Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat eine Verletztenrente von 20 Prozent bestätigt, da keine ausreichenden medizinischen Befunde für eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegen. Der Kläger muss sich damit zufriedenstellen, dass seine Rente auf Basis einer MdE von 20 Prozent weiterhin gewährt wird. Die Entscheidung unterstreicht die=hohen Anforderungen an die Beweisführung bei der Feststellung von MdE im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung.
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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Verletztenrente nach Arbeitsunfall: Gerichtsurteil bestätigt MdE von 20 Prozent
- ✔ Der Fall vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Verletztenrente nach Arbeitsunfall
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
✔ Kurz und knapp
- Der Kläger erlitt 2016 einen Arbeitsunfall mit Knieverletzung und erhielt zunächst 30%, später 20% Verletztenrente.
- Nach weiteren Operationen und Begutachtungen bestand Streit über die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
- Das Gericht folgte der Einschätzung des Sachverständigen Dr. G., der trotz Bewegungseinschränkungen und Instabilität aufgrund des funktionellen Befunds eine MdE von nur 20% annahm.
- Neuere medizinische Befunde rechtfertigten keine höhere MdE-Bewertung als 20%.
- Entscheidend für die MdE-Bewertung ist der funktionelle, nicht nur der bildgebende Befund.
- Hohe Beweisanforderungen an Gesundheitsstörungen, die der MdE zugrunde liegen.
Verletztenrente nach Arbeitsunfall: Gerichtsurteil bestätigt MdE von 20 Prozent
Verletzungen durch Arbeitsunfälle können für Betroffene schwerwiegende Folgen haben. Nicht nur die körperlichen Schäden, sondern auch die finanziellen Konsequenzen können eine große Belastung darstellen. In solchen Fällen können Arbeitnehmer Anspruch auf eine sogenannte Verletztenrente haben, die sie vor den wirtschaftlichen Auswirkungen des Unfalls schützen soll.
Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür sind jedoch komplex und nicht immer leicht zu erfüllen. Entscheidend sind unter anderem die Art und Schwere der Verletzung, das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit sowie der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und gesundheitlichen Folgen. Nicht selten kommt es daher zu Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Unfallversicherungsträgern über die korrekte Bemessung der Rente.
Im folgenden Beitrag werden wir uns genauer mit einem konkreten Gerichtsurteil zu diesem Thema befassen. Dabei werden wir die wesentlichen Erkenntnisse und Anforderungen an den Rentenanspruch infolge eines Arbeitsunfalls herausarbeiten.
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✔ Der Fall vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Fallzusammenfassung: Verletztenrente nach Arbeitsunfall
Der vorliegende Rechtsstreit betrifft einen im Jahr 1997 geborenen Kläger, der während einer Klassenfahrt am 18. Februar 2016 beim Skifahren stürzte und dabei erhebliche Verletzungen am rechten Knie erlitt. Die Verletzungen umfassten eine Ruptur des vorderen Kreuzbands und einen Riss des Außenmeniskushinterhorns, was mehrfache operative Eingriffe nach sich zog, darunter eine Revisions-Kreuzbandplastik und weitere Arthroskopien. Trotz umfangreicher medizinischer Maßnahmen verbesserte sich der Zustand des Klägers nicht wesentlich, was zu langfristigen Bewegungseinschränkungen und Schmerzen führte. Der Kläger beantragte daraufhin eine Verletztenrente, die vom zuständigen Versicherungsträger zunächst zeitlich gestaffelt und dann auf unbestimmte Zeit gewährt wurde, allerdings nur in Höhe von 20 Prozent der Vollrente. Der Kläger sah seine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Unfallfolgen als höher an und strebte eine Erhöhung der Rente an.
Rechtliche Auseinandersetzung und Entscheidungen der Instanzen
Der Fall wurde zunächst vom Sozialgericht Osnabrück behandelt, welches eine teilweise Erhöhung der Rente für einen begrenzten Zeitraum anerkannte, jedoch die dauerhafte Erhöhung der MdE abwies. Der Kläger legte daraufhin Berufung beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ein. Die Entscheidung des Sozialgerichts basierte auf mehreren orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten, die unterschiedliche Einschätzungen zur MdE des Klägers gaben. Während ein Gutachter eine Erhöhung der MdE auf 30 Prozent für gerechtfertigt hielt, sahen andere Experten keinen Anlass für eine solche Anpassung, da sie keine ausreichenden Beweise für eine dauerhafte und signifikante Verschlechterung des Zustandes fanden.
Urteil des Landessozialgerichts und rechtliche Begründung
Das Landessozialgericht wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass die Beurteilungen des erstinstanzlichen Gerichts sowie der herangezogenen medizinischen Sachverständigen zutreffend seien. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass eine höhere MdE als 20 Prozent nicht hinreichend durch medizinische Befunde belegt werden könne, die eine dauerhafte und erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nachweisen würden. Es wurde betont, dass alle medizinischen Bewertungen und die damit verbundenen rechtlichen Einschätzungen ausschließlich auf nachweisbaren und funktionalen Befunden beruhen müssen.
Rechtliche Folgen der Entscheidung
Das Gericht lehnte eine Revision ab, was bedeutet, dass die Entscheidung rechtskräftig ist. Der Kläger erhält somit weiterhin eine Verletztenrente auf Basis einer MdE von 20 Prozent. Die Kosten des Verfahrens wurden nicht erstattet, und jede Partei muss ihre eigenen Kosten tragen. Diese Entscheidung verdeutlicht die strengen Anforderungen, die an die Beweisführung bei der Feststellung von MdE im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt werden. Die Gerichte verlangen klare und eindeutige medizinische Beweise, die eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen Funktionen bestätigen müssen.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass die Verletztenrente des Klägers zu Recht auf 20 Prozent der Vollrente festgelegt wurde. Entscheidendes Kriterium war die unzureichende Beweislage für eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Das Urteil verdeutlicht, dass für die Feststellung der MdE im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung strenge Anforderungen an die Beweisführung gelten. Klare und eindeutige medizinische Befunde sind erforderlich, um eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen Funktionen und damit eine höhere MdE zu belegen.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Verletztenrente nach Arbeitsunfall
Was versteht man unter einer Verletztenrente und wer hat Anspruch darauf?
Die Verletztenrente ist eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie wird an Versicherte gezahlt, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20% gemindert ist. Eine Ausnahme gilt bei Versicherungsfällen ab dem 1. Januar 2008 bei landwirtschaftlichen Unternehmern, deren Ehegatten und Familienangehörigen. Hier ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 30% Voraussetzung für einen Rentenanspruch.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Entscheidend ist also der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur dann zu berücksichtigen, wenn die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10% gemindert ist.
Anspruch auf die Verletztenrente haben alle in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen, deren Erwerbsfähigkeit die genannten Voraussetzungen erfüllt. Dies sind insbesondere Arbeitnehmer, aber auch bestimmte Unternehmer und weitere kraft Gesetzes versicherte Personen.
Die Entscheidung, ob eine Verletztenrente gewährt wird, erfolgt im Rentenausschuss des zuständigen Unfallversicherungsträgers, in der Regel der Berufsgenossenschaft. Dabei werden langjährige Erfahrungswerte herangezogen, welche Verletzungen zu welchem Grad der Erwerbsminderung führen.
Wie wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt?
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wird von den Unfallversicherungsträgern, in der Regel den Berufsgenossenschaften, festgestellt. Entscheidend ist dabei, wie sehr die infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit eingetretene Minderung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens die Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens einschränkt.
Es erfolgt also ein Vergleich der Arbeitskraft bzw. Leistungsfähigkeit vor und nach dem Versicherungsfall. Dabei kommt es auf den Umfang der sich aus der Beeinträchtigung ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an, nicht auf den bisher ausgeübten Beruf. Der Grad der MdE wird in Prozent angegeben.
Bei der Bemessung der MdE werden neben den funktionellen Einschränkungen auch Nachteile berücksichtigt, die Versicherte dadurch erleiden, dass sie bestimmte erworbene berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch vermindert nutzen können. Dies gilt jedoch nur, soweit solche Nachteile nicht durch andere zumutbare Fähigkeiten ausgeglichen werden können.
Im Laufe der Zeit haben sich durch Praxis und Rechtsprechung für die Bewertung der MdE Erfahrungswerte gebildet, die in sogenannten MdE-Tabellen dargestellt werden. Diese sollen bei vergleichbaren Körperschäden eine Gleichbehandlung der Verletzten ermöglichen. Eine schematische Anwendung darf aber nicht erfolgen, es ist immer auf die Gegebenheiten des Einzelfalls abzustellen.
Die Entscheidung über die Höhe der MdE trifft der Rentenausschuss des Unfallversicherungsträgers. Dabei werden ärztliche Gutachten und die genannten Erfahrungswerte herangezogen. Folgen eines Versicherungsfalls werden nur berücksichtigt, wenn die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10% gemindert ist.
In welchen Fällen kann die Höhe der Verletztenrente angepasst werden?
Die Höhe der Verletztenrente kann in folgenden Fällen angepasst werden:
Verschlimmerung der Gesundheitsschäden
Wenn sich die durch den Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) bedingten Gesundheitsschäden wesentlich verschlimmern, kann dies zu einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und somit zu einer höheren Verletztenrente führen. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist dafür Voraussetzung.
Befristete Rente wird auf Dauer festgestellt
Die Verletztenrente wird zunächst für drei Jahre als vorläufige Entschädigung festgestellt. Innerhalb dieser Zeit kann der MdE-Grad jederzeit neu festgesetzt werden. Nach Ablauf der drei Jahre muss die Rente auf unbestimmte Zeit neu bemessen werden. Dabei kann sich die Höhe ändern.
Neue Erkenntnisse zur Bemessung der MdE
Ergeben sich neue Erkenntnisse zur Bemessung der MdE, etwa durch Änderungen der Erfahrungswerte in den MdE-Tabellen, kann dies ebenfalls zu einer Anpassung der Verletztenrente führen. Die Rente wird dann der neuen Bewertung der Funktionseinschränkungen angepasst.
Änderung des Jahresarbeitsverdienstes
Da die Verletztenrente auf Basis des Jahresarbeitsverdienstes vor dem Versicherungsfall berechnet wird, führt eine Anpassung dieses Wertes auch zu einer Änderung der Rentenhöhe. Die Renten werden jährlich der Einkommensentwicklung angepasst.
Wichtig ist, dass Anpassungen der Verletztenrente nur für die Zukunft gelten. Eine rückwirkende Änderung ist nicht möglich. Außerdem muss bei einer Herabsetzung der Vertrauensschutz gewahrt bleiben.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Sozialgerichtsgesetz (SGG), insbesondere §§ 153 Abs. 4, 142 Abs. 2 Satz 3, 193, 160 Abs. 2: Dieses Gesetz regelt das Verfahren vor den Sozialgerichten in Deutschland. § 153 Abs. 4 SGG ermöglicht es, in bestimmten Fällen durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, was im vorliegenden Fall angewendet wurde. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG betont die Bedeutung des Urteils der ersten Instanz für das Berufungsgericht, und § 193 regelt die Kostenentscheidung, wonach die Kosten des Verfahrens normalerweise von der unterliegenden Partei zu tragen sind. § 160 Abs. 2 beschreibt die Voraussetzungen, unter denen die Revision zulässig ist.
- Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) – Gesetzliche Unfallversicherung: Dieses Buch regelt die Ansprüche und Voraussetzungen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, zu der auch die Verletztenrente gehört. Esdefiniert, was als Arbeitsunfall gilt und welche Leistungen bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch Arbeitsunfälle zur Verfügung stehen.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Obwohl im spezifischen Text nicht direkt erwähnt, spielt das AGG eine Rolle in der Bewertung von Arbeitsunfällen und deren Folgen, insbesondere im Hinblick auf die Nichtdiskriminierung von Personen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, die durch Arbeitsunfälle entstanden sind.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere Schadensersatzrecht: Das BGB kann in Fällen von Arbeitsunfällen relevant sein, wenn es um zivilrechtliche Ansprüche gegenüber Dritten geht, beispielsweise wenn ein Arbeitsunfall auf Fremdverschulden zurückzuführen ist.
- Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere Artikel 6: Dieser Artikel gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren. In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten und sozialgerichtlichen Verfahren in Deutschland muss daher sichergestellt sein, dass die Verfahrensrechte der Parteien gewahrt bleiben.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Az.: L 6 U 69/22 – Beschluss vom 14.08.2023
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 23. März 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist höhere Verletztenrente.
Der im Jahr 1997 geborene Kläger stürzte am 18. Februar 2016 auf einer Klassenfahrt beim Skifahren (Unfallanzeige vom 22. Februar 2016). Dabei erlitt er eine vordere Kreuzbandruptur rechts mit Riss des Außenmeniskushinterhorns, die operativ versorgt wurde (Krankenbericht vom 15. März 2016). Da sich die Beschwerden nicht besserten, erfolgte Ende des Jahres 2016 eine Revisions-Kreuzbandplastik (Krankenbericht vom 24. Dezember 2016), die keine wesentliche Besserung brachte. Deshalb wurde die weitere Arthroskopie vom 18. August 2017 erforderlich (Krankenbericht vom 21. August 2017), an die sich eine medizinische Rehabilitation anschloss (erster Reha-Plan vom 1. September 2017). Nach Anhörung des Klägers beauftragte der Beklagte zur Feststellung der Unfallfolgen drs F. mit der Erstattung der unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten nach ambulanter Untersuchung vom 27. März 2017 und 11. Januar 2018. Darauf gestützt erkannte er als Folgen des Arbeitsunfalls vom 18. Februar 2016 an: Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk, Kraft- und Umfangsverminderung am rechten Oberschenkel, geringe vordere Instabilität des rechten Kniegelenkes, Narbenbildung nach operativer Behandlung am rechten Knie sowie leichte Belastungsminderung im rechten Bein nach operativ, mittels VKB-Plastik versorgter vorderer Kreuzbandruptur rechts mit Außenmeniskusteilresektion unter nachfolgender Revisions-VKB-Plastik rechts und bewilligte mit dem Bescheid vom 27. Februar 2018 Rente als vorläufige Entschädigung ab dem 19. Februar 2016 gestaffelt, ab dem 10. Mai 2016 bis zum 9. Oktober 2017 in Höhe von (iHv) 30 vom Hundert (vH) und danach iHv 20 vH der Vollrente. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. September 2018).
Gegen die am 25. September 2018 zur Post gegebene Entscheidung hat der Kläger am 26. Oktober 2018 vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück Klage erhoben.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 23. Oktober 2018, den er am 24. Oktober 2018 zur Post gegeben hat, Verletztenrente auf unbestimmte Zeit in unveränderter Höhe bewilligt. Der Entscheidung zugrunde hat das nach ambulanter Untersuchung erstattete unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des drs F. vom 8. Oktober 2018 gelegen. Der Gutachter hat im Vergleich zur Gegenseite eine Streckminderung von 10 Grad und eine Beugeminderung von 25 Grad sowie eine allenfalls leicht- bis mäßiggradige Instabilität von 1- bis 2fach plus erhoben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hat er unverändert auf 20 vH eingeschätzt.
In den Monaten April und Oktober 2019 hat der Kläger erneut operiert werden müssen (Krankenberichte vom 30. April und 12. November 2019).
Anschließend hat das SG das nach ambulanter Untersuchung erstattete orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten des Dr G. vom 1. April 2020 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Minderbelastbarkeit des rechten Kniegelenks mit wiederkehrenden Bewegungs- und Belastungsarthralgien, endgradiger Bewegungsbeeinträchtigung, Muskelminderung sowie endgradiger Bandinstabilität nach wiederholt durchgeführter vorderer Kreuzbandersatzplastik und Entwicklung eines anlaufenden degenerativen Kniegelenkschadens sowie gefühlsgeminderter Narbenbildungen diagnostiziert und ausgeführt: Nach Durchführung der vorderen Kreuzbandersatzplastik am 8. März 2016 sei es zu einem verlängerten Heilungsverlauf mit der Notwendigkeit weiterer operativer Maßnahmen, zuletzt am 8. Oktober 2019 gekommen. Die Eingriffe seien aufgrund immer wieder auftretender Beschwerdezunahmen und Instabilitäten, die trotz umfangreicher physiotherapeutischer Maßnahmen nicht hätten aufgefangen werden können, erfolgt. Nach der nunmehr letzten stabilisierenden Operation bestehe noch eine endgradige Einschränkung der Kniegelenkbeweglichkeit bei guter Kniebandführung ohne Nachweis beurteilungsrelevanter Instabilitäten und bei noch geringgradiger Minderung der Oberschenkelmuskulatur rechts gegenüber links um 2 cm. Nach den Beurteilungskriterien der gesetzlichen Unfallversicherung erfolge die Beurteilung von Unfallschäden unter rein funktionellen Aspekten. Deshalb lasse sich aus gutachterlicher Sicht ab dem 27. März 2017 eine höhere MdE als 20 vH nicht begründen. Eine Verschlechterung der Situation sei mit der Vorstellung im Universitätsklinikum H. am 19. März 2019 dokumentiert. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich eine Kniebandlockerung und eine deutliche Einschränkung der Kniegelenkbeweglichkeit gefunden. Deshalb seien stationäre Behandlungen zur Durchführung einer arthroskopischen Operation erfolgt. Die dazu dokumentierten Untersuchungsbefunde rechtfertigten bis zur aktuellen Untersuchung am 30. März 2020 eine MdE um 30 vH.
Anschließend hat das SG auf Antrag des Klägers das nach ambulanter Untersuchung erstattete orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten des Prof Dr I. vom 7. Dezember 2020 eingeholt. Der Sachverständige hielt ein geringes Streckdefizit des rechten Kniegelenkes mit schmerzhaftem Beugedefizit ab 90 Grad und eine Eins-Plus-Kreuzbandinstabilität rechts fest. Die MdE schätzte er ab dem 10. Mai 2016 auf Dauer auf 30 vH. Zur Begründung führte er aus: Unter Berücksichtigung der anerkannten Erfahrungssätze erreiche die Beweglichkeitseinschränkung eine MdE um 20 vH. Die beim Kläger zusätzlich festzustellende Belastungsinsuffizienz des Kniegelenkes führe nachvollziehbar zur Notwendigkeit des Tragens einer Knieführungsschiene, wobei grundsätzlich festzustellen sei, dass der Kläger sich auf das rechte Kniegelenk nicht mehr verlassen könne. Als Standbein falle es im zuverlässigen Gebrauch aus, die Muskulatur kompensiere von Anfang an nicht die längerfristig bereits bekannte dynamische Instabilität. Somit sei die Nutzbarkeit des Kniegelenkes über den Umstand der ausschließlichen Beweglichkeitseinschränkung hier mit 0-10-90 Grad weiter eingeschränkt und erreiche aufgrund der als erwiesen anzusehenden Unzuverlässigkeit den in den Erfahrungssätzen angegebenen Wert von 30 vH.
Dem ist der Sachverständige Dr G. in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2021 entgegengetreten: Die von Prof Dr I. übermittelten Befundergebnisse ließen sich weder beim Vergleich zu vorausgegangenen noch im Vergleich zu nachfolgenden Untersuchungen bestätigen. Eine gezielte Überprüfung der Bandstabilität sei nicht erfolgt.
Demgegenüber hat der Sachverständige Prof Dr I. in der ergänzenden Stellungnahme vom 3. August 2021 an seiner MdE-Schätzung festgehalten: Er habe nicht von einer Knieinstabilität, sondern von einem komplexen frustranen klinischen Ergebnis mit dynamischem Instabilitätsgefühl berichtet. Die MdE sei deshalb nicht allein nach dem Bewegungsumfang zu bewerten.
Das SG ist der Beurteilung des Sachverständigen Dr G. gefolgt und hat den Beklagten durch Urteil vom 23. März 2022 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 19. März 2019 bis 29. März 2020 Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Denn die Ausführungen des Sachverständigen Prof Dr I. überzeugten nicht: Nach den Berichten des UKE über die ambulanten Vorstellungen am 10. Juni und 4. September 2020 habe eine freie Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes bestanden. Auch Hinweise für eine zentrale oder seitliche Instabilität hätten sich nicht gefunden. Die Außen- und Innenbänder seien in der Stabilitätsprüfung seitengleich und ohne pathologische Aufklappbarkeit gewesen.
Gegen das am 30. März 2022 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. April 2022 eingelegte Berufung, die der Kläger auf die Beurteilung des Sachverständigen Prof Dr I. und auf überreichte aktuelle medizinische Befunde, insbesondere den Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des UKE über die erneut erforderliche Operation am 20. Dezember 2022, die für diese Beurteilung sprächen, stützt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß, das Urteil des SG Osnabrück vom 23. März 2022 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, Verletztenrente über den 9. Oktober 2017 hinaus und auf unbestimmte Zeit in Höhe von 30 vH der Vollrente zu zahlen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Osnabrück vom 23. März 2022 zurückzuweisen.
Der Vorsitzende hat die Beteiligten durch Verfügung vom 29. März 2023 darauf hingewiesen zu beabsichtigen, dem Senat vorzuschlagen, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Er halte eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich und gebe Gelegenheit zur Stellungnahme, die der Kläger mit den Schriftsätzen vom 17. und 19. April 2023 genutzt hat.
Dem Senat haben neben den Prozessakten die Unfallakten des Beklagten vorgelegen. Sie sind Grundlage der Entscheidung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und somit insgesamt zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hält das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Entscheidung konnte deshalb durch Beschluss ergehen, § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Das SG hat die Klage, soweit sie auf Zahlung von Verletztenrente in Höhe von 30 vH der Vollrente auch für die Zeit vor dem 19. März 2019 und nach dem 29. März 2020 gerichtet ist, zu Recht abgewiesen. Der Senat folgt den überzeugenden und im Einzelnen zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, § 142 Abs 2 Satz 3 SGG. Lediglich im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ist auszuführen:
Bereits das SG hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Gesundheitsstörung, die der Bewertung der MdE zugrunde liegt, als solche voll, dh mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein muss. Lediglich für die Prüfung des Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Versicherungsfall genügt der Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit. Unter Berücksichtigung der von dem Sachverständigen Dr G. und den im UKE erhobenen Befunden können die von dem Sachverständigen Prof Dr I. erhobenen Befunde nicht als gesichert angesehen werden. Auch der im Berufungsverfahren überreichte Entlassungsbericht beschreibt keine Instabilität und eine gute Mobilisation nach dem erneuten operativen Eingriff am 20. Dezember 2022, die im letzten hier vorliegenden Durchgangsarztbericht vom 18. Juli 2023 mit 90 Grad bei stabilen Seitenbändern bestätigt worden ist und die die rentenberechtigende MdE um 20 vH rechtfertigt. Demgegenüber führt der aktuelle MRT-Befund vom 14. April 2023 nicht weiter. Denn entscheidend ist – darauf hat bereits der Sachverständige Dr G. aufmerksam gemacht – der funktionelle Befund.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) liegt nicht vor. –