil des Sozialgerichts vom 6. April 2011 dargelegten Gründen und aus den Gründen des die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses vom 10. Oktober 2011 als unbegründet zurückgewiesen wird. Der Senat teilt, wie sich bereits aus dem Beschluss vom 10. Oktober 2011 ergibt, die Kritik des Klägers an dem Gutachten der Dr. L. nicht. Im Übrigen erschöpft sich der Vortrag des Klägers in erster Linie in der Geltendmachung einer angeblich fehlenden Qualifikation der Gutachterin, ohne andererseits Anhaltspunkte für objektiv feststellbare, deshalb zu berücksichtigende und zu einem höheren Grad der Behinderung führende Funktionsbeeinträchtigungen aufzuzeigen. Dass es insoweit nicht auf eine Diagnose einer möglicherweise bestehenden Erkrankung des Klägers ankommt, sondern auf die objektiv vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen, ergibt sich auch bereits aus dem angefochtenen Urteil und aus dem genannten Beschluss des Senats. Schließlich gibt es hier – außer der bloßen Behauptung des Klägers, die indes in keinem der eingeholten oder vorgelegten Befunde bestätigt wird – keinerlei Anhalt für einen durchgemachten Schlaganfall oder einen Herzinfarkt, geschweige denn für die für die Feststellung von einen höheren GdB rechtfertigenden verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen nach einem solchen Ereignis. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache. Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.

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