Skip to content
Menü

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Abfindungszahlung im Rahmen einer Kündigung

Abfindung ohne Ruhezeit: Sozialgericht Rostock entscheidet zugunsten von Arbeitnehmerin

Im Zentrum des Sozialrechts steht oft die Frage, wie sich bestimmte arbeitsrechtliche Entscheidungen auf den Anspruch von Arbeitslosengeld auswirken. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die Berücksichtigung von Abfindungszahlungen im Rahmen von Kündigungen. Speziell geht es um die Bedingungen, unter denen eine Abfindungszahlung das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach sich ziehen kann. Dies betrifft vor allem Fälle, in denen Arbeitsverhältnisse beendet werden, sei es durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung, und dabei Abfindungen an die ausscheidenden Mitarbeiter gezahlt werden.

Die rechtliche Herausforderung in solchen Fällen liegt darin, die spezifischen Umstände und vertraglichen Regelungen jedes einzelnen Falles im Hinblick auf das Arbeitsrecht und Sozialrecht zu bewerten. Dabei sind Aspekte wie die Einhaltung von Kündigungsfristen, die Art der Kündigung (ob ordentlich oder außerordentlich), sowie die Natur und Höhe der Abfindungszahlung von entscheidender Bedeutung. Diese Faktoren bestimmen, ob und inwieweit die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird, was wiederum das Ruhen des Anspruchs zur Folge haben kann.

In diesem Kontext spielen auch die Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sowie die spezifischen Regelungen in Anstellungsverträgen, wie etwa in Bezug auf Vorstandstätigkeiten in Genossenschaften, eine wichtige Rolle. Die juristische Bewertung dieser Aspekte erfordert ein tiefgreifendes Verständnis sowohl des Arbeitsrechts als auch des Sozialrechts, um zu einer angemessenen Lösung zu gelangen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: S 2 AL 156/16  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Sozialgericht Rostock entschied, dass das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht gerechtfertigt ist, wenn ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, beendet wurde, auch wenn eine Abfindungszahlung erfolgte.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Abfindung und Arbeitslosengeld: Eine Abfindung führt nicht automatisch zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs, insbesondere wenn die Kündigung aus wichtigen Gründen erfolgte und gesetzliche Fristen eingehalten wurden.
  2. Befristete Arbeitsverhältnisse: Bei einem befristeten Arbeitsvertrag, der nicht einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag eine ordentliche Kündigung vorsieht, gelten besondere Bedingungen.
  3. Außerordentliche Kündigung: Eine außerordentliche Kündigung kann rechtmäßig sein, selbst wenn das Arbeitsverhältnis befristet und eine ordentliche Kündigung nicht vorgesehen ist.
  4. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Das Urteil folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in bestimmten Fällen erlaubt.
  5. Fallkonstellationen: Spezifische Klauseln im Anstellungsvertrag der Klägerin, wie das Wettbewerbsverbot und Vertrauensentzug, waren ausschlaggebend für die rechtliche Bewertung.
  6. Einhaltung der Kündigungsfristen: Die Kündigungsfristen gemäß § 622 BGB wurden im vorliegenden Fall eingehalten, was für die Entscheidung des Gerichts zentral war.
  7. Keine Sperrzeit nach § 159 SGB III: Es gab keine Anhaltspunkte für eine Sperrzeit, die das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs gerechtfertigt hätte.
  8. Effektiver Rechtsschutz: Die Klägerin hat Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und ist so zu stellen, als wäre von Anfang an rechtmäßig entschieden worden.

Kündigung und Arbeitslosengeld: Ein Rechtsfall vor dem Sozialgericht Rostock

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Sozialgericht Rostock verhandelt wurde, drehte sich alles um die Frage, ob der Arbeitslosengeldanspruch einer Klägerin aufgrund einer Abfindungszahlung im Kontext einer Kündigung ruhen sollte. Die Klägerin, eine ehemalige Vorstandsvorsitzende einer Genossenschaft, hatte einen befristeten Anstellungsvertrag, der interessante Klauseln bezüglich Kündigung und Abfindung enthielt. Ihre Anstellung endete vorzeitig, und sie erhielt eine hohe Abfindung. Diese Abfindung führte dazu, dass die Bundesagentur für Arbeit das Ruhen ihres Arbeitslosengeldanspruchs feststellte, was die Klägerin vor Gericht anfocht.

Vertragliche Komplexitäten und gesetzliche Regelungen

Die rechtliche Komplexität dieses Falls lag in den speziellen Bedingungen des Anstellungsvertrages der Klägerin und den gesetzlichen Regelungen bezüglich des Arbeitslosengeldes. Der Vertrag der Klägerin war bis 2020 befristet und sah vor, dass das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung endet. Allerdings enthielt der Vertrag auch Klauseln für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Die Klägerin und ihr Arbeitgeber einigten sich schließlich auf eine vorzeitige Beendigung des Vertrags, was zur Zahlung einer Abfindung führte.

Entscheidung des Sozialgerichts Rostock

Die Bundesagentur für Arbeit argumentierte, dass aufgrund dieser Abfindung der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe. Sie bezog sich dabei auf § 158 SGB III, der besagt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wird und der Arbeitslose eine Abfindung erhält.

Das Gericht musste klären, ob die Voraussetzungen für das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs vorlagen. Dabei war insbesondere zu prüfen, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin einer ordentlichen Kündigung entsprach und ob die Kündigungsfristen eingehalten wurden. Die Klägerin argumentierte, dass die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses rechtens und unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen erfolgte.

Auswirkungen und Implikationen des Urteils

Das Sozialgericht Rostock gab der Klägerin recht. Das Gericht stellte fest, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ordnungsgemäß und unter Einhaltung der Kündigungsfristen erfolgt war. Es wurde anerkannt, dass die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betrieblicher Gründe und wichtiger Gründe im Sinne des § 626 BGB erfolgte. Das Gericht folgte der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in Betracht kommt, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist.

Das Gerichtsurteil unterstreicht die Bedeutung der genauen Überprüfung der Umstände bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und der daraus resultierenden Auswirkungen auf den Arbeitslosengeldanspruch. Es verdeutlicht, dass das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht automatisch bei jeder Art von Abfindungszahlung eintritt. Vielmehr sind die spezifischen Umstände und vertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall zu betrachten.

Die Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die Praxis, insbesondere für Fälle, in denen befristete Arbeitsverhältnisse vorzeitig beendet werden. Sie betont die Notwendigkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Bedingungen und Folgen von Kündigungen und Abfindungen im Kontext des Sozialrechts genau zu verstehen. Darüber hinaus zeigt der Fall, wie wichtig eine fachkundige Rechtsberatung in komplexen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ist, um unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden.

Insgesamt stellt das Urteil des Sozialgerichts Rostock einen wichtigen Präzedenzfall dar, der die Rechte von Arbeitnehmern im Kontext von Kündigungen und Abfindungen stärkt. Es zeigt, dass bei der Anwendung von Gesetzen wie dem SGB III die individuellen Umstände eines jeden Falles berücksichtigt werden müssen, um gerechte Entscheidungen zu treffen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet das „Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs“ im Kontext von Abfindungen?

Das „Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs“ im Kontext von Abfindungen bezieht sich auf die Situation, in der ein Arbeitnehmer eine Abfindung erhält und gleichzeitig Arbeitslosengeld beantragt. In Deutschland kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde und der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten hat. In diesem Fall verschiebt sich der Beginn der Zahlung des Arbeitslosengeldes in die Zukunft, aber der Anspruch auf das volle Arbeitslosengeld bleibt grundsätzlich erhalten.

Die Dauer der Ruhenszeit hängt von der Höhe der Abfindung, dem Lebensalter des Arbeitnehmers und der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Es werden mindestens 25 Prozent und höchstens 60 Prozent der Abfindung berücksichtigt. Die Ruhenszeit beginnt am Tag nach dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses und endet spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfristen hätte beendet werden können.

Um eine Ruhenszeit zu vermeiden, sollten Arbeitnehmer darauf achten, dass das Arbeitsverhältnis nicht früher endet als im Fall einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber. In diesem Fall bleibt der Anspruch auf Arbeitslosengeld unberührt, und es wird keine Ruhenszeit verhängt.

Was sind die rechtlichen Konsequenzen, wenn ein Arbeitsverhältnis „nicht ordentlich gekündigt“ werden kann?

Wenn ein Arbeitsverhältnis nicht ordnungsgemäß gekündigt wird, können verschiedene rechtliche Konsequenzen entstehen.

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich die ordentliche Kündigungsfrist einhalten muss, die in seinem Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder dem Gesetz festgelegt ist. Die gesetzliche Mindestkündigungsfrist beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).

Wenn ein Arbeitnehmer die Kündigungsfrist nicht einhält und einfach nicht mehr zur Arbeit erscheint, verletzt er seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht. In diesem Fall kann der Arbeitgeber Schadensersatz wegen Vertragsbruchs geltend machen. Dies könnte der Fall sein, wenn durch den plötzlichen Weggang des Arbeitnehmers Ware verdorben oder Gewinn entgangen ist.

Eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ist in der Regel ausgeschlossen, es sei denn, es liegt ein „wichtiger Grund“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor. Dies könnte beispielsweise eine gravierende Pflichtverletzung seitens des Arbeitgebers sein.

Eine außerordentliche Kündigung kann auch dann erfolgen, wenn das Arbeitsverhältnis eigentlich nicht kündbar ist. In diesem Fall muss jedoch ein Pflichtverstoß des gekündigten Vertragspartners vorliegen.

Wenn ein Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung ausspricht, verliert er sein Gehalt während der Kündigungsfristen und muss mit einer Sperrzeit rechnen. Darüber hinaus kann das Arbeitszeugnis, das ein ungewöhnliches Beendigungsdatum enthält, darauf hinweisen, dass das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt wurde.

Es ist auch möglich, dass der Arbeitgeber eine Vertragsstrafe für die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag vereinbart. Solche Vereinbarungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig.

Es ist daher ratsam, immer die ordnungsgemäße Kündigungsfrist einzuhalten oder eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

SG Rostock – Az.: S 2 AL 156/16 – Urteil vom 17.01.2018

Orientierungssatz

War ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht ordentlich kündbar, so führt eine Abfindung, die bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, jedenfalls dann nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen war, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht bestand und die gesetzlichen Kündigungsfrist für eine ordentliche Kündigung eingehalten wurde.


Die Bescheide vom 24.08.2016 und vom 25.08.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2016 werden teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2016 bis zum 20.01.2017 in Höhe von 55,64 € täglich zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Arbeitslosengeldanspruchs der Klägerin in der Zeit vom 01.07.2016 bis zum 20.01.2017 ruht.

Die im Jahr geborene Klägerin war zuletzt vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2015 als Vorstand bei der beschäftigt. Ab dem 01.07.2015 bis zum 31.10.2015 war sie arbeitslos und bezog kein Arbeitslosengeld (Alg), weil die Beklagte das Ruhen wegen einer Entlassungsentschädigung für den Abschnitt vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 festgestellt hatte. Ab dem 01.11.2015 nahm die Klägerin eine neue Beschäftigung als Vorstand bei der auf. Grundlage für das Beschäftigungsverhältnis war ein Anstellungsvertrag vom 05.09.2015 (AV). Danach wurde die Klägerin als hauptberufliches Vorstandsmitglied der Genossenschaft mit Alleinvertretungsvollmacht für die Genossenschaft eingestellt. Das Arbeitsentgelt betrug 5.500 € brutto monatlich. Zusätzlich waren Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Tantiemen jeweils in Höhe eines Monatsgehalts vereinbart. Nach § 8 Abs. 1 des AV war der Vertrag vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2020 befristet und sollte enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Eine Verlängerung des Vertrages im Rahmen einer Wiederbestellung war zugelassen und sollte bei Erfüllung der erwarteten Leistung seitens des Aufsichtsrates angestrebt werden. Der Aufsichtsrat sollte die Klägerin sechs Monate vor Auslaufen des Vertrages entsprechend unterrichten. Im Übrigen sahen § 8 Abs. 2 und 3 für die Beendigung des Vertrages Folgendes vor:

„(2) der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Die Kündigung hat durch eingeschriebenen Brief oder gegen schriftliche Empfangsquittung zu erfolgen. Ein wichtiger Grund liegt für die Genossenschaft insbesondere vor,

a) das Vorstandsmitglied wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes abberufen wird, hierunter fällt auch der Vertrauensentzug durch die Vertreterversammlung;

b) das Vorstandsmitglied gegen das Wettbewerbsverbot (§ 2 Abs. 3) verstößt;

c) das Vorstandsmitglied gegen die ihm im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Geschäftsführung, insbesondere satzungsmäßige Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrates verstößt und der Genossenschaft dadurch ein Schaden entsteht oder das Vorstandsmitglied trotz Abmahnung wiederholt solche Verstöße begeht;

d) das Vorstandsmitglied aus der Genossenschaft und damit aus dem Vorstand ausscheidet;

(3)

a) Endet der Vertrag durch Ablauf der vereinbarten Befristung, so steht Frau A. eine Abfindung in Höhe von sechs Monatsgehältern gemäß § 3 Abs. 1 zu. Maßgebend ist das Gehalt zum Zeitpunkt des Ausscheidens.

b) endet der Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Befristung aus Gründen, die Frau A. nicht zu vertreten hat (hierunter fällt auch der Vertrauensentzug durch die Vertreterversammlung oder der Ausschluss aus der Genossenschaft ohne, dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, den Frau A. zu vertreten hat) so steht ihr zusätzlich zu der Abfindung gem. § 8 Abs. 3 a eine Abfindung in Höhe von 50 Prozent des bis ihr zum Ablauf der regulären Vertragslaufzeit zustehenden Gehalts gemäß § 3 Abs. 1 a bis c unter Berücksichtigung einer eventuellen Anpassung gemäß § 3 Abs. 1 i zu.“

Nach Angaben der Klägerin war bereits bei Abschluss des AV bekannt, dass die Bestellung zum Vorstand gegen § 21 Abs. 3 der Satzung der Genossenschaft verstößt, weil die Klägerin bis zum 31.12.2014 dem Aufsichtsrat der AWG angehörte und für die Dauer von zwei Jahren nach Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat von einer Vorstandstätigkeit ausgeschlossen war. Eine Satzungsänderung wurde in Aussicht genommen. Anfang des Jahres 2016 entschied sich der Arbeitgeber nach interner rechtlicher Prüfung gegen eine Änderung der Satzung und führte Anfang März 2016 zwei Gespräche über die Beendigung des AV mit der Klägerin. Mit Schreiben vom 17.03.2016 lud der Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaft zu einer außerordentlichen Vertreterversammlung ein, die am 01.04.2016 stattfinden sollte. Auf der Tagesordnung stand die Anhörung der Klägerin zu ihrer beabsichtigten Abberufung wegen fehlerhafter Bestellung, die Meinungsbildung und Beschlussfassung über den Widerruf der Bestellung und über eine sofortige Kündigung des AV sowie zur Führung eines ggf. notwendigen gerichtlichen Verfahrens. Am 24.03.2016 einigten sich der Aufsichtsrat der AWG und die Klägerin auf die Aufhebung der Bestellung zum Vorstandsmitglied und des AV. Die Klägerin erklärte ihr Ausscheiden aus dem Vorstandsamt mit Wirkung vom 31.03.2016 und stimmte einer Beendigung ihres Anstellungsvertrages mit Wirkung zum 30.06.2016 zu. Die AWG verpflichtete sich in Anlehnung an § 8 Abs. 3 des AV der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 80.000 € zu zahlen.

Am 29.03.2016 meldete sich die Klägerin zum 01.07.2016 arbeitslos und beantragte Alg.

Mit Bescheid vom 24.08.2016 stellte die Beklagte das Ruhen des Alg-Anspruchs für den Abschnitt vom 01.07.2016 bis zum 20.01.2017 fest und begründete dieses mit der Entlassungsentschädigung. Bei Anrechnung der Abfindung ging sie davon aus, dass der Klägerin nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden konnte und nach § 158 Abs. 1 Satz 4 SGB III eine Kündigungsfrist von einem Jahr gelte. Mit Bewilligungsbescheid vom 25.08.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 21.01.2017 bis zum 27.12.2017 Alg für die Dauer von 338 Tagen in Höhe von 55,64 € täglich.

Gegen die Bescheide legte die Klägerin am 15.09.2016 Widerspruch ein und wandte sich gegen die Anrechnung der Abfindung. Das Arbeitsverhältnis sei fristgerecht beendet worden. Die Beendigung sei aus wichtigem Grund erfolgt und die Kündigungsfrist nach § 622 BGB eingehalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 19.12.2016 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht und beruft sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Gründe ihres Widerspruchs. Die ordentliche Kündigung des befristeten Vertrages sei nicht gegen Entlassungsentschädigung möglich gewesen. Es gelte § 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), wonach befristete Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung unterliegen, wenn dieses einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart sei.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Bescheide vom 24. und 25.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2016 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 20.01.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf die Begründung ihrer Bescheide. Die ordentliche Kündigung sei nicht ausgeschlossen gewesen, sondern schlicht nicht ausdrücklich geregelt worden. Die Arbeitsvertragsparteien hätten ein Ausscheiden unter Einhaltung einer Frist vereinbart und damit keine fristlose Kündigung.

Während des Verfahrens hat die Klägerin an einer Weiterbildung teilgenommen. Alg wurde bis zum 07.02.2018 bewilligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und abzuändern. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass ihr ab dem 01.07.2016 bis 20.01.2017 Alg gezahlt wird.

Nach § 158 SGB III ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 S. 1 SGB III). Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Kündigung und bei Fehlen einer Kündigung mit der Vereinbarung, die der Beendigung vorausgegangen ist (§ 158 Abs. 1 S. 2 SGB III). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten (§ 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB III), bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund jedoch die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (§ 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB III). Kann der Arbeitnehmerin nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr (§ 158 Abs. 1 S. 4 SGB III).

Vorliegend fehlt es an der für ein Ruhen des Alg-Anspruchs erforderlichen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 158 Abs. 1 S. 1 SGB III. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist aus wichtigem Grund unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt worden.

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ausnahmsweise in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz vollständigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (vgl. BSG, Urteil vom 17.12. 2013, – B 11 AL 13/12 R –, juris, Rn. 16 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BAG).

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin konnte nicht ordentlich gekündigt werden. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2020 befristet. Nach § 15 Abs. 3 TzBfG unterliegt ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

Einzelvertraglich war die ordentliche Kündigung nicht vereinbart. Grundlage für das Arbeitsverhältnis der Klägerin war der AV vom 05.09.2015. Die in § 8 Abs. 2 und 3 b) AV getroffenen Regelungen ließen eine vorzeitige Beendigung nur aus wichtigem Grund zu. Dieses belegen die in § 8 Abs. 2 AV angeführten Fallkonstellationen, in denen die fristlose Kündigung nur bei Vertrauensentzug durch die Vertreterversammlung oder sonst schwerwiegenden Vertragsverletzungen der Klägerin, wie z.B. Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot oder wiederholte Verstöße gegen die im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen, möglich war. Die exemplarisch angeführten Gründe konkretisieren wichtige Gründe im Sinne von § 626 BGB, bei deren Vorliegen der AWG eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf des vereinbarten Beendigungszeitpunktes nicht zumutbar gewesen wäre.

Auch aus § 8 Abs. 3 b) AV kann nicht abgeleitet werden, dass eine ordentliche Kündigung möglich sein sollte. Die Vorschrift begründet in erster Linie ergänzend zu § 8 Abs. 2 AV Abfindungsansprüche, wenn die vorzeitige Beendigung aus Gründen erfolgt, die die Klägerin nicht zu vertreten hat. § 8 Abs. 3 b) AV lässt weder ausdrücklich die ordentliche Kündigung zu, noch kann die Vorschrift dahingehend ausgelegt werden, dass eine ordentliche Kündigung zulässig sein sollte. Dieses wird insbesondere aus den in § 8 Abs. 3 b) AV angeführten Fallgruppen deutlich, die eine Weiterbeschäftigung der Klägerin als Vorstand der AWG ausgeschlossen und damit jedenfalls eine Kündigung aus wichtigem Grund mit Auslauffrist gerechtfertigt hätten. So sollte die Abfindung gewährt werden, bei einem Vertrauensentzug durch die Vertreterversammlung oder bei Ausschluss aus der Genossenschaft.

Die ordentliche Kündigung war nach den maßgebenden tarifvertraglichen Bestimmungen nicht vorgesehen. Das Arbeitsverhältnis unterfällt dem Manteltarifvertrag für die Wohnungswirtschaft, der keine Bestimmungen zur Kündigung befristeter Arbeitsverhältnisse enthält.

Im Weiteren ist auch die Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin weggefallen. Die Klägerin hat insoweit glaubhaft dargetan, dass ihre Bestellung zum Vorstand nach der Satzung der AWG im damaligen Zeitpunkt ausgeschlossen war und frühestens nach Ablauf von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat möglich gewesen wäre. Die ursprünglich bei Abschluss des AV in Aussicht genommene Satzungsänderung kam nicht zustande. Die im AV vereinbarten Aufgaben eines Vorstands konnte sie somit bis auf weiteres nicht wahrnehmen. Im Übrigen war die Vertreterversammlung offensichtlich nicht bereit, die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt als Vorstand zu bestellen. Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Vertreterversammlung stand unmittelbar bevor. Dieses wird durch die Tagesordnung der außerordentlichen Vertreterversammlung der AWG belegt, die mit Schreiben vom 17.03.2016 zum 01.04.2016 einberufen wurde.

Unter den gegebenen Umständen war dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund nicht zumutbar. Die oben angeführten Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 626 BGB mit Auslauffrist lagen vor. Die ordentliche Kündigung des am 01.11.2015 begründeten Arbeitsverhältnisses wäre bei Abschluss der Vereinbarung am 24.03.2016 gemäß § 622 Abs.1 BGB frühestens zum 01.05.2016 möglich gewesen. Diese Kündigungsfrist haben die Arbeitsvertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung gewahrt, indem sie das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 30.06.2016 beendeten.

Schließlich wird der Zahlungsanspruch im streitigen Zeitraum nicht durch andere Tatbestände ausgeschlossen, die zum Ruhen des Alg-Anspruchs im streitigen Zeitraum führen. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Sperrzeit nach § 159 SGB III. Die Klägerin hat sich mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung nicht versicherungswidrig verhalten. Mit der Vereinbarung am 24.03.2016 ist sie der unmittelbar bevorstehenden fristlosen Kündigung zuvorgekommen und konnte den Eintritt der Arbeitslosigkeit auf den 01.07.2016 hinausschieben . Im Übrigen ist die Klägerin auch ihren Meldepflichten nach § 38 SGB III rechtzeitig nachgekommen und hat sich drei Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit am 29.03.2016 arbeitsuchend gemeldet.

Der Auszahlung des rechtswidrig vorenthaltenen Alg steht nicht entgegen, dass die Klägerin inzwischen ihren Alg-Anspruch weitgehend ausgeschöpft hat. Die Klägerin ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes so zu stellen, wie sie stünde wenn von vornherein rechtmäßig entschieden worden wäre (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 11 AL 13/12 R, juris, Rn. 21).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Sozialrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Sozialrecht. Wir beraten uns vertreten Sie in sozialrechtlichen Fragen. Jetzt Ersteinschätzung anfragen.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Beiträge aus dem Sozialrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!