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Verletztenrente nach Arbeitsunfall –  Verlust des Arbeitsplatzes  –  psychische Gesundheitsstörung

Komplexe Auseinandersetzung um Rentenanspruch nach Arbeitsunfall

In einem langwierigen Streitfall mit weitreichenden Auswirkungen wurde über den Anspruch auf Rente infolge eines Arbeitsunfalls diskutiert. Der Kläger, der mehrere psychiatrische Aufenthalte im Klinikum A-Stadt hatte, führte ein durch eine schwere depressive Störung geprägtes Leben. Nachdem der erste stationäre Aufenthalt stattgefunden hatte, folgten vier weitere Aufenthalte. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass seine psychische Beeinträchtigung eine direkte Folge des Arbeitsunfalls ist.

In diesem Fall stehen die Interpretation und die Einhaltung medizinischer und juristischer Standards im Zentrum der Diskussion. Es geht dabei um die Frage, wie medizinische Testergebnisse, Verhaltensbeobachtungen und Beschwerden des Klägers gewichtet und in den Entscheidungsprozess eingebunden werden sollen.

Direkt zum Urteil Az.: L 5 U 8/17 springen.

Kontroverse medizinische Diagnose

Eine zentrale Kontroverse betrifft die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der ärztlichen Diagnose. Der von der Beklagtenseite beauftragte Unfallchirurg Dr. … behauptete, dass es keine gesicherten, unfallbedingten Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gibt. Der psychopathologische Befund basiere in weiten Teilen auf den eigenen Beschwerden des Klägers und enthalte unzureichende differenzialdiagnostische Überlegungen. Die Diagnosen wurden nicht anhand üblicher diagnostischer Standards wie ICD-10 und DSM-5 begründet.

Anforderungen an den Nachweis von Gesundheitsschäden

Für den Nachweis von Gesundheitsschäden ist ein Vollbeweis erforderlich. Hier stellt sich die Frage nach der ausreichenden Wahrscheinlichkeit, die sowohl für die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität notwendig ist. Dabei muss eine vernünftige Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs genügt nicht.

Urteil und die Relevanz von vorherigen Gesundheitsstörungen

Das Urteil machte deutlich, dass neben den anerkannten Gesundheitsstörungen des Klägers – einem knöchern fest verheilten Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen – keine weiteren Gesundheitsschäden feststellbar sind, die durch den genannten Arbeitsunfall verursacht wurden. Es konnte kein Beweis dafür erbracht werden, dass der Unfall die wesentliche Bedingung für weitere gesundheitliche Beschwerden und damit für den geltend gemachten Rentenanspruch war.

Die Rolle des Arbeitsplatzverlustes

Eine besondere Rolle spielte der Arbeitsplatzverlust des Klägers. Es wurde argumentiert, dass der Verlust des Arbeitsplatzes möglicherweise zu weiteren Gesundheitsschäden geführt haben könnte. Diese Überlegungen wurden allerdings als nicht ausreichend begründet angesehen, um einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen.

Dieser Fall unterstreicht die Komplexität und die Vielfalt der Aspekte, die bei der Beurteilung von Rentenansprüchen nach Arbeitsunfällen berücksichtigt werden müssen. Es zeigt sich, dass sowohl medizinische als auch juristische Kenntnisse erforderlich sind, um solche komplexen Fälle fair und gerecht zu beurteilen.


Das vorliegende Urteil

Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: L 5 U 8/17 – Urteil vom 21.04.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 15. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 16. Juni 2010 streitig.

Der 1967 geborene Kläger war im Jahr 2008 als Heizungsbauer beschäftigt und erlitt am 16. Januar 2008 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall. Ausweislich der Unfallanzeige seines Arbeitgebers vom 17. Januar 2008 rutschte der Kläger, stehend auf einer Leiter, hiervon ab und fiel auf den Rücken (Fallhöhe ca. 0,7 m).

Der Kläger wurde noch am selben Tag zum Durchgangsarzt Dr. B. D. aus A-Stadt gebracht. Dieser Arzt stellte als Erstdiagnose ausweislich seines Durchgangsarztberichtes vom selben Tag eine Lendenwirbelfraktur L1 mit Vorderkantenabbruch ohne neurologische Ausfälle fest. Es bestehe bei dem Kläger ein Druckschmerz und Kompressionsschmerz der oberen/unteren Lendenwirbelsäule, Bewegungen seien wegen massivster Beschwerden bei dem Kläger nicht prüfbar. Abdomen und Thorax frei. Es bestehe kein Anlass für intraartikuläre Verletzungen.

Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes des Klägers im Hanseklinikum A-Stadt (Zentrum für operative Medizin) erfolgte eine offene Reposition der Wirbelsäule mit Osteosynthese durch ein Fixateur interne-System (stationärer Aufenthalt des Klägers dort vom 16. Januar bis zum 29. Januar 2008.

Die Beklagte gewährte dem Kläger nachfolgend eine BGSW in der M. Klinik B.. Ausweislich des Entlassungsberichts dieser Klinik hinsichtlich eines dortigen stationären Aufenthaltes des Klägers vom 4. Februar bis 23. Februar 2008 wurden als Diagnose eine instabile LWK 1-Fraktur vom 16. Januar 2008 bzw. dorsale Stabilisierung Th 12 – L2 mittels XIA-Fixateur am 21. Januar 2008 benannt. Eine Metallentfernung solle zu gegebenem Zeitpunkt erfolgen, ebenfalls eine stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess des Klägers, eventuell über eine ABE. Aus orthopädischer Sicht, so hieß es damals, sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Heizungsbauer auch weiterhin vollschichtig zumutbar, bei weiterem positiven Heilungsverlauf wäre mit einer Arbeitsfähigkeit am 1. Juni 2008 zu rechnen. Darüber hinaus hieß es in dem Bericht, bei dem Kläger bestünden nach subjektiver Einschätzungen Beschwerden im LWS-Bereich nach längerem Sitzen und Liegen (ca. 30 Minuten), bei Bewegung ließen die Beschwerden eher nach, keine ausstrahlenden Schmerzen in die Beine, kein Taubheitsgefühl oder Kribbeln.

Mit Schreiben vom 29. März 2008 an die Beklagte, mit dem sich der Kläger gegen die Ablehnung einer von ihm erstrebten Beschaffung einer rückengerechten Matratze wandte, teilte er u. a. mit, er könne seit seinem Unfall aufgrund seiner Verletzung nicht mehr ohne Schmerzen leben bzw. schlafen. Aufgrund seiner sehr starken Schmerzen habe er sich zusätzlich in schmerztherapeutische Behandlung begeben.

In einem Bericht von Dr. L. vom H. Klinikum A-Stadt – Zentrum für operative Medizin, Klinik für Unfallchirurgie – vom 22. Mai 2008 wurde u. a. ausgeführt, der Kläger klage unverändert über Schmerzen im LWS-Bereich, ausstrahlend in das rechte Bein, vor allem nachts auftretend. Eine durchgeführte MRT-Diagnostik vom 24. April 2008 habe eine in leichter Fehlstellung knöchern weitgehend konsolidierte LWK-1-Fraktur gezeigt. Hinweise auf Ursachen der Beschwerdesymptomatik ergäben sich nicht, es bestehe kein Hinweis auf einen signifikanten Bandscheibenschaden sowie auf eine spinale Enge. Der Fixateur interne liege, soweit beurteilbar, reaktionslos in situ. Es werde weiterhin Analgetika rezeptiert. Seines Erachtens und auch nach Einschätzung des Schmerztherapeuten der Klinik spiele eine gewisse somatoforme Schmerzstörung bei dem Kläger eine Rolle. Es werde die Einschaltung eines Berufshelfers bzw. auch die Durchführung eines EFL-Testes empfohlen. Der Kläger sei vorerst arbeitsunfähig. Dr. S. von der Uniklinik-G., bei dem der Kläger zudem vorstellig wurde, teilte mit, man schlage aufgrund der Befunde eine BGSW nunmehr in T. vor. Insbesondere solle im Rahmen der Schmerztherapie eine Medikamentenreduzierung erfolgen und durch die physikalische Therapie eine Kräftigung der Rückenmuskulatur.

In dem ärztlichen Bericht der MediClin D. auf U. vom 29. September 2008 hinsichtlich eines dortigen stationären Aufenthaltes des Klägers vom 1. bis zum 29. September 2008 hieß es, als unfallabhängige Diagnosen werde

ein Zustand nach Lendenwirbelfraktur L1 und dorsaler Funktion-OP Th12-L2 sowie

ein protrahiertes pseudradikuläres Thorakalsyndrom mit gemischt nozizeptiv-neuropathischem Schmerzcharakter genannt. Unfallunabhängig wurden als Diagnosen bzw. Komorbiditäten eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik mit ausgeprägter Somatisation, Fehlstatik der Wirbelsäule, muskuläre Dysbalancen im Wirbelsäulenbereich und eine arterielle Hypertonie genannt. Zudem wurde unter der Überschrift „Nicht unfallbezogene Gesamteinschätzung der Schmerzchronifizierung“

ein chronischer Schmerzpatient im Stadium II nach der Mainzer Chronifizierungsskala sowie eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom genannt. Es wurde in dem Bericht eine ambulante Psychotherapie mit verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt (zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung) dringend empfohlen. Die Entlassung erfolge arbeitsunfähig für die zuletzt angegebene berufliche Tätigkeit als Heizungsbauer. Allerdings bestehe eine sofortige Einsatzfähigkeit für eine Arbeits- und Belastungserprobung.

Dementsprechend war bei dem Kläger zunächst eine Belastungserprobung, beginnend ab dem 3. November 2008, welche zunächst auf den 10. November 2008 verschoben wurde, mit einer Arbeitsleistung beim bisherigen Arbeitgeber für vier Stunden am Tag vorgesehen. Diese Maßnahme wurde jedoch, nach der übereinstimmenden Einschätzung sowohl des Arbeitgebers als auch des Klägers, bereits Anfang Dezember 2008 abgebrochen. Schließlich erfolgte bei dem Kläger am 10. Februar 2009 die vollständige Materialentfernung im Bereich des LWK-Bruches.

Anschließend gewährte die Beklagte wiederum eine BGSW vom 3. bis 31. März 2009 in der Median Klinik Bad Sülze. Hier erfolgte eine Diagnosestellung bei dem Kläger wie folgt:

1. Instabile LWK-1-Fraktur vom 16. Januar 2008

2. Dorsale Stabilisierung mittels Fixateur interne Th12 – L2 am 21. Januar 2008 und vollständige Metallentfernung am 10. Februar 2009

3. Depression

4. Arterieller Hypertonus

5. Adipositas.

Der Kläger werde arbeitsunfähig entlassen. Aus orthopädischer Sicht sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Heizungsbauer auf Dauer vollschichtig bedingt wieder zumutbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne überwiegendes Bücken, Heben und Tragen von Lasten sowie Zwangshaltungen könne der Kläger noch vollschichtig ausüben. Es bestehe eine intakte vegetative Funktion. Es habe eine Besserung im Allgemeinbefinden erreicht werden können, neurologische Defizite seien nicht nachzuweisen. Die Beweglichkeit und muskuläre Situation im LWS-Bereich habe sich verbessert.

Schließlich erfolgte als weitere medizinische Maßnahme eine stationäre Schmerztherapie in der Universitätsmedizin in G.. Ausweislich eines Zwischenberichtes vom 26. Mai 2009 hieß es, die Aufnahme sei am 19. Mai 2009 stationär erfolgt, da die bisherige ambulante Schmerztherapie bei chronischer Schmerzkrankheit (Zustand nach LWK-1-Fraktur im Januar 2008) nicht den gewünschten Erfolg einer deutlichen Besserung erbracht habe. In der Komplexität der Beschwerden des Klägers sei ein Therapiekonzept erarbeitet worden. Nach initialer Schmerzlinderung sei der Klägers aus ihrer Sicht für medizinische Trainingstherapien und Stabilisierung belastbar, sodass um eine Verlängerung gebeten werde und gleichzeitig auch eine häusliche Belastungserprobung angeregt werde.

Im Auftrag der Beklagten erstatteten die Ärzte Dr. S./Prof. Dr. E. unter dem 3. September 2009 ein unfallchirurgisches Gutachten unter Einbeziehung der vorliegenden Behandlungsunterlagen sowie einer Untersuchung des Klägers am 23. Juli 2009. Als Angaben des Klägers wurde vermerkt, er könne nicht längere Zeit gehen, sitzen oder stehen, nachts schlafe er eher schlecht, da er ständig Schmerzen bekomme, wenn er sich bewege. Er müsse weiterhin ständig Schmerzmittel einnehmen und könne deshalb nur noch kurze Strecken Auto fahren. Er habe ständig Schmerzen im Rücken und mit den Tabletten sei es gerade so erträglich. In der Zusammenfassung hieß es, der Kläger habe zunächst am 16. Januar 2008 einen instabilen Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers erlitten und die Verletzung sei operativ behandelt worden. Der Heilverlauf sei kompliziert worden durch die Ausbildung eines therapieresistenten chronischen Schmerzsyndroms. Als Folgen des Unfalles könnten jetzt festgestellt werden:

– Knöchern ausgeheilter Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers mit leichter vorderer Höhenminderung und vorderer Abstützreaktion.

– Endständig schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und muskulärer Hartspann im betroffenen Wirbelsäulensegment.

– Narbenbildung am Rücken.

– Hochgradiger statischer Beschwerdekomplex mit Ausbildung eines chronischen Schmerzsyndroms.

Die unfallbedingte MdE werde vom 14. Juli 2009 bis 14. Juli 2010 mit 20 v. H. und voraussichtlich dauernd mit 10 v. H. eingeschätzt. Es seien derzeit mit Ausnahme der weiterzuführenden schmerztherapeutischen Behandlung keine weiteren besonderen Behandlungen aufgrund der Unfallfolgen erfolgversprechend. Die bisherige Tätigkeit als Heizungsmonteur könne nicht mehr wettbewerbsfähig ausgeübt werden und berufshelferische Aktivitäten seien erforderlich.

Darüber hinaus erstattete im Auftrag der Beklagten Dr. F. vom medizinischen Gutachteninstitut in Rostock unter dem 15. März 2010 ein nervenärztliches Gutachten. Dieses wurde u. a. aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers in Rostock vom 8. Februar 2010, einer laborserologischen Untersuchung sowie aufgrund eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens, welches Dr. F. zusammen mit Dipl.-Psych. Dr. B. erstellte und aufgrund weiterer Unterlagen, die der Kläger selbst vorgelegt hatte, erstellt. Dr. F. führte u. a. aus, der Kläger selbst habe u. a. den Entlassungsbericht im Hinblick auf die Schmerztherapie im Universitätsklinikum G. vorgelegt, in dem von 16 Behandlungstagen die Rede sei. Im Anschluss habe sich der Kläger in schmerztherapeutische Behandlung beim Anästhesiologen Dr. J. begeben, wo er zunächst auf die hochdosierten und einer hochwirksamen Kombination eingenommenen Schmerzmittel mit einer Erhöhung der Leberwerte reagiert habe. Die Behandlung sei schließlich aber doch fortgesetzt worden. Bei genauer Betrachtung des Aktenverlaufes falle auf, dass der Kläger jeweils in den Heilverfahren von einem vergleichsweise günstigen Behandlungsverlauf gesprochen habe, einmal sogar in der Klinik T. ein weitgehendes Verschwinden der Schmerzen angegeben habe, dann aber doch nach Rückkehr in die Häuslichkeit keinerlei Besserung seines Störungsbildes und vor allem kein Anstieg seines psychosozialen Funktionsniveaus von den behandelnden Ärzten verzeichnet worden sei. Entscheidend sei dabei zu sein, dass der Kläger einen Arbeitsversuch gestartet habe, dieser jedoch gescheitert sei. Es falle bei der Untersuchung auf, dass der Kläger sich kognitiv und verbal in eine Situation gebracht habe, aus der er eigentlich einen Ausweg nicht finden könne. Auf der einen Seite beklage er sich darüber, dass er zwar beim Arbeitsamt gemeldet sei, von dort aber nicht vermittelt werde; auf der anderen Seite erkläre er aber, er fühle sich unfähig dazu, überhaupt irgendeine Tätigkeit auszuüben, geschweige denn sich einer beruflichen Rehabilitation zu unterziehen. Empfehlungen der Schmerztherapeuten bzw. Kliniken etwa in Form von Hausübungsprogrammen bzw. Entspannungstechniken sei der Kläger anscheinend nicht nachgekommen. Er habe erklärt, das einzige was gegen die Schmerzen helfe sei, dass er sich flach auf den Rücken lege und die Beine angewinkelt hochlege. Der Kläger suche seine Schmerztherapeuten wie er berichte alle drei Monate einmal auf. Insofern frage man sich doch, ob dies mit der abgegebenen Empfehlung einer intensiven Nachbehandlung zu vereinbaren sei. Der Kläger sei seelisch nicht gesund. Andererseits werde er aus der Situation, in der er stehe und der er sich seiner Angaben zufolge niemals wiederfinden habe wollen, nicht herausfinden können, wenn er sich nicht von sich aus seiner Verantwortung stelle und seinen Umgang mit dem Schmerz verändere. Der Kläger sei bei aller Ausweglosigkeit, die er empfinden möge, durchaus zu einer abstandsvollen Sichtweise seines Störungsbildes und taktischen Verhaltens in Richtung einer von ihm angestrebten Leistungsgewährung durch die Versicherungssysteme fähig, was sich in den Ergebnissen der standardisierten psychologischen Befunderhebung, allerdings nicht in den Ergebnissen der Verfahren zur Beschwerdevalidierung, niederschlage. Die gesetzliche Unfallversicherung fokussiere in dem im Anschreiben aufgeworfenen Fragen vor allem darauf, ob die dem Kläger eigene psychogene Schmerzstörung Unfallfolge sei. Dies werde bejaht, und zwar deswegen, weil der Kläger sich mit seinen körperlichen Unfallfolgen eine Verletzung zugezogen habe, die ihm realistischer Weise die angestammte Tätigkeit als Heizungsmonteur auf dem angestammten und seit 16 Jahren innegehabten Arbeitsplatz nicht mehr erlaube. Dies lasse sich der Reaktion seines Arbeitgebers zu Beginn der ABE und der gemeinsamen Beurteilung des (ausgebliebenen) Erfolgs dieser ABE durch den Kläger selbst und der Ehefrau seines Arbeitgebers entnehmen. Dies sei aber nicht hoffnungslos, auch sei das psychosoziale Funktionsniveau des Klägers insgesamt besser, als es sich in dem von ihm geschilderten Tagesablauf niederschlage. Vor allem stünden Behandlungsoptionen offen, die in einem mit ihm selbst erarbeiteten Reha-Konzept zusammen mit beruflicher Rehabilitation umgesetzt werden müssten. Bei dem Kläger sei auch von ihm eine

– „Depressive Episode, oberflächlicher bis mittlerer Tiefe mit Somatisierung“

festgestellt worden.

Außerdem bestehe ein

– „Schmerzleiden, bei dem seelische Ursachen nach instabiler LWK-1-Fraktur“.

Die Depression sei Folge des Unfallereignisses. Eine unfallunabhängige psychische Störung werde nicht gesehen. Die festzustellende seelische Störung sei aber nicht derart gravierend, dass sie die von dem Kläger geschilderten und nach seinen Angaben ihm gegenüber auch gelebte Herabsetzung des psychosozialen Funktionsniveaus auch rechtfertigen würde. Die Depression sei im Gegensatz zu der Schmerzstörung, mit der sie einander greife, unbehandelt. Sie bedürfe der aufgezeigten Behandlung. Die Depression allein für sich genommen führe zu keiner MdE und zwar deswegen, weil es sich um ein bisher nicht hinreichend behandeltes Behandlungsleiden handele. Zunächst sei also auf die Behandlung zu setzen.

Im Zusatzgutachten hieß es, dass sich bezüglich der Beschwerdenvalidierung im Hinblick auf Testbefunde in einem von drei Tests auffällige Resultate ergäben, sodass jedenfalls auf Testebene eine Ausgestaltung von Krankheitssymptomen nicht auszuschließen sei. Die Testverfahren stellten aber nur einen Bestandteil der Prüfung auf plausible Untersuchungsbefunde dar. Die diagnostische Urteilsbildung solle aber nicht allein anhand der Testbefunde vorgenommen werden. Zusätzlich sei bei der Einschätzung der einzelnen Testergebnisse notwendigerweise ein Abgleich mit den Befunden der die Testbearbeitung begleitenden Verhaltensbeobachtung vorzunehmen und es müsse eine nachvollziehbare Übereinstimmung der Testleistung zu den geschilderten Beschwerden der Lebensgestaltung bestehen.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Unfallchirurg Dr. D. unter dem 15. Juni 2010 ein sog. zweites Rentengutachten. Ausweislich dieses Gutachtens klagte der Kläger u. a. über ständige Beschwerden in der mittleren Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung im gesamten Rücken und gelegentlicher Ausstrahlung ins rechte Bein sowie auch über schnelle Erschöpfung und Ohrgeräusche. Als Unfallfolgen bestünden, auch nach entsprechender MRT-Untersuchung der Wirbelsäule, eine operativ versorgte knöchern ausgeheilte stabile LWK-1-Fraktur mit rezidivierender statischen Beschwerdesymptomatik der gesamten Wirbelsäule im Sinne eines chronischen Schmerzsyndroms, bei angedeuteter Bandscheibenprotrusion BWK12/LWK 1/2 nach Metallentfernung.

Unfallunabhängig bestünde ein Bluthochdruck, eine Hauterkrankung sowie Bandscheibenprotrusion im Bereich L5/S1 median, sowie angedeutet rechts im Bereich BWK 12/LWK 1/2. Die MdE betrage 10 v. H.. Die instabile Fraktur sei knöchern fest ausgeheilt, die aktuelle Kernspintomografie könne im Frakturbereich eine beginnende Bandscheibenentrundung nachweisen. In der Literatur (Hinweis auf Schönberger u. a., 8. Aufl. Seite 442) werde ein Wirbelkörperbruch mit Bandscheibenbeteiligung bei einem statisch wirksamen Achsenknick – der hier nicht vorliege – nach einem Jahr mit 10 v. H. beurteilt. Diese Bewertung werde auch in anderer Literatur bestätigt. Bereits 2008 hätten durch neurologisch/psychiatrische Gutachten neurologische unfallbedingte Verletzung im Bereich der LWK-1-Fraktur ausgeschlossen werden können.

Darüber hinaus gelangte noch eine Epikrise bezüglich einer multimodalen Schmerztherapie der Universitätsklinik G. vom 2. Juli 2010 zu den Akten. In einem Bericht hinsichtlich eines dortigen stationären Aufenthaltes des Klägers vom 21. Juni bis 2. Juli 2010 wurde mitgeteilt, die Schmerzchronifizierung beim Kläger habe nach Gerbershagen das Stadium III erreicht. An 11 Behandlungstagen sei eine Schmerztherapie erfolgt. Es sei eine Beschwerdereduktion dahingehend erreicht worden, dass der Kläger eine – auch objektiv sichtbar – bessere Beweglichkeit und Belastbarkeit konstatiert habe. Es solle weiterhin eine berufliche Rehabilitation angestrebt werden.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2010 erkannte die Beklagte zum einen den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall an und gewährte wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls Verletztenrente als vorläufige Entschädigung für den Zeitraum vom 15. Juli 2009 bis 15. Juni 2010 nach einer MdE in Höhe von 20 v. H.. Über den 15. Juni 2010 bestehe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade. Als Folgen des Arbeitsunfalles wurde ein unter Keilwirbelbildung und vorderer Höhenminderung knöchern fest verheilter Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers mit Bewegungseinschränkung und schmerzbedingten Beschwerden anerkannt. Nicht anerkannt wurden Verschleißveränderungen der Bandscheiben im Bereich der unteren Brustwirbelsäule und des 5. Lendenwirbelkörpers zum Steißbein.

Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, bei ihm sei es unabhängig von der MdE aufgrund des orthopädischen Befundes zu einer Fehlverarbeitung des Unfalles, möglicherweise zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gekommen. Er befinde sich daher in psychiatrischer Behandlung im Klinikum West in A-Stadt. Insoweit seien von dort auch Befundberichte einzuholen. In einem ärztlichen Brief der Klinik für Poliklinik, Psychiatrie und Psychotherapie im H.-Klinikum A-Stadt (Chefarzt Prof. Dr. F.) hieß es hinsichtlich einer dortigen stationären Behandlung des Klägers vom 10. September 2010 bis zum 27. Oktober 2010 und teilstationärer Behandlung vom 27. Oktober bis 9. November 2010, man habe einen direkten Zusammenhang zwischen dem komplexen psychiatrischen Erkrankungsbild des Klägers und seinem Arbeitsunfall vom Januar 2008 gesehen. Sowohl seine schwere depressive Symptomatik als auch eine posttraumatische Belastungsstörung seien langfristig Folge des Unfalles. Eine bestehende anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei im Rahmen des chronischen muskuloskelettalen Schmerzsyndroms zu sehen. Nach Hinweis der Beklagten erfolgte eine fachärztlich-fachpsychologische Stellungnahme unter dem 28. Dezember 2010 von Prof. F.. Als Diagnosen wurden dort genannt:

1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode

2. Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

3. V. a. anhaltende somatoforme Schmerzstörung auf dem Boden eines

4. Chronischen muskuloskelettalen Schmerzsyndroms

5. Art. Hypertonie.

Der Kläger sei wegen der fünf bzw. vier genannten Diagnosen an eine ambulante Schmerzgruppe angebunden. Aus psychiatrischer Sicht habe er den Sturz und die weiteren Folgen als Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit angesehen und habe in der schwerwiegenden Verletzung weitere dramatische Folgen antizipiert, z. B. im Sinne einer dauerhaften Lähmung der Beine. Bezüglich des komplexen psychischen Störungsbildes werde die posttraumatische Belastungsstörung als zentral angesehen, sodass eine ambulante Traumatherapie beabsichtigt sei. Nachfolgend erfolgten in der dortigen Klinik weitere stationäre Aufenthalte des Klägers, so vom 9. Februar bis 29. März 2011 mit anschließender teilstationärer Behandlung vom 29. März bis 12. April 2011, vom 21. September bis 2. November 2011, vom 16. November 2012 bis 22. Januar 2013 sowie vom 2. August bis 6. September 2013 und weiter vom 25. April bis 15. Mai 2014.

Die Beklagte zog darüber hinaus im Widerspruchsverfahren weitere medizinische Unterlagen von der Deutschen Rentenversicherung Nord, so u. a. ein orthopädisches Gutachten von Dr. K. vom 17. September 2009 und ein Pflegegutachten vom 7. September 2012, welches im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erstellt wurde, bei. Im letztgenannten Pflegegutachten wurde bei dem Kläger die Pflegestufe 1 anerkannt. Schließlich reichte der Kläger weitere medizinische Unterlagen, insbesondere Befundberichte aus seinem Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung Nord, ein (SG Stralsund, Az: S 12 R 424/12). Ferner zog die Beklagte ein Gutachten des Sachverständigen Dr. J. vom 18. November 2011 bei, welches in dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Nord im Auftrag des SG Stralsund erstellt wurde. Als Diagnosen wurden dort eine chronifizierte depressive Störung, schweregradig, ohne psychotische Symptome sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung genannt.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Chirurg M. vom M. Gutachteninstitut R. unter dem 15. Juli 2013 ein weiteres fachchirurgisches Gutachten. Als Unfallfolgen stellte er eine endgradige Bewegungseinschränkung des BWS-/LWS-Überganges sowie einen in leichter Keilform verheilten Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers fest. Das ausgeprägte funktionelle Beschwerdebild des Klägers lasse sich aus unfallchirurgischer Sicht nicht erklären, es handele sich um ein Beschwerdebild, welches ausschließlich im Rahmen einer sog. somatoformen Schmerzstörung anzusehen sei. Ob diese noch als mittelbare Unfallfolgen zu werten sei, müsse der psychiatrische Sachverständige entscheiden. Aus unfallchirurgischer Sicht werde die MdE ab der 78. Woche nach dem Unfall nur mit 10 v. H. eingeschätzt. Es bestehe insoweit Übereinstimmung mit der Auffassung von Dr. S. und Dr. D.. Eine Achsabweichung mit einem Knickwinkel von 15 bis 20 % werde als statisch achsenwirksam angesehen, dies führe zu einer MdE von 10 bis 20 v. H.. Bei dem Kläger liege eine mäßige keilförmige Verformung des 1. Lendenwirbelkörpers vor mit einer ausgemessenen Knickbildung von 13°. Wenn eine Knickbildung von 15 bis 20° zu einer MdE von 10 bis 20 führe, könne eine Knickbildung von 13° nicht zu einer MdE von 20 führen. Hiermit sei die MdE mit 10 v. H. einzuschätzen.

Darüber hinaus erstattete Dr. F. unter dem 28. Oktober 2013 im Auftrag der Beklagten ein weiteres nervenärztliches Gutachten. Dieses Gutachten wurde wiederum unter Berücksichtigung eines psychologischen Zusatzgutachtens, diesmal erstattet von Dr. F. zusammen mit Dipl.-Psych. T., erstellt. In seinem Gutachten führte Dr. F. u. a. aus, zum Zeitpunkt seiner Erstbegutachtung nach Untersuchung im Februar 2010 habe sich bereits eine depressive Störung bei dem Kläger gefunden, die von ihm seinerzeit als Unfallfolge eingeschätzt worden sei. Dieser habe damals im Bereich der leichten bis mittelschweren Störung gelegen und habe deswegen in einer MdE-Bewertung keinen Niederschlag gefunden, weil sie quasi unbehandelt gewesen sei. Der Kläger habe sich dann aber wenig später in Behandlung in der psychiatrischen Ambulanz der Universitätsklinik G. begeben, hier sei u. a. dann auch durch die Therapeutin eine Einweisung in eine geschlossene stationäre Behandlung erfolgt. Dies sei der erste stationäre Aufenthalt im Klinikum A-Stadt gewesen, zwischenzeitlich hätten sich noch vier weitere Aufenthalte dort angeschlossen, sodass es zu insgesamt fünf stationär-psychiatrischen Aufenthalten dort gekommen sei. Zusammenfassend werde bei dem Kläger weder von einem medizinischen Erstschaden als solchem ausgegangen noch von einem Sonderfall des seelischen Erstschadens, der Grundlage einer Traumafolge habe werden können; ein solcher sei insoweit nicht eingetreten. Mittlerweile habe der Kläger eine in der Tat schwere depressive Störung entwickelt und führe ein weitgehend durch seine Krankheit und die dadurch bestimmten Einschränkungen gestaltetes Leben. Auch weil der Kläger bei der hiesigen standardisierten psychologischen Befunderhebung durch die bestehenden Validierungsverfahren durchgefallen sei und ein nicht im Ganzen zueinander passendes (konsistentes) Testprofil abgeliefert habe, so werde er doch für mittelschwer bis schwer depressiv erachtet, und zwar in einem Ausmaß, dass er nur mit Einschränkung sein Leben selbstständig und ohne die Hilfe seiner Angehörigen gestalten könne. In seinem Erstgutachten habe er die Depression für maßgeblich teilursächlich unfallbedingt erachtet, ausschlaggebend hierfür sei gewesen, dass Prof. Dr. E. dem Betroffenen bescheinigt habe, dass er seine Tätigkeit als Heizungsmonteur aufgrund der operativ gerichteten Wirbelfraktur nicht mehr ausführen könne, was wiederum zur Folge gehabt habe, dass er der langjährig (über 16 Jahre) innegehabten Tätigkeit im Unfallbetrieb nicht mehr habe nachgehen können. Zwar sei es richtig, dass die vom Betroffenen jedenfalls so wahrgenommenen, nicht unterstützenden Verhaltensweisen seines Arbeitgebers dem von der Beklagten zuzurechnenden Risiko nicht angehörten und insoweit eine konkurrierende Ursache bezüglich des Unfallzusammenhangs der seelischen Störung darstelle. Letztlich werde aber die Folge der Tatsache, dass der Kläger unfallbedingt außerstande gesetzt worden sei, seiner Tätigkeit nachzugehen, speziell in Kenntnis der ihm eigenen depressiven Verarbeitungsmodi, die persönlichkeitsgebunden seien, mit denen er aber versichert sei, als rechtlich wesentlich mitwirkende Teilursache erachtet. Damit sei die Depression, so wie sie sich bis heute entwickelt habe, Unfallfolge.

Hinzu kämen die anhaltenden Schmerzen, die aber nur teilweise durch die körperlichen Unfallfolgen erklärt seien und im Wesentlichen Ausdruck des seelischen Leidens im Sinne der somatoformen Schmerzstörung seien, so wie sie auch in der Universitätsklinik G. immer wieder beschrieben würden. Die Schmerzen und der Behandlung müsse sich die Beklagte allerdings zurechnen lassen, denn dafür komme sie seit Jahren auf, dies gestützt durch die Voten der von ihr beauftragten Gutachter auf chirurgischem bzw. orthopädischem Fachgebiet und die Schmerztherapeuten aus der Universitätsklinik G.. Dass der Kläger unter einer chronischen Schmerzstörung also leide und die mit dieser verbundenen Belastung werde mit dem Unfall im Zusammenhang gesehen und als unfallgebundener Belastungsfaktor in das bedingte Gefüge der seelischen Störung eingeordnet. Es handele sich allerdings um eine Wertungsfrage, wobei stets bei seelischen Störungen nicht sicher davon ausgegangen werden könne, dass die Gesamtheit der Bedingungsfaktoren eines seelischen Störungsbildes in einem Begutachtungsprozess aufgeklärt werden könne. Von ihm aus werde der Zusammenhang jedenfalls gesehen. Es sei von einem verschlechternden Störungsbild aufgrund derselben Bedingungsfaktoren auszugehen, wobei die dysfunktionalen Bewältigungsstrategien des Klägers – mit denen er aber versichert sei – ebenso wie die unfallgebundenen Faktoren die tragende Kraft gewesen seien. Beide seien als „wesentlich mitwirkend“ im Rechtssinne anzusehen. Die MdE sei mit 40 v. H. einzuschätzen. Diese Einschätzung werde getroffen unter Berücksichtigung der psychischen Querschnittsbefunde. Die Ergebnisse der standardisierten psychologischen Verfahren ergäben verfälschte Antworten. Daher werde die Einschätzung am Oberrand der mittelschweren depressiven Störung – und nicht eine höhere – für die zutreffende erachtet.

Als Unfallfolgen bestehe eine

– depressive Episode, gegenwärtig mittelschwer, zeitweise schwer (ICD-10 F 33.21, F 33.22) sowie

– eine somatoforme Schmerzstörung mit körperlichen und seelischen Bedingungsfaktoren (ICD-10 F 45.4).

Die MdE i. H. v. 40 v. H. gelte ab dem Ende des ersten stationär-psychiatrischen Aufenthalts in der Universitätsklinik G. mit anschließender teilstationärer Behandlung, sprich ab dem 10. November 2010. Das Störungsbild komme multifaktoriell zustande, aus den im Gutachtentext dargelegten Gründen werde aber der Unfall mit dem daraus resultierenden körperlichen Folgeschaden und dessen Konsequenzen für rechtlich maßgeblich wirksame Teilursache erachtet. Ein seelischer Vorschaden sei nicht festzustellen, dem Kläger sei aber eine Schadensanlage, die in seinem persönlichkeitsgebundenen depressiven Verarbeitungsmodus und den ausgeprägten dysfunktionalen Kognitionen und daraus resultierenden Verhaltensweisen zu suchen sei, zu bescheinigen. Gleichwohl ergebe sich aus hiesiger Sicht ein Unfallzusammenhang, dies deswegen, weil es sich nicht um eine leicht ansprechbare Schadensanlage gehandelt habe, die auch bei jeder alltäglichen Belastung zur seelischen Dekompensation geführt hätte. Nicht umsonst habe der Kläger ja über 16 Jahre seine Tätigkeit in seiner Firma zuverlässig ausüben können und habe dabei therapeutischer Hilfe nicht bedurft. Aus der Bahn geworfen sei er dadurch, dass er unfallbedingt seine Tätigkeiten nicht mehr habe verrichten können. Die MdE mit 40 v. H. sei auch die Gesamt-MdE, gleichgültig, ob man unterstelle, dass die für chirurgische Unfallfolgen anzunehmende Teil-MdE unter 10 oder 10 v. H. betrage. Ein addierbarer Anteil käme aufgrund der Überschneidung – etwa in der Schmerzstörung – ohnehin nicht zustande.

In dem psychologischen Zusatzgutachten vom 21. Oktober 2013 wurde u. a. ausgeführt, dass sich bei dem Kläger Hinweise für Symptomvorspiegelung und geringe Leistungsmotivation ergeben hätten. Die auffälligen Testwerte im Bereich des psychischen Beschwerdeniveaus (SCL-90-R) müssten sich im klinischen Befund als entsprechende Symptome widerspiegeln, vorausgesetzt die Bearbeitung würde nicht bewusstsnah oder -fern beeinflusst. Bei der Bewertung der Ergebnisse sollte berücksichtigt werden, dass der Kläger zu einem Beantwortungsstil geneigt habe, der viele verschiedene Symptombereiche einschließe und dieses auch als verfälschend einzuordnende Antwortverhalten die Diagnostik psychischer Störungen einschränke. Akzentuierte Persönlichkeitsmerkmale bezüglich der Stressverarbeitung fänden sich im maßgeblichen, psychische Störungen begünstigenden Umfang. Die vom Kläger ausgefüllten Fragebögen gingen aufgrund ihrer beschränkten Aussagekraft somit nur bedingt in die Gesamtinterpretation mit ein. Dennoch hätten sich in der Verhaltensbeobachtung deutliche Zeichen einer depressiven Störung gezeigt.

Der die Beklagte beratende Arzt Prof. Dr. S. vom Medizinischen Begutachtungsinstitut in T. führte zu diesem Gutachten in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30. April 2014 u. a. aus, beiden Gutachten von Dr. F. können aufgrund formaler und inhaltlicher Mängel nicht gefolgt werden. Im Vollbeweis gesicherte Unfallfolgen beständen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht. Ein relevantes Schmerzsyndrom sei aus den mitgeteilten Befunden nicht nachzuvollziehen. Die aufgrund des stattgehabten Wirbelbruches teilweise nachvollziehbaren Schmerzen würden bereits von unfallchirurgischer Seite gewürdigt und bewertet. Eine gesonderte MdE sei insoweit nicht zu begründen. Eine depressive Akzentuierung oder wie Dr. F. mitteile, eine schwere bis mittelschwere depressive Episode, sei nicht im Vollbeweis gesichert und insbesondere unfallbedingt nicht nachzuvollziehen. Auch insofern bestehe keine MdE. Eine MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liege nicht vor, die Gesamt-MdE ergebe sich aus der von chirurgischer Seite festgestellten MdE von 10 v. H. Die von Dr. F. genannten Diagnosen, die in dem Wortlaut den üblichen Diagnosemanualen unbekannt seien, seien aus den beklagten Beschwerden und erhobenen Befunde nicht nachzuvollziehen. Eine Begründung der Diagnosen anhand üblicher diagnostischer Standards (ICD-10 und DSM-IV-TR), wie mehrfach vom Bundessozialgericht (BSG) gefordert, sei nicht erfolgt.

Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des Facharztes für Anästhesiologie Dr. F. vom 29. Juni 2014, bei dem der Kläger quartalsweise sich in der Sprechstunde für Schmerztherapie vorgestellt hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2014 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe mangels rentenberechtigenden Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht. Es werde ergänzend darauf hingewiesen, dass in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Bewertung des Schadens nur abstrakte Maßstäbe anzulegen seien; es sei im Regelfall nicht zulässig, individuelle Betrachtungen, speziell auf den ausgeübten Beruf bezogen, gelten zu lassen. Die Schmerzen des Klägers seien in die Bewertung der MdE mit eingeflossen. Es seien mehrere Gutachten zur Bewertung der MdE eingeholt worden. Nach gründlicher Prüfung mit Unterstützung eines Beratungsarztes habe der Einschätzung von Dr. F. nicht gefolgt werden können. Soweit die Schmerzen auf die Unfallfolgen zurückzuführen seien, seien sie bereits im Rahmen der chirurgischen MdE-Einschätzung berücksichtigt worden. Weitere Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet seien nicht mit dem geforderten Vollbeweis gesichert. Eine Begründung der Depressionen anhand üblicher diagnostischer Standards sei nicht erfolgt. Auch ein relevantes Schmerzsyndrom sei bei fehlenden trophischen Störungen und fehlenden vegetativen Fehlregulationen nicht nachzuvollziehen. Hinzukomme, dass in den Gutachten wiederholt eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft sowie Beschwerdeübertreibung des Klägers angeführt würden.

Mit seiner am 2. September 2014 vor dem SG Stralsund erhobene Klage hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung von Verletztenrente weiterverfolgt. Festzuhalten sei, das Dr. F. eine unfallbedingte depressive Episode sowie ein Schmerzleiden diagnostiziert habe. Die Schlüsse, die er im weiteren jedoch gezogen habe, seien nicht korrekt. Diese Erkrankungen bedingten eine MdE und seien unabhängig von der Frage einer Behandlungsbedürftigkeit im Hinblick auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit einzuschätzen.

Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2014 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, einen Bescheid zu erlassen, mit dem ihm Rente aufgrund des Arbeitsunfalles vom 16. Januar 2008 über den 15. Juni 2010 hinaus nach einer MdE von mindestens 30 v. H. gewährt werde.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt. Dr. F. habe darauf hingewiesen, dass der Kausalzusammenhang nicht von ihm zu beurteilen sei. Dies stelle lediglich eine Entscheidungshilfe dar. Weder für eine Depression noch für ein relevantes Schmerzsyndrom liege ein Nachweis vor, zudem seien die Schmerzen bereits bei der MdE auf chirurgischem Fachgebiet berücksichtigt worden.

Das SG hat Befund- und Behandlungsberichte von Dr. F. vom 16. Januar 2015, von Dr. S. vom 21. Januar 2015 sowie von der Universitätsmedizin G., Hanseklinikum A-Stadt, eingeholt. Letztgenannte Klinik hat weitere Berichte über dort erfolgte stationäre Aufenthalte des Klägers übersandt.

Darüber hinaus hat das SG weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch/psychiatrischen Gutachtens von Dr. B. J. vom 28. August 2015. In seinem Gutachten hat der Sachverständige u. a. ausgeführt, der Kläger habe angegeben, auf einer Leiter stehend gestürzt zu sein und zwar sei er zwei Meter runtergestürzt. Seit dem Unfall sei er nie länger als ein paar Tage schmerzfrei gewesen. Das Metallteil habe er im Januar 2009 in der Universität G. entfernen lassen, zum Krankenhaus A-Stadt habe er kein Vertrauen mehr gehabt. Nach dem Unfall bzw. nach der Metallentfernung sei er das erste Mal depressiv geworden. Als begutachtungsrelevanten Diagnosen nach ICD-10 seien bei dem Kläger zu nennen:

1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10: F 33.1)

2. Chronischer Schmerz durch somatische und psychische Faktoren (ICD-10: F 45.41)

3. Verdacht auf orthostatische Synkopen (ICD-10: G 90.0).

Biografische Daten (Erziehungsstil des Stiefvaters, kein Kontakt zum leiblichen Vater, Kontaktabbrechung zu den Eltern wegen der Mitarbeit beim MfS 1989) begründeten eine potentiell schwergradig gesteigerte psychische Vulnerabilität bei dem Kläger. Ein erster Hinweis auf eine chronische Schmerzerkrankung bei dem Kläger finde sich in einem Befundbericht der Fachärztin für Nuklearmedizin Dr. R., vom 5. Mai 2007 – „wegen Verdacht auf Rheuma und wegen multipler Gelenkbeschwerden“, also bereits vor dem Unfallereignis vom 16. Januar 2008. Ungeachtet dessen habe der Kläger bis zu dem Unfall am 16. Januar 2008 am Erwerbsleben teilgenommen. Obwohl er mehrere medizinische Reha-Maßnahmen durchlaufen habe, sei es zur Manifestation einer schwergradigen chronischen Schmerzerkrankung, die bis zum Begutachtungszeitpunkt nur unzureichend kontrolliert sei, gekommen. Im Verlauf sei es zu einer Ausdehnung des schmerzhaften Areals auf den gesamten Rücken gekommen. Wesentlich destabilisierend habe sich für den Kläger nicht nur die Wahrnehmung ausgewirkt, dass er trotz Inanspruchnahme genannter therapeutischer Leistungen und trotz Metallentfernung 2009 weiter unter chronischen Schmerzen leide, sondern auch die Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit als Heizungsbauer in Zukunft nicht mehr möglich sein solle. Er habe aus dem beruflichen Erfolg in hohem Maße bei der Stabilisierung des Selbstwertgefühls profitiert. Ab 2009 sei es dann zur psychischen Dekompensation mit Manifestation einer depressiven Störung gekommen, die erstmals 2010 zu einer akuten, stationär-psychiatrischen Therapie geführt habe. Seitdem nehme er ambulante spezialisierte Psychotherapien in Anspruch, Ergotherapie sowie Psychopharmakotherapie als auch eine spezialisierte ambulante Schmerztherapie. Der seelische Gesundheitszustand habe nicht stabilisiert werden können, auch im Jahr 2015 sei er bereits zweimal akut stationär-psychiatrisch wegen einer schweren depressiven Erkrankung behandelt worden. Problematisch und den Genesungsprozess behindernd seien zweifellos Persönlichkeitsmerkmale des Klägers, wie sie beispielsweise auch in den Epikrisen dargelegt worden seien. Auf seinem Fachgebiet seien infolge der chronischen Depressivität ein gemindertes Selbstwertgefühl, teilweise auch begleitend mit sozialem Rückzug/Vermeidungsverhalten und andererseits gesteigerte Reizbarkeit, Gesundheitsstörungen bzw. Funktionsminderungen zu nennen. Daneben finde sich eine verminderte psychische Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit. Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens seien nicht festzustellen. Neurologische Symptome seien ebenfalls nicht festzustellen. Das Unfallereignis vom 16. Januar 2008 sei ursächlich für die richtungsweisende Verschlechterung einer bereits zuvor dokumentierten chronischen Schmerzerkrankung. Hieraus habe sich sekundär eine zuvor nicht bekannte chronische depressive Störung entwickelt.

Die chronische Schmerzerkrankung mit Ausdehnung des Schmerzareals auf den gesamten Rücken und dann auch mit Manifestation der depressiven Störung seien nur indirekte Folge des Unfallereignisses, wären jedoch ohne das Unfallereignis wahrscheinlich nicht eingetreten und bedingten somit eine ununterbrochene indirekt unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis zum Begutachtungstag mit hoher Wahrscheinlichkeit darüber hinaus. Da es sich sowohl in Bezug auf die chronische Schmerzerkrankung als auch die chronisch-depressive Störung um sog. mittelbare Schäden handele, sei hier darauf hinzuweisen, dass das Eintreten dieser Störung durch prämorbid bestehende biografische Faktoren bzw. Persönlichkeitsmerkmale begünstigt worden sei, was dem Kläger jedoch nicht anzulasten sei. Die MdE sei in Folge der chronischen Depressivität sowie chronischem Schmerz im Sinne einer somatoformen Störung mit 20 v. H. zu beziffern und begründe sich aufgrund der vorhandenen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Dem Gutachten war u. a. ein weiterer ärztlicher Bericht des Hanseklinikums A-Stadt hinsichtlich eines weiteren stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 27. Februar bis zum 27. März 2015 beigefügt.

Der Kläger hat ein weiteres Pflegegutachten über bestehende Pflegebedürftigkeit, diesmal vom 15. Juli 2015, zu den Akten gereicht.

Die Beklagte hat eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 22. Dezember 2015 zu dem Gutachten von Dr. J. eingereicht. In dieser beratungsärztlichen Stellungnahme heißt es, das Gutachten von Dr. J. komme aufgrund formaler und inhaltlicher Mängel zu unrichtigen und nicht stichhaltigen Feststellungen. Im Vollbeweis gesicherte Gesundheitsstörungen, insbesondere unfallbedingte, bestünden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht. Der psychopathologische Befund bestehe in weiten Teilen aus einer Wiedergabe der Beschwerden des Klägers selbst, insofern habe der Sachverständige eine seiner Hauptaufgaben, nämlich das Gericht anhand von Tatsachenfeststellungen über das etwaige Vorliegen von Gesundheitsstörungen zu beraten, nicht nachkommen können. Im Vollbeweis gesicherte Gesundheitsstörungen bestünden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht, vielmehr ließen sich die gestellten Diagnosen aus den mitgeteilten Befunden nicht nachvollziehen. Eine Begründung der Diagnosen anhand üblicher diagnostischer Standards (ICD-10 und DSM-5) sei nicht erfolgt. Aufgrund welcher Befunde er eine richtungsweisende Verschlimmerung der bereits vor dem Unfall beklagten Schmerzen angenommen habe, führe der Sachverständige nicht aus. Differenzialdiagnostische Überlegungen seien nur unzureichend angestrengt worden. Zwar stelle der Sachverständige erhebliche Diskrepanzen zwischen der Beschwerdeschilderung und der tatsächlichen Verhaltensbeobachtung des Klägers fest. Eine weitere Abklärung der augenscheinlichen und mehrfach festgestellten massiven Beschwerdeübertreibung durch geeignete Testverfahren sei jedoch nicht erfolgt.

Dr. J. hat in seiner ergänzenden, vom SG Stralsund veranlassten, gutachterlichen Stellungnahme vom 16. März 2016 ausgeführt, dass er bei seiner Bewertung bleibe. Aufgrund der erfolgten Testung sei die depressive Störung schlüssig abzuleiten, er verweise auch auf die zahlreichen weiteren Epikrisen. Er hat insoweit noch weitere Ausführungen zu den Diagnosekriterien einer depressiven Störung bzw. chronischen Schmerzstörung nach den ICD-10 gemacht und ausgeführt, dass die entsprechenden diagnostischen Kriterien vorlägen und belegt seien. Zwar bestehe bei dem Kläger eine Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen hohen Schmerzintensität und den deutlichen Auswirkungen auf den Alltag als auch auf die psychopathologischen Veränderungen bei dem Kläger einerseits, die doch andererseits nicht mit körperlichen Befunden allein erklärt werden könnten. Diese sei jedoch nicht vorrangig durch bewusstseinsnahe (selbst limitierende) Mechanismen zu erklären, sondern vielmehr durch eine krankheitsbedingt vermehrte Wahrnehmung körperlicher Schmerzen. Ein Primärschaden sei im Übrigen zweifellos diagnostiziert und operativ behandelt worden (Lendenwirbelkörperfraktur). Des Weiteren sei festzustellen, dass aufgrund der gesteigerten psychischen Vulnerabilität des Klägers (was nicht einer Vorerkrankung entspreche) für den Kläger ein besonderes Risiko bestanden habe, eine psychische Störung zu erleiden. Unter Außerachtlassung der bewusstseinsnahen verstärkten Darstellung eigener Beschwerden und Beeinträchtigungen durch den Kläger sei eine MdE in Höhe von 30 v. H. festzustellen. Der Fakt erheblicher Diskrepanzen zwischen Beschwerdeschilderung und Verhaltensbeobachtung sei jedoch in der Festlegung der MdE berücksichtigt worden. Aus diesem Grunde erfolge die MdE-Einschätzung auf lediglich 20 v. H.

Hierzu hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. S., diesmal vom 3. Juni 2016, zu den Akten gereicht. Prof. Dr. S. hat ausgeführt, es ergäben sich für ihn aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. J. keine neuen Erkenntnisse. Seine Ausführungen vermögen einen ursächlichen Zusammenhang nicht schlüssig zu begründen. Wissenschaftliches Schrifttum zum Zusammenhang zwischen einer Wirbelsäulenverletzung und einer depressiven Erkrankung sei auch nicht bekannt. Im Übrigen sei eine Schadensanlage nicht zu vermuten, sondern nachzuweisen.

Durch Urteil vom 15. Dezember 2016 hat das SG Stralsund die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt: Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 SGB VII über den 15. Juni 2010 hinaus. Auf chirurgischem Fachgebiet ergäben sich keine Unfallfolgen ab dem 16. Juni 2010, die zu einer rentenberechtigenden MdE führten. Dies ergebe sich aus der Zusammenhangsbegutachtung von Prof. Dr. E., Dr. D. und des Chirurgen M.. Entscheidend käme es auf die Frage an, ob der Kläger auf nervenärztlichem Gebiet an Erkrankungen leide, die dem Unfall zugerechnet werden könnten und eine MdE bedingten. Trotz der umfangreichen psychiatrischen und psychologischen Gutachten habe sich die Kammer nicht von einem Gesundheitsschaden überzeugen können, der wesentlich auf das Unfallereignis des Jahres 2008 zurückzuführen sei. Die haftungsbegründende Kausalität liege nicht vor. Bereits in dem Zusatzgutachten von Dr. F. vom 15. März 2010, das mit einer MdE von 10 schließe, hätten sich Untersuchungsergebnisse gezeigt, die Zweifel an den geschilderten Schmerzen und depressiven Leiden begründeten. In einem von drei Beschwerdevalidierungstests hätten sich auffällige Ergebnisse gefunden. Konsequenterweise lehne Dr. F. im am 28. Oktober 2013 erstellten Gutachten einen seelischen Erstschaden und eine Traumafolgestörung ab. Gleichwohl schätze er eine MdE wegen einer depressiven Episode und einer somatoformen Schmerzstörung mit 40 v. H. ein. Dies Ergebnis würde durch das psychologische Zusatzgutachten nicht gestützt. Bei dem Kläger hätten sich Hinweise für Symptomvorspiegelung und geringe Leistungsmotivation ergeben.

Im nervenärztlichen Gutachten von Dr. J. seien weitere Contra-Indizien aufgezählt, die gegen die Annahme unfallbedingter seelischer Leiden sprächen. So haben sich ein erster Hinweis für ein Schmerzleiden am 5. Mai 2007, weit vor dem Unfall, gefunden. Wesentlich destabilisierend habe sich die Tatsache ausgewirkt, in Zukunft den Beruf eines Heizungsbauers nicht mehr ausüben zu können. Behindernd für die Genesung seien die Persönlichkeitsmerkmale des Klägers, wie nur eingeschränkte Reflexions- und Introspektionsfähigkeit. Dem Gutachten könne aufgrund der dargelegten Zweifel hinsichtlich der bestehenden Beschwerden, der Vorbelastung des Klägers und der vorliegenden konkurrierenden Ursachen nicht gefolgt werden.

Gegen das am 22. Dezember 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Januar 2017 (einem Montag) Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern eingelegt. Das SG habe nicht ohne weitere nähere Begründung von dem Ergebnis der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. J. abweichen dürfen. Es erscheine auch fehlerhaft, die Entscheidung auf Stellungnahmen des Beratungsarztes Prof. Dr. S. sowie auf die vorgerichtlich eingeholten Gutachten, die im Auftrag der Beklagten erstellt worden seien, zu stützen. Es fehlten auch jegliche Ausführungen des Gerichts, warum etwa Ausführungen des Dr. J. nicht der Vorzug gegeben werde. Es sei darauf hinzuweisen, dass alle sechs Monate eine stationäre Aufnahme wegen der Erkrankung im Hanseklinikum A-Stadt erfolge. Es habe sich auch seine Medikation, wie sich aus der beigelegten Medikamentenliste ergebe, erhöht. Zur Stützung der Berufung ist eine entsprechende Medikamentenliste vom Kläger zu den Gerichtsakten eingereicht worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 15. Dezember 2016 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente wegen gesundheitlicher Folgen seines Arbeitsunfalles vom 16. Januar 2008 über den 15. Juni 2010 hinaus nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Herrn Thomas N., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie der H. Kliniken S..

In seinem fachpsychiatrischen Gutachten vom 4. März 2019 hat der Sachverständige zusammenfassend ausgeführt: Zu diagnostizieren sei bei dem Kläger eine rezidivierende depressive Störung, aktuell schwer (F 33.2), es bestünden aber auch Phasen, in dem das Krankheitsbild mittelgradig ausgeprägt sei. Die Depression sei erstmals nach dem Schadensereignis während der Rehabilitation diagnostiziert worden, zunächst noch leicht und unbehandelt, wie es Dr. F. 2010 so gesehen habe. Die schnelle Entwicklung hin zu einer schweren Depression mit Chronifizierung sei dann eindrucksvoll dokumentiert in den zahlreichen Arztberichten sowie den späteren Gutachten von Dr. F. und Dr. J.. Auch bei der gegenwärtigen Begutachtung habe sich das Bild einer schweren Depression gezeigt, welches folgerichtig als Endpunkt dieser Entwicklung imponierte. Anzumerken sei, dass eine Erstmanifestation einer eigenständigen Depression bei bis dahin diesbezüglich unauffälligen Lebensweg sehr unwahrscheinlich sei. Darüber hinaus bestehe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4). Anzumerken sei, dass bei dem Kläger die Schmerzsymptomatik vor der depressiven Entwicklung eingesetzt habe, nach dem Unfall seien die Schmerzen schon schwer, als die depressive Symptomatik noch als leicht zu beurteilen gewesen sei. Mittlerweile bedingten sich die beiden Phänomene wechselseitig. Eine somatische Ursache für die hohe Intensität des Schmerzes sei auszuschließen. Die Opioidabhängigkeit (F 11.2) sei im Verlauf hinzugekommen. Opioide seinen im frühen Verlauf eingeführt und dann über die Jahre kontinuierlich auf die nunmehr verordneten Dosen gesteigert worden. Auszugehen sei von einer erheblichen Toleranzentwicklung, Anteile der depressiven Symptomatik seien als Entzugssymptome aufzufassen, abstinente Zeiten habe es nicht gegeben. Diese Diagnosen hätten sich aus der Anamnese und Untersuchung unter Zuhilfenahme von Testdiagnostik ergeben und erfüllten für sämtliche Gesundheitsstörungen die Kriterien der ICD-10. Die von den Kollegen aus A-Stadt vorgeschlagene posttraumatische Belastungsstörung könne nicht vergeben werden, gleichwohl lägen typischen Symptome hierfür vor und müssten in der Gesamtbeurteilung verschärfend berücksichtigt werden. Die Persönlichkeitsakzentuierung erreiche nicht den Grad einer Persönlichkeitsstörung, hierfür wären Funktionseinbußen seit Kindheit und Jugend gefordert, diese lägen aber nicht vor. Der Kläger habe erst mit dem Unfallereignis psychische Symptome entwickelt, zudem habe auch lege artis die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht gestellt werden können. Hinweise für taktisches Verhalten des Klägers hätten sich nicht ergeben, nach gutachterlicher Ansicht sei es auch schlicht nicht möglich, ein derart schweres Bild, ohne dass es wirklich vorliege, glaubhaft über Jahre aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus wäre gerade bei diesem Kläger, für den Arbeit einen wesentlichen Anteil an der Regulation seines Selbstwertes und an seinem positiven Welterleben habe, dies als widersinnig zu betrachten. Er würde gern wieder arbeiten, könne dies jedoch für sich nur aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in Betracht ziehen, was die Symptomatik im Sinne eines Teufelskreises verstärke.

Diese Gesundheitsstörungen seien nachgewiesen und auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Konkurrierende Ereignisse seien gutachterlicherseits nicht zu eruieren, auch habe der Kläger trotz erhöhter Vulnerabilität bis zu dem Schadensereignis sein Leben mit den damit einhergehenden Belastungen immer unbeeinträchtigt und ohne wesentliche Fehlzeiten am Arbeitsplatz gehen können. Ein Anhalt für Vorerkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet ergebe sich nicht. Dass auch eine andere ähnliche Belastung zu der nun bestehenden Symptomatik hätte führen können, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Auch die schon vor dem Unfall bestehenden degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule hätten nicht zu Funktionseinbußen oder zu Stimmungseinbrüchen im Sinne einer depressiven Entwicklung geführt. Erst und nur das hier zur Diskussion stehende Ereignis habe zu der Entwicklung der bestehenden Symptomatik geführt. Neue Belastungen seien nicht mehr aufgetreten, die unabhängig von dem schädigenden Ereignis für das Weiterbestehen verantwortlich gemacht werden könnten. Die unfallbedingte MdE auf psychiatrischem Fachgebiet betrage seit mindestens September 2010 nach den Erfahrungssätzen, wenn man von einer Wechselwirkung zwischen mittelgradig und schweren Episoden der Symptomatik ausgehe, 40 bis 60 v. H.. Bis September 2010 könne die MdE unter dem oben genannten Wert gelegen haben. Die Erkrankung sei chronifiziert, eine stabile Besserung sei seitdem nicht eingetreten. Die Gesamt-MdE werde ebenfalls mit 40 bis 60 v. H. eingeschätzt. Aus psychiatrischer Sicht ergäben sich keine Zweifel an der Beurteilung der somatischen Kollegen, die auf ihrem Fachgebiet eine MdE von 10 v. H. attestierten.

Den Beurteilungen von Dr. F. sei aus gutachterlicher Sicht im Wesentlichen zu folgen. Der Unfall mit den daraus resultierenden körperlichen Folgeschäden und dessen Konsequenzen sei als eine rechtlich maßgebliche wirksame Teilursache zu erachten gewesen. Ein seelischer Vorschaden sei nicht festgestellt worden. Diesen Ausführungen sei im Wesentlichen zu folgen, allerdings liege nach aktuell gutachterlicher Auffassung die MdE höher, nämlich bei 40 bis 60 v. H. Das vorliegende Krankheitsbild sei schwerer als eine mittelgradige Depression.

Im Hinblick auf die Begutachtung durch Dr. J. hätte damals mindestens die Diagnose einer mittelgradig bis schweren Depression gestellt werden können. Auch wenn sich die Depression aufgrund der eigenen Untersuchung bei Dr. J. zu diesem Zeitpunkt als mittelgradig präsentiert habe, wäre diese Erkrankung, die eine fluktuierende sei, bei der Beurteilung auch davorliegenden Episoden mit zu berücksichtigen gewesen. Schwere Episoden seien immer wieder nachvollziehbar dokumentiert. Die Diagnose chronischer Schmerz durch somatische und psychische Faktoren (F 45.41), was ja unterstelle, der Schmerz sei durch die Depression entstanden, sei unglücklich und durch die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung zu ersetzen. Richtig sei allerdings, das sich im späteren Verlauf die Symptome Schmerz und Depression wechselseitig bedingten und verstärkten.

Dr. S. habe den Kläger nicht gesehen und beschränke sich in seiner Kritik auf formale und inhaltliche Fehler. Zwar sei es tatsächlich schwierig zu unterscheiden, ob Dr. J. sich nur verformuliert habe oder sich nicht zu einer Feststellung habe durchringen können.

Die Beklagte hat nunmehr eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. Dr. W., Facharzt für Nervenheilkunde aus Bad Oeynhausen, vom 1. April 2010 eingereicht. In der genannten Stellungnahme von Dr. W. heißt es, dass nach der vorliegenden Begutachtungslage der Fachkollegen Dr. J. und Dr. N. bei dem Kläger anhaltende Symptome einer depressiven Symptomatik vorlägen, welche dem Grunde nach bereits im Verwaltungsbegutachtungsverfahren im Jahre 2010 durch den Fachkollegen Dr. F. beschrieben worden seien und sich in der Zeit seit 2010 schrittweise verschlechtert hätten. Hierbei sei das zusätzliche Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bei dem Kläger sowohl durch Dr. F. als auch Dr. J. verneint worden. Auch Dr. N. habe ausgeführt, dass bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung nicht vorliege. Insofern stelle sich aus beratungsärztlicher Sicht die diagnostische Bewertung der drei in dieser Angelegenheit tätigen Gutachter übereinstimmend insofern dar, als bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung nicht vorliege. Eine weitgehende diagnostische Übereinstimmung bestehe zwischen den Fachkollegen auch insofern, als bei dem Kläger eine rezidivierende depressive Störung vorliege, wobei seit 2010 eine kontinuierliche Verschlechterung derselben stattgefunden habe. Wäre dies als Unfallfolge zu bewerten, könnte die MdE derzeit durchaus mit 40 v. H. nach den für die gesetzlichen Unfallversicherung gültigen Schadenstabellen bewertet werden. Insofern gebe es hier bei Würdigung der gesamten Begutachtungslage aus beratungsärztlicher Sicht keine divergierende Bewertung. Der einzige Vorbehalt betreffe die Bewertung der Kausalität.

Auch im Hinblick auf die Ausführungen von Dr. N. hätten nämlich bei dem Kläger schon in der Zeit vor dem Unfall ausgeprägte Schmerzsymptome bestanden. Der Unfall selbst führe zunächst zu einer zunächst instabilen LWK-1-Fraktur, welche aber im Gefolge der chirurgischen Therapie letztlich stabil ausgeheilt und eine MdE für lediglich 10 v. H. bedinge. Hier stelle sich also die Frage der Kausalität insofern, inwieweit eigentlich ein letztendlich stabiler chirurgischer Verletzungsfolgezustand mit geringfügig messbarer MdE nun allgemein geeignet sein solle, nicht nur zu einer chronischen Schmerzkrankheit, sondern darüber hinaus auch zu einer sich kontinuierlich verschlechternden Depression im Ursachensinne zu führen. Man müsse berücksichtigen, dass seit dem Unfall aus dem Jahre 2008 nun 11 Jahre vergangen seien. Hier wäre bei einer stabil ausgeheilten Lendenwirbelkörperfraktur mit geringfügiger funktioneller Einschränkung dem Grunde nach eine weitgehende Stabilisierung des psychischen Befindens bei dem Kläger zu erwarten gewesen. Bei dem Kläger sei es aber stattdessen zu einer beständigen Ausweitung seiner Schmerzen und psychischen Probleme gekommen, und dies über Jahre hinweg. Dieser Verlauf bleibe im Bezug auf die Kausalität erklärungsbedürftig, zumal bei dem Kläger ja schon Schmerzsymptome in der Zeit vor dem Unfall vom Jahre 2008 bestanden hätten. Eine Ausheilung der Fraktur sei spätestens im Jahr 2009 erzielt worden, das Ausmaß der Depression habe sich im Jahre 2010 noch als leichtgradig ausgeprägt dargestellt und habe sich in den folgenden Jahren erheblich verschlechtert. Insofern sollte Dr. N. im Bezug auf die Kausalitätsbeurteilung noch einmal ergänzend Stellung nehmen.

Auf Anforderung des Senates hat Dr. N. seine ergänzende gutachterliche Stellungnahme im Hinblick auf die Ausführungen von Dr. W. unter dem 26. Dezember 2019 abgegeben. Hierin heißt es u. a., festzuhalten sei bei dem Kläger eine besondere Leistungsorientiertheit mit Ausbildung eines Wertesystems, welches zu einem hohen Anteil durch Arbeit bestimmt gewesen sei. Gerade deshalb hätten die schon vor dem Unfall vorliegenden degenerativen Veränderungen nicht zu Arbeitsunfähigkeit geführt. Bei dem Kläger sei es bei der vorliegenden Persönlichkeitsstruktur, die er nicht zu vertreten habe, gut verständlich, warum er die vor dem Unfall bestehenden Schmerzen nicht als wesentlich bemerkt habe, zudem lägen über die Qualität dieses Schmerzes keine ihm bekannten Einschätzungen vor. Jedenfalls hätten sie nicht zu Arbeitsunfähigkeit geführt. Der Unfall sei jedoch zumindest zu Beginn zusätzlich mit einer Arbeitsunfähigkeit verbunden gewesen. Diese Situation habe mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das Selbstwertgefühl und das Wertesystem des Klägers ins Wanken gebracht. Aus der Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger nicht mehr herausgefunden, was den Prozess weiter noch verstärkt habe. Auf diesem Boden sei die depressive Entwicklung eingetreten, die sich zunehmend von einem objektivbaren Schmerz gelöst habe. Er habe depressive Symptome entwickelt, was weiter zu einer subjektiven Schmerzverstärkung geführt habe und letztlich dann zusätzlich in der langjährigen Opioidabhängigkeit gemündet sei.

Seitens der Beklagten ist erneut eine Stellungnahme von Dr. W., diesmal vom 21. Oktober 2019, eingereicht worden. Die Ausführungen von Dr. N. seien insofern nachvollziehbar, als sich bei dem Kläger die vorliegende Schmerzsymptomatik auf der Grundlage des Selbstwertgefühles bzw. des Wertesystems und insofern der Persönlichkeit des Klägers entwickelt habe. Hierbei handele es sich aber letztlich um unfallunabhängige, persönlichkeitsimmanente Kausalfaktoren, welche vor allem auch die beständige Ausweitung des chronischen Schmerzsyndroms über die Jahre seit 2008 hinaus begründeten. Ein Unfallzusammenhang liege insoweit nicht vor.

Der Kläger äußert sich abschließend dahingehend, dass der Ansatz von Dr. W. für verfehlt gehalten werde. Eine Krankheitsanlage, Vorschaden oder eine unfallunabhängige Erkrankung lasse nicht per se das Vorliegen eines Arbeitsunfalles bzw. eine daraus resultierende MdE entfallen. Entscheidend sei allein, ob das Unfallereignis wesentliche Bedingung für das Entstehen der Erkrankung gewesen sei bzw. zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung geführt habe. Insoweit sei auch noch mal Dr. N. zu befragen.

Herr N. hat unter dem 1. Juli 2020 ergänzend auf Veranlassung des Senates ausgeführt, er könne nichts wesentlich Neues hinzufügen. Jeder Proband müsse individuell betrachtet werden, was geschehen sei. Es sei gut nachvollziehbar, warum das erlittene Trauma die beschriebene Kausalkette mit der Entstehung eines schweren Beschwerdebildes in Gang gesetzt habe; juristische Beurteilungen hierzu ständen ihm allerdings nicht zu. Ohne das hier zur Diskussion stehende Trauma sei die beschriebene Kausalkette nicht in Gang gesetzt worden; der Kläger habe sein Arbeitsleben so wie zuvor mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fortsetzen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten L 5 U 8/17 – S 14 U 75/14 (3 Bände) sowie auf den vorliegenden Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, wie das SG Stralsund in seinem Urteil vom 15. Dezember 2016 zu Recht entschieden hat.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente über den 15. Juni 2010 hinaus.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Verletztenrente. Zur Gewährung dieser Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist es – wie auch bei der Gewährung anderer Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung – erforderlich, dass u. a. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem (Unfall-)Ereignis und dem Eintritt eines Gesundheits-(erst)schadens besteht (sog. haftungsbegründende Kausalität) und zwischen diesem Gesundheits-(Erst)Schaden und den gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalles ebenfalls ein ursächlicher Zusammenhang gegeben ist (haftungsausfüllende Kausalität). Letzteres umfasst die Feststellung des Leistungsumfangs aufgrund des Versicherungsfalles. Für die zu beurteilenden Kausalzusammenhänge gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Frage, ob eine Mitursache für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den die Auffassung des täglichen Lebens gibt. Sowohl für die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein so deutliches Übergewicht zukommt, sodass hierauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann. Hingegen genügt die bloße Möglichkeit des Bestehens eines Kausalzusammenhanges nicht. Für den Nachweis des geltend gemachten Gesundheitsschadens ist hingegen der Vollbeweis erforderlich, d. h. eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (vgl. Becker, „Neues Prüfungsschema für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten“ in „Der medizinische Sachverständige“ 2010, Seite 145 ff. m. w. N. für die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG); vgl. auch BSGE 12, 242, 245; Urteil vom 12. April 2005 in SozR4-2700 § 8 Nr. 14).

Keiner weiteren Darstellung des Senates bedarf es, dass es sich bei dem Sturz des Klägers auf den Rücken am 16. Januar 2008 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) gehandelt hat, infolge dessen der Kläger einen Gesundheitserstschaden in Form einer Fraktur des ersten Lendenwirbelkörpers erlitten hat. Dies hat die Beklagte zu Recht auch in den angefochtenen Bescheiden gegenüber dem Kläger anerkannt.

Jedoch liegt die zweite Voraussetzung für die hier streitige Gewährung einer Verletztenrente ab dem 15. Juni 2010, nämlich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in einem rentenberechtigenden Grade von zumindest 20 v. H., nicht vor.

Bei dem Kläger lassen sich neben den von der Beklagten ausdrücklich anerkannten Gesundheitsstörungen in Form einer „unter Keilwirbelbildung und vorderer Höhenminderung knöchern fest verheilten Bruches des ersten Lendenwirbelkörpers mit Bewegungseinschränkungen und schmerzbedingten Beschwerden“ keine weiteren Gesundheitsschäden feststellen, die durch den genannten Arbeitsunfall im Sinne der wesentlichen Bedingung verursacht worden sind und den geltend gemachten Rentenanspruch für den streitbefangenen Zeitraum begründen können.

Vorab weist der Senat den Kläger darauf hin, dass es eine Art „Beweisregel“ dahingehend, dass die Sozialgerichte bzw. auch der erkennende Senat stets im Ergebnis den Bewertungen der medizinischen Sachverständigen zu folgen hätten, nicht gibt. Auch wenn, wie im vorliegenden Rechtsstreit, sich sogar zwei medizinische Sachverständigen und darüber hinaus auch der Verwaltungsgutachter Dr. F. im Ergebnis für die Annahme einer durch den Arbeitsunfall bei dem Kläger verursachten MdE in einem rentenberechtigendem Grade von zumindest 20 v. H. ausgesprochen haben, ist der Senat hieran nicht gebunden. Vielmehr entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Der Senat vermag aber, ebenso wie bereits das SG A-Stadt, den Bewertungen von Dr. F. und Dr. J. ebensowenig zu folgen wie den Schlussfolgerungen von Herrn N.. Deren Beurteilungen einer rentenberechtigenden MdE über den 15. Juni 2010 hinaus mit einer MdE von 20 v. H. (so Dr. J.) bzw. ab November 2010 mit einer MdE 40 v. H. (so Dr. F.) oder auch einer MdE von „40 bis 60 v. H.“ (so Herr N.) überzeugen den Senat nicht.

1.

Hierbei ist zunächst festzustellen, dass die anerkannten Gesundheitsstörungen des Klägers auf chirurgischem Fachgebiet nach den insoweit übereinstimmenden Bewertungen der Verwaltungsgutachter Prof. Dr. E. vom 23. Juli 2009, des Dr. D. vom 15. Juni 2010 und von Herrn M. (Gutachten vom 15. Juli 2013) keine rentenberechtigende MdE in Höhe von 20 v. H. ab dem 16. Juni 2010 bei dem Kläger bedingen. Hierzu herrscht auch zwischen den Beteiligten kein Streit. Insbesondere hat der Chirurg M. für den Senat überzeugend ausgeführt, dass die verbliebenen Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule des Klägers nicht die Annahme einer rentenberechtigenden MdE von zumindest 20 v. H. begründen können. Nach den Untersuchungsergebnissen liegt bei dem Kläger als Verletzungsfolge des genannten Arbeitsunfalles ein stabil verheilter Wirbelbruch vor, der keinen statisch wirksamen Achsenknick (Keilwirbel von >25°) oder eine bedeutsame verbliebene segmentale Instabilität hervorruft. Insoweit ist die Annahme einer rentenberechtigenden MdE, wie zuletzt M. unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 445 ff.) dargelegt hat, jedenfalls über den 15. Juni 2010 hinaus nicht gegeben. Das (strukturelle) Ausheilungsergebnis der damit verbundenen Funktionseinschränkungen und Schmerzen entsprechen nicht einem „rentenberechtigenden“ Ausheilungsergebnis. Andere Bewertungen bzw. Untersuchungsbefunde sind insoweit weder ersichtlich, geschweige denn geltend gemacht.

2.

Darüber hinaus vermag der Senat ebensowenig wie bereits das SG weitere Gesundheitsstörungen des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet als weitere gesundheitliche Unfallfolge festzustellen. Allein die Anerkennung solcher Verletzungsfolgen bzw. „seelischen Schäden“ des Klägers könnten die Annahme einer rentenberechtigenden MdE überhaupt nur rechtfertigen.

a)

Hervorzuheben ist, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung für alle als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen gilt; auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung von Verletztenrente ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörung, die bei dem Verletzten (noch) vorliegt. Hierbei sind die Gesundheitsschäden genau zu definieren, insbesondere ist die Störung durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnung möglichst exakt zu beschreiben. Darüber hinaus ist für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache festzustellen, dass es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann. Insoweit ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“; auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedrig zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat bzw. haben. Ausreichend ist also nicht ein rein naturwissenschaftlich-philosophischer Zusammenhang der Gestalt, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, d. h. nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Für die praktische Rechtsanwendung ist die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen notwendig (vgl. Urteil des BSG vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, m. w. N.).

b)

Bei dem Kläger liegen die von den Gutachtern bzw. Sachverständigen – zuletzt von Herrn N. – insoweit übereinstimmend diagnostizierten Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet in Form einer rezidivierenden depressiven Störung in unterschiedlichem Schweregrad und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Diese Gesundheitsstörungen wurden von den drei Gutachtern übereinstimmend anhand der Diagnosekriterien nach dem ICD-10 nachgewiesen. Der insoweit erforderliche sog. Vollbeweis bezüglich des Vorliegens dieser Erkrankung ist geführt. Hieran hegt der Senat auch angesichts der zuletzt vom Beratungsarzt der Beklagten Dr. Dr. W. geäußerten Überzeugung keinerlei Zweifel. Insoweit brauchte sich der Senat nicht mehr mit der lediglich pauschalen Kritik von Prof. Dr. S. im Hinblick auf den nach seiner Auffassung nach nicht geführten Nachweis im Hinblick auf das Vorliegen dieser genannten Erkrankungen näher auseinanderzusetzen. Ebenfalls bedurfte es keiner weitergehenden Auseinandersetzung des Senates mit der auch vom SG Stralsund in seinem Urteil geäußerten Zweifel an dem Vorliegen dieser Erkrankung bei dem Kläger. Der vom Senat gehörte Sachverständige Herr N. hat die bereits von den Vorgutachtern gestellten Diagnosen eindrucksvoll auch aufgrund einschlägiger Untersuchung bzw. Testung des Klägers nicht nur bestätigen können. Er hat darüber hinaus eine Opioid-Abhängigkeit (F 11.2) bei dem Kläger als weitere Gesundheitsstörung zur Überzeugung des Senates nachgewiesen. Diese weitere Erkrankung ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in Folge der beim Kläger bestehenden somatoformen Schmerzerkrankung als zusätzliche diagnostische Erkrankung gegeben.

c)

Der Senat hat sich auch nicht veranlasst gesehen, letztlich zu entscheiden, inwiefern sich nun die vorhandene depressive Störung und die bei dem Kläger festzustellende Schmerzerkrankung in zeitlicher Reihenfolge nach dem Unfallereignis entwickelt haben. Jedenfalls bedingen bzw. beeinflussen sich nach übereinstimmender Auffassung der gehörten Gutachter beide Erkrankung des Klägers gegenseitig, sodass auch für den Zeitraum ab 16. Juni 2010 nur eine einheitliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei dem Kläger hierfür angenommen werden kann und eine Trennung bzw. Aufgliederung der mit diesen Erkrankungen verbundenen funktionellen Einschränkungen nicht möglich ist. Keiner der gehörten Gutachter bzw. Sachverständigen hat bei der seelischen Erkrankung des Klägers eine weitergehende Differenzierung vorgenommen bzw. vornehmen können.

Daher erachtet es der Senat für nachvollziehbar, dass auch im Hinblick auf den (nicht gegebenen) ursächlichen Zusammenhang eine gesonderte Beurteilung bzw. differenziertes Ergebnis nicht angezeigt ist, wie Dr. J. und Herr N. ausführen. Auch Dr. F. hat insoweit keine einzelne MdE-Bewertung im Hinblick auf die von ihm genannten zwei Diagnosen vorgenommen. Soweit er als einziger Gutachter im Hinblick auf die somatoforme Schmerzstörung allerdings annimmt, dass diese als Unfallfolge deshalb anzunehmen sei, weil entsprechende Behandlungsmaßnahmen etc. von der Beklagten gewährt bzw. Kosten für diese übernommen worden seien, ist dies kein taugliches Kriterium zur Entscheidung über einen ursächlichen Zusammenhang im Sinne der eingangs genannten Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese allein von Dr. F. vorgetragene und nicht medizinische begründete Argumentation ist nicht geeignet, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der vorliegenden somatoformen Schmerzstörung bzw. mit den vorliegenden anerkannte gesundheitliche Folgen der Lendenwirbelsäulenfraktur begründen zu können.

d)

Der Senat ist nicht von dem Bestehen eines ursächlichen Zusammenhanges im eingangs genannten Sinne bezüglich der auf nervenärztlichen Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörung des Klägers überzeugt. Hierzu ist festzustellen, dass, sowohl Dr. F. als auch Dr. J. bzw. Herr N. letztlich ausführen, dass nicht das Unfallgeschehen in Form des Sturzes auf den Rücken oder auch die eingetretene Verletzung in Form der erlittenen LWK-Fraktur des Klägers bzw. auch der damit verbundene Heilungsverlauf oder etwa in diesem Zusammenhang stehende medizinische Behandlungsmaßnahmen die „seelische Erkrankung“ des Klägers wesentlich verursacht hat.

Es kann zwar – entgegen der von Dr. J. insoweit allein vertretenen Auffassung – nicht ein beim Kläger vorhandener „Vorschaden“ als wesentliche Ursache angesehen werden. Wie Dr. F. und auch Herr N. überzeugend dargelegt haben, bestand vor dem Unfall bei dem Kläger kein entsprechender „Vorschaden“, etwa im Sinne einer Depression oder somatoformen Schmerzstörung. Auch Dr. J. begründet seine Annahme bezüglich eines bei dem Kläger vorhandenen Vorschadens in Form einer bereits bestehenden Schmerzstörung allein aufgrund eines bildgebenden Befundes aus dem Jahre 2007 und meint damit, das Bestehen eines Vorschadens begründen zu können. Allein ein solcher radiologischer Befund lässt schon die Annahme eines Nachweises, im Sinne eines notwendigen Vollbeweises bezüglich des Bestehens eines entsprechenden Vorschadens bei dem Kläger nicht zu. Daher ist auch die allein von Dr. J. insoweit angenommene Bewertung einer bei dem Kläger aufgrund des Unfallereignisses eingetretenen Verschlimmerung aufgrund eines Vorschadens zur Überzeugung des Senates nicht gerechtfertigt bzw. nachvollziehbar. Der Sachverständige vermochte darüber hinaus auch nicht eine dann notwendige Abgrenzung der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen vorzunehmen. Denn nur ein verschlimmerungsbedingter Anteil bei dem Vorhandensein eines unfallunabhängigen Vorschadens könnte überhaupt seitens der Beklagten entschädigt bzw. im Rahmen einer MdE-Bewertung berücksichtigt werden.

Die nicht nur von Dr. F. sondern auch von Dr. J. und von Herrn N. angenommene kausale Verknüpfung des Arbeitsunfalles des Klägers mit den nachfolgend diagnostizierten Unfallfolgen auf nervenärztlichem Fachgebiet vermag aber allein schon deshalb nicht zu überzeugen, weil diese Zusammenhangsbeurteilung aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. So hat beginnend Dr. F., für den Senat insofern anschaulich, dargelegt, dass der Kläger letztlich dadurch „aus der Bahn geworfen wurde“, weil er unfallbedingt seine berufliche Tätigkeit nicht mehr habe verrichten können. Er nimmt eine Ursächlichkeit zumindest im Sinne einer wesentlichen Teilursache des Unfallgeschehens deshalb an, weil der Kläger aufgrund der körperlichen Unfallfolgen in Form der erlittenen LWK-Fraktur seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit als Heizungsmonteur nicht mehr nachgehen kann. Ähnlich bzw. übereinstimmend hierzu führt auch Herr N. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 26. September 2019 aus, dass eine besondere Leistungsorientiertheit mit Ausbildung eines Wertesystems bei dem Kläger bereits vor dem Unfall vorhanden war, welches zu einem hohen Anteil durch Arbeit bestimmt war. Insofern hätten die bereits vor dem Unfall vorliegende Gesundheitsstörungen in Form etwa degenerativer Veränderungen nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt; der Kläger sei aufgrund dieses Umstandes der Arbeitsunfähigkeit bzw. die Nichtwiedererlangung seines Arbeitsplatzes in einen entsprechenden „Teufelskreis“ geraten, weil er seinen Leistungsansprüchen (Arbeiten) nicht mehr habe gerecht werden können.

Dass mit dem Unfallgeschehen diese beschriebene „Kausalkette“ in Gang gesetzt worden ist, reicht, wie eingangs erwähnt, für die Annahme einer wesentlichen Ursache nicht aus, ebenfalls nicht ein zeitlicher Zusammenhang. Wie den Ausführungen von Dr. F. und Herrn N. zu entnehmen ist, messen diese dem – unfallbedingten – Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers gegenüber anderen Ursachen eine überragende Bedeutung für das Eintreten der psychischen Unfallfolgen in Form der Depression bzw. Schmerzerkrankung des Klägers zu.

Letztlich belegen die Ausführungen von Dr. F. und Herr N., aber, dass eine nach dem Unfallereignis sich entwickelnde psychische Störung wesentlich auf veränderte Lebensumstände zurückzuführen ist, nämlich auf den nach dem Unfall eingetretenen Arbeitsplatzverlust. Damit sind aber gerade keine psychischen Unfallfolgen im Sinne der wesentlichen Bedingung anzuerkennen (vgl. Schönberger u. a., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 169 m. w. N.; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. August 2015, L 8 U 64/10, Rz. 59 nach juris). Die weiteren Gesundheitsstörungen bei dem Kläger sind eben nicht durch einen Gesundheitserstschaden oder eine gesundheitliche Unfallfolge oder aufgrund etwa einer unzureichenden Heilbehandlung der Verletzungsfolgen verursacht worden. Rechtlich relevante Glieder der Kausalkette sind, wie aus § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zu folgern ist, aber nur Gesundheitsschäden und kein Arbeitsplatzverlust.

Zwar trifft der Hinweis des Klägers grundsätzlich zu, dass jeder in „dem Zustand“ versichert ist, in dem er sich zum Zeitpunkt eines Arbeitsunfalles befindet. Dies besagt jedoch nichts im Hinblick darauf, ob der gesundheitliche Folgeschaden, der für den hier geltend gemachten Entschädigungsanspruch in Form einer Verletztenrente unabdingbar ist, wesentlich durch das Unfallgeschehen (auch in Form eines sog. Erstschadens) verursacht wurde. Letzteres liegt gerade nach den insoweit plausiblen Ausführungen von Dr. F. und Herr N. gerade nicht vor. Vielmehr kommt dem Arbeitsplatzverlust des Klägers in Folge des eingetretenen Gesundheitserstschadens (LWK-Fraktur) – wie oben angeführt – für das Entstehen der „seelischen Erkrankung“ die überragende Bedeutung zu. Gerade die in den Gutachten von Dr. F. und von Herrn N. dargestellten Ausführungen zu der entscheidenden Verursachung von weiteren Gesundheitsschaden des Klägers außerhalb des chirurgischen Fachgebietes aufgrund des eingetretenen Arbeitsplatzverlustes lassen mithin die Annahme eines ursächlichen Zusammenhanges schon aus rechtlichen Gründen nicht zu.

Der Umstand, dass dieser Arbeitsplatzverlust bzw. die eingetretene fehlende Fähigkeit zur Ausübung des bisherigen Berufes dem Kläger nicht anzulasten ist, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines ursächlichen Zusammenhanges im eingangs genannten Sinne. Der Senat kann es auch deshalb dahingestellt sein lassen, welcher (unterschiedlichen) MdE-Bewertung der drei Gutachter in Form der Annahme einer MdE von 20 v. H. (so Dr. J.) bzw. 40 v. H. (so Dr. F.) bzw. einer MdE bis zu 60 v. H. (so Herr N.) zu folgen ist und ob insbesondere der MdE-Bewertung von Dr. J. aber auch Dr. F. mit dem Grundsatz der Unteilbarkeit einer unfallbedingten MdE überhaupt zu vereinbaren wäre. Beide Gutachter nehmen letztlich eine „Herabstufung“ der MdE u. a. deshalb vor, weil sie die entsprechenden Testergebnisse jedenfalls teilweise nicht für valide bzw. aussagekräftig halten. Dies bedarf aber keiner weiteren Abklärung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) waren für den Senat nicht ersichtlich.

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