Bayerisches Landessozialgericht – Az.: L 13 R 449/10 – Urteil vom 26.07.2011
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 19. April 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1955 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin, bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina, arbeitete nach ihren eigenen Angaben im ehemaligen Jugoslawien von Oktober 1973 bis November 1977 als Schneiderin und von Mai 1982 bis Dezember 1988 als Hilfsköchin. Nach Abschluss einer Ausbildung als Köchin für internationale Küche war sie von Juni 1989 bis Oktober 1992 in Deutschland im erlernten Beruf tätig. Zuletzt war sie von Oktober 1992 bis November 2000 bei der Stadt B-Stadt als Servicemitarbeiterin/Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Am 22. November 2000 wurde sie aus Deutschland abgeschoben. Seitdem war die Klägerin nicht mehr beschäftigt. Der letzte Pflichtbeitrag ist für die Klägerin im November 2000 vorgemerkt.
Am 8. September 2006 beantragte die Klägerin beim damaligen serbischen Rentenversicherungsträger in B. die Gewährung einer Invalidenpension. Der Antrag wurde (zunächst) nicht an die Beklagte weitergeleitet. Der serbische Rentenversicherungsträger holte ein Gutachten der Gutachterstelle vom 7. November 2006 ein. Bei der Untersuchung gab die Klägerin an, am 29. Juli 2004 in A-Stadt an einem Dickdarmkarzinom operiert worden zu sein. Sie klagte über allgemeine Schwäche und Mattigkeit sowie Magenschmerzen. Die Gutachterkommission kam zu dem Ergebnis, die Klägerin sei ab dem Tag der Untersuchung am 7. November 2006 für alle Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt völlig und auf Dauer erwerbsunfähig. Daraufhin gewährte der (damals) serbische Versicherungsträger mit Bescheid vom 19. April 2007 ab 7. November 2006 eine Invaliditätspension.
Im Rahmen eines Deutschlandbesuchs beantragte die Klägerin am 20. August 2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte geltend, seit 2000 aufgrund Depressionen und Krebs erwerbsgemindert zu sein. Die Beklagte lehnte mit angefochtenem Bescheid vom 18. September 2007 den Antrag ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 20. August 2002 bis 19. August 2007 sei kein Kalendermonat mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden. Auch sei der Zeitraum vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin unter Vorlage diverser Befundberichte geltend, bereits seit Oktober 2000 erwerbsgemindert zu sein. Zu diesem Zeitpunkt habe sie sich einer Operation an der Harnblase in einem F. Krankenhaus unterzogen. Aufgrund dieser Erkrankungen und des Abschiebungsverfahrens sei sie psychisch zusammengebrochen. Sie habe an Gelenkentzündungen, Depressionen sowie Gesundheitsstörungen am Harnleiter und an der Harnblase gelitten. Am 29. Juli 2004 sei sie an einem Dickdarmkarzinom operiert worden. Sie sei ununterbrochen krank gewesen.
Die Beklagte zog daraufhin vom serbischen Versicherungsträger das Gutachten vom 7. November 2006 sowie weitere Befundberichte bei. Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten stellte fest, dass die Klägerin seit der Krankenhausaufnahme am 26. Juli 2004 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter 2 Stunden Arbeiten verrichten könne.
Nachdem die Beklagte mittlerweile von dem Antrag der Klägerin beim serbischen Versicherungsträger auf Invalidenpension vom 18. September 2006 Kenntnis erlangt hatte, lehnte sie mit weiterem angefochtenen Bescheid vom 20. Januar 2009 diesen Rentenantrag ebenfalls ab. Zwar sei die Klägerin seit 26. Juli 2004 voll erwerbsgemindert. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Im maßgeblichen Zeitraum 26. Juli 1999 bis 25. Juli 2004 seien insgesamt nur 17 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden. Im Zeitraum 1. Januar 1984 bis 30. Juni 2004 sei auch nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Unbelegt seien die Monate Januar 1984 bis Mai 1989 und Dezember 2000 bis Juni 2004. Der Bescheid wurde zum Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens erklärt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 18. September 2007 und 20. Januar 2009 zurück. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung am 26. Juli 2004 lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. Es wurde darauf verwiesen, dass die allgemeine Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 nicht erfüllt sei. Es sei auch kein Tatbestand der vorzeitigen Wartezeiterfüllung gegeben. Im maßgebenden Fünfjahreszeitraum seien lediglich 17 Monate mit Pflichtbeiträgen für die Klägerin verzeichnet.
Zur Begründung der bereits am 10. Februar 2009 erhobenen Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) hat die Klägerin darauf verwiesen, sie sei von der Ausländerbehörde zu Unrecht ausgewiesen worden. Sie sei abgeschoben worden, obwohl sie sehr krank gewesen sei. Sie sei kaum reisefähig gewesen. Es habe sich um eine totale Unterleibsoperation gehandelt. Sie habe auch einen Kniescheibenbruch erlitten sowie eine schlimme Darmoperation. Sie hat diverse Befundberichte aus dem Jahr 1999 und 2000 vorgelegt, hierbei insbesondere Berichte über die Unterleibsoperation am 12. September 2000 im evangelischen Diakoniekrankenhaus B-Stadt und deren weiterer Nachsorge sowie Befundberichte des Internisten G. und des Neurologen und Psychiaters Dr. I..
Die Beklagte hat hierzu erklärt, der Eintritt von Erwerbsminderung vor Juli 2004 lasse sich hieraus nicht ableiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. April 2010 hat das SG daraufhin die Klage gegen den Bescheid vom 18. September 2007 in der Form des Bescheids vom 20. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2009 abgewiesen. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung am 26. Juli 2004 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Im maßgeblichen Zeitraum 26. Juli 1999 bis 25. Juli 2004 seien nur 17 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Die Regelung des § 241 SGB VI sei nicht einschlägig, da die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten vor dem 1. Januar 1984 nicht erfüllt sei. Auch seien nicht alle Monate ab 1. Januar 1984 bis zu dem Monat vor dem Eintritt der Erwerbsminderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Eine Nachentrichtung von Beiträgen sei nur noch für Zeiten ab 1. Januar 2008 möglich. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für einen Eintritt der Erwerbsminderung aufgrund eines Arbeitsunfalles oder eine Berufskrankheit vor, so dass die Wartezeit nicht vorzeitig erfüllt sei. Zu einem früheren Zeitpunkt sei die Erwerbsminderung nicht eingetreten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des serbischen Versicherungsträgers vom 7. November 2006. Danach sei Erwerbsminderung durch den im Juli 2004 diagnostizierten Dickdarmtumor eingetreten. Die noch in Deutschland diagnostizierten Leiden bedingten keine Erwerbsminderung. Auch bestehe kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Klägerin habe keinen Berufsschutz als Facharbeiterin.
Mit der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht erhobenen Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und um eine ärztliche Untersuchung gebeten.
Der Senat hat Befundberichte des Orthopäden Dr. F., des Neurologen und Psychiaters Dr. I. und der Internistin Dr. J. sowie eine Arbeitgeberauskunft bei der Stadt B-Stadt beigezogen. Er hat gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens nach Aktenlage durch Dr. C. vom 5. Mai 2011.
Dieser hat bei der Klägerin bis zum maßgeblichen Zeitpunkt Dezember 2002 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Rezidivierende depressive Verstimmungszustände, Anpassungsstörung
2. Zustand nach gynäkologischer Senkungsoperation im Jahr 2000 wegen Inkontinenzerscheinungen
3. Zustand nach Meniskusoperation links 1999
4. Degeneratives LWS-Syndrom ohne nachgewiesene Nervenwurzelreizerscheinungen bzw. ein nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit.
Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin noch in der Lage gewesen, leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen auszuüben. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten unter Zeitdruck und Nachtschichttätigkeiten gewesen. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte hätten nicht bestanden. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin auf eine andere Tätigkeit sei nicht eingeschränkt gewesen. Weitere fachärztliche Untersuchungen seien nicht erforderlich.
Eine Stellungnahme der Klägerin zum Gutachten von Dr. C. ist nicht erfolgt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 19. April 2010 sowie der Bescheide der Beklagten vom 18. September 2007 und 20. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2009 zu verurteilen, Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen die angefochtenen Bescheide vom 18. September 2007 und 20. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2009 abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI, teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 SGB VI) bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 1, 2 SGB VI) zu.
Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung).
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) nur dann erfüllt, wenn volle bzw. teilweise Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) spätestens bis 31. Dezember 2002 eingetreten ist. Der letzte Pflichtbeitrag für die Klägerin ist im November 2000 entrichtet worden. In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung sind also nur dann drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden, wenn der Leistungsfall noch im Dezember 2002 eingetreten ist.
Ein Tatbestand im Sinne des § 43 Abs. 4 SGB VI, der zu einer Verlängerung des Zeitraums von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung führt, ist nicht gegeben. Insbesondere führt der Bezug einer Invalidenpension in Bosnien-Herzegowina nicht zu einer Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums, da das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12. Oktober 1968 (DJSVA), das im Verhältnis zu Bosnien-Herzegowina weiter gilt, keine Regelung über eine Gleichstellung der Aufschubtatbestände, insbesondere auch nicht der Rentenbezugszeiten, enthält (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1994, Az. 5 RJ 24/93, SozR-2200 § 1246 Nrn. 46).
Bei der Klägerin liegt auch kein Tatbestand vor, durch den die Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (vgl. § 43 Abs. 5 SGB VI in Verbindung mit § 53 Abs. 1,2 SGB VI).
Schließlich sind auch nicht die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI erfüllt. Dies schon deshalb nicht, weil die Klägerin vor dem 1. Januar 1984 nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sie nur 59 und nicht die erforderlichen 60 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Darüber hinaus ist auch der Zeitraum 1. Januar 1984 bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung im Juli 2004 nicht durchgängig mit sog. Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Der Bezug der Invalidenpension stellt mangels Gleichstellungsregelung im DJSVA ebenfalls keine Anwartschaftserhaltungszeit i.S.d. § 241 Abs. 2 SGB VI dar. Für die Monate Dezember 2000 bis Dezember 2005 ist die Klägerin auch nicht mehr zur Zahlung von freiwilligen Beiträgen berechtigt (vgl. § 241 Abs. 2 S. 2 SGB VI), da freiwillige Beiträge nur dann wirksam sind, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden (§ 197 Abs. 2 SGB VI). Die Frist zur Entrichtung der freiwilligen Beiträge wird zwar gemäß § 198 S. 1 Nr. 2 SGB VI unterbrochen, wenn ein Beitragsverfahren oder Verfahren über ein Rentenanspruch anhängig ist. Eine derartige Unterbrechung erfolgte aber erst durch den Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom September 2006 und damit zu einem Zeitpunkt, als die Frist für die Entrichtung von Beiträgen für den Zeitraum Dezember 2000 bis Dezember 2005 bereits abgelaufen war.
Der Senat ist aufgrund des überzeugenden Gutachtens des erfahrenen Gerichtssachverständigen Dr. C. sowie der Ausführungen der Gutachterkommission davon überzeugt, dass die Klägerin jedenfalls bis Dezember 2002 (und darüber hinaus bis zum Auftreten des Dickdarmtumors im Juli 2004) noch in der Lage war, mindestens 6 Stunden täglich zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Dr. C. hat darauf verwiesen, dass die von der Klägerin hervorgehobenen Gesundheitsstörungen an der Harnblase durch die Unterleibsoperation ausweislich des Befundberichts am 6. Oktober 2010 sehr gut therapiert worden sind. Es ist zu einer Rückbildung der Inkontinenzerscheinungen gekommen. Auf neurologischem Fachgebiet sind keine Gesundheitsstörungen aktenkundig. In Bezug auf das psychiatrische Fachgebiet ist von Bedeutung, dass der damalige behandelnde Psychiater Dr. H. seine im März 2000 aufgrund einer einmaligen Untersuchung gestellte Diagnose einer schweren depressiven Phase durch den Befundbericht vom 14. Oktober 2010 korrigiert hat. Er hat nur noch von einer depressiven Episode mittlerer Ausprägung, Spannungskopfschmerzen und einem psychosomatischen Syndrom gesprochen. Bei der Klägerin bestand bei Berücksichtigung der vorliegenden Befundberichte nach den Ausführungen von Dr. C. sicherlich eine Neigung zur affektiven Schwankungen. Solche hatten sich etwa im Zusammenhang mit der anstehenden Abschiebung aus Deutschland gezeigt. Weitergehende, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung tragende Aussagen lassen sich aus den Befundberichten jedoch nicht entnehmen. Die in den Jahren 2006 bis 2008 beschriebene Affektstörung ist im Hinblick auf die vorangegangene Tumorerkrankung und die nachvollziehbare Befürchtungen der Klägerin im Hinblick auf ein Tumorrezidiv oder eine Metastasierung nachvollziehbar. Hieraus hat Dr. C. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass sich eine quantitative Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin bis zum 31. Dezember 2002 nicht begründen lässt.
Aufgrund eines Leistungsvermögens von 6 Stunden und mehr für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis zum maßgeblichen Zeitpunkt 31. Dezember 2002 kommt die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1, 2 SGB VI) nicht in Betracht.
Der Klägerin steht schließlich auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 240 Abs. 1,2; 43 Abs. 1 SGB VI) zu.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen danach auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des „vergleichbaren Versicherten“ ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der „bisherige Beruf“. Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in Deutschland. Es ist die Berufstätigkeit zugrunde zu legen, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164). Dabei unterscheidet die Rechtsprechung nach dem sogenannten Vier-Stufen-Schema die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion (auch des besonders hochqualifizierten Facharbeiters), des Facharbeiters, des angelernten und des ungelernten Arbeiters. Die Gruppe der angelernten Arbeiter ist in einen unteren Bereich (Anlerndauer mehr als drei Monate bis zu einem Jahr) und in einen oberen Bereich (Anlerndauer mehr als ein Jahr bis zu zwei Jahren) zu unterteilen. Welcher Gruppe des Mehrstufenschemas eine bestimmte Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich dabei nach der Qualität der verrichteten Arbeit. Kriterien dafür sind: Ausbildung, tarifliche Einstufung, Dauer der Berufsausübung, Höhe der Entlohnung und Anforderungen des Berufes.
Bisheriger Beruf der Klägerin in diesem Sinne ist die bei der Stadt B-Stadt verrichtete Tätigkeit als Reinigungskraft. Diese ist nach der Auskunft des Arbeitgebers als ungelernte Tätigkeit im Sinne des Vier-Stufen-Schemas des BSG zu qualifizieren. Damit ist die Klägerin uneingeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Da insoweit ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr vorliegt, besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.