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Zuerkennung des Merkzeichens „G – Voraussetzungen

Sozialgericht Aachen verweigert Merkzeichen „G“ trotz 100% Behinderungsgrad

Im Urteil des SG Aachen, Az.: S 12 SB 812/14 vom 23.06.2015, ging es um die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ und die Bewertung des Grades der Behinderung (GdB) eines Klägers. Der Kläger, ein serbischer Staatsangehöriger mit verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, beantragte einen GdB von 100 und das Merkzeichen „G“. Das Gericht entschied jedoch, den GdB ab dem 17.02.2014 auf 50 und ab dem 01.03.2015 auf 60 festzulegen, lehnte aber die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ ab, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren.

Trotz umfangreicher medizinischer Gutachten und Befunde konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Die Klage wurde daher, abgesehen von der teilweisen Zustimmung zum Vergleichsvorschlag des Beklagten bezüglich des GdB, als unbegründet abgewiesen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: S 12 SB 812/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kläger forderte die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ und einen GdB von 100 aufgrund diverser gesundheitlicher Probleme.
  • Das SG Aachen entschied, den GdB ab 17.02.2014 auf 50 und ab 01.03.2015 auf 60 zu erhöhen, aber das Merkzeichen „G“ wurde nicht zuerkannt.
  • Umfangreiche medizinische Untersuchungen und Gutachten führten zur Bewertung, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers eine erhebliche Bewegungseinschränkung im Straßenverkehr nicht begründen.
  • Der Kläger war in seiner Argumentation stark von seinen psychischen Beeinträchtigungen beeinflusst, was seine Wahrnehmung der eigenen gesundheitlichen Situation beeinträchtigte.
  • Das Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit objektiver medizinischer Bewertungen zur Feststellung von GdB und der Berechtigung für Merkzeichen wie „G“.

Behinderung und besondere Genehmigungen

Die Anerkennung einer Behinderung durch die zuständigen Behörden ist für viele Betroffene ein wichtiger Schritt. Mit dem sogenannten Schwerbehindertenausweis erhalten sie besondere Nachteilsausgleiche und Rechte, die ihnen das Leben erleichtern sollen. Eines der häufig begehrten Merkzeichen ist das Merkzeichen G. Dieses berechtigt zur Nutzung von Parkmöglichkeiten für Gehbehinderte sowie zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Nahverkehr.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G sind jedoch streng geregelt. Es muss eine dauerhafte Mobilitätseinschränkung für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder für das gehfähige Bewegen im Straßenverkehr nachgewiesen werden. Die konkreten Anforderungen und die Bewertung der individuellen gesundheitlichen Situation spielen eine entscheidende Rolle.

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Kein Merkzeichen „G“ trotz schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen

Im Zentrum des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Aachen stand die Frage der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ für einen serbischen Staatsangehörigen, der aufgrund vielfältiger gesundheitlicher Probleme einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das besagte Merkzeichen für sich beanspruchte. Der Fall, eingetragen unter dem Aktenzeichen S 12 SB 812/14 und verhandelt am 23.06.2015, beleuchtet die komplexen Anforderungen an die Feststellung von Behinderungsgraden sowie die Zuerkennung entsprechender Merkzeichen, die schwerbehinderten Menschen gewisse Erleichterungen und Ansprüche im Alltag ermöglichen.

Der Weg durch die Instanzen

Der Kläger, dessen GdB ursprünglich auf 40 festgelegt wurde, forderte eine Neubewertung seiner Situation, gestützt auf umfassende medizinische Befunde und Gutachten, die eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes dokumentieren sollten. Nach Ablehnung seines Antrags durch das Versorgungsamt und der erfolglosen Widerspruchseinlegung sah sich der Kläger veranlasst, vor dem Sozialgericht Aachen Klage zu erheben.

Medizinische Bewertungen und juristische Erwägungen

Der Fall warf insbesondere aufgrund der Vielzahl und der Komplexität der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers – darunter psychische Störungen, chronische Schmerzen und ein Schlafapnoe-Syndrom – Fragen hinsichtlich der adäquaten medizinischen Bewertung und deren juristischer Würdigung auf. Das Gericht sah sich mit der Herausforderung konfrontiert, auf Basis der vorliegenden medizinischen Gutachten einen gerechten GdB festzulegen und über die Berechtigung für das Merkzeichen „G“ zu entscheiden.

Die Entscheidung des Sozialgerichts

Das Gericht folgte letztlich einem Vergleichsvorschlag des Beklagten und setzte den GdB ab dem 17.02.2014 auf 50 sowie ab dem 01.03.2015 auf 60 fest, wies die Klage bezüglich der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ jedoch ab. In seiner Urteilsbegründung verwies das Gericht auf die gesetzlichen Bestimmungen und die Versorgungsmedizinischen Grundsätze, die klare Kriterien für die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr und somit für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ definieren. Trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers sah das Gericht die spezifischen Voraussetzungen hierfür als nicht erfüllt an.

Rechtliche Rahmenbedingungen und medizinische Erkenntnisse

Der Fall verdeutlicht die Notwendigkeit, bei der Beurteilung von Behinderungen sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die aktuellen medizinischen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Er unterstreicht zudem die Bedeutung von objektiven medizinischen Gutachten, die eine fundierte Grundlage für gerichtliche Entscheidungen bilden.

Zum Abschluss des Verfahrens stellte das Sozialgericht Aachen klar, dass trotz der offensichtlichen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers die strengen Anforderungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ nicht erfüllt sind. Die Entscheidung reflektiert das Spannungsfeld zwischen individuellen Ansprüchen auf Unterstützung und rechtlichen sowie medizinischen Bewertungskriterien, die im Sozialrecht von zentraler Bedeutung sind.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was bedeutet das Merkzeichen G und wer kann es beantragen?

Das Merkzeichen G im Schwerbehindertenausweis steht für eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Personen, die dieses Merkzeichen erhalten, sind in ihrer Geh- und/oder Stehfähigkeit so stark eingeschränkt, dass sie eine Strecke von 2 km nicht ohne Gefahr für sich oder andere in etwa einer halben Stunde zu Fuß zurücklegen können.

Um das Merkzeichen G zu erhalten, muss ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegen. Es ist nicht nur auf Personen mit einer Gehbehinderung beschränkt; auch innere Leiden, hirnorganische oder geistige Behinderungen sowie Sinnesbehinderungen können zur Erteilung des Merkzeichens G führen, sofern sie die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigen. Für Kinder und Säuglinge gelten dieselben Anspruchsgründe wie für Erwachsene.

Das Merkzeichen G ermöglicht verschiedene Nachteilsausgleiche, wie beispielsweise Vergünstigungen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr oder eine vergünstigte Kfz-Steuer. Es kann auch ein orangefarbener Parkausweis beantragt werden, der das Parken auf speziell gekennzeichneten Parkplätzen erlaubt, und es bestehen bestimmte Steuervorteile.

Die Beantragung des Merkzeichens G erfolgt über das zuständige Versorgungsamt oder die Ämter für soziale Angelegenheiten. Im Antragsformular zur Feststellung des Grades der Behinderung kann angekreuzt werden, welche Merkzeichen auf die antragstellende Person zutreffen. Die Entscheidung über die Vergabe des Merkzeichens basiert auf den medizinischen Befunden und Krankheiten, die in der Versorgungsmedizin-Verordnung aufgelistet sind.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Merkzeichen G nicht zur Nutzung von Schwerbehinderten-Parkplätzen berechtigt. Hierfür ist das Merkzeichen aG erforderlich, welches unter strengeren Voraussetzungen vergeben wird.

Wie wird der Grad der Behinderung (GdB) festgestellt?

Der Grad der Behinderung (GdB) wird festgestellt, um das Ausmaß der Beeinträchtigung einer Person durch ihre Behinderung zu quantifizieren. Dieser Prozess beginnt mit einem Antrag, der in der Regel beim zuständigen Versorgungsamt oder bei anderen Ämtern, wie dem Sozialamt, je nach Bundesland, gestellt werden muss. Der GdB wird in Zehnergraden von 10 bis 100 angegeben, wobei höhere Werte eine stärkere Beeinträchtigung darstellen. Ein GdB von 50 bis 100 kennzeichnet eine anerkannte Schwerbehinderung, die zum Erhalt eines Schwerbehindertenausweises und damit verbundenen Nachteilsausgleichen berechtigt.

Die Feststellung des GdB basiert auf den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, die in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) festgelegt sind. Diese Grundsätze definieren, wie verschiedene Beeinträchtigungen und Erkrankungen zu bewerten sind. Die Bewertung erfolgt unabhängig von der Ursache der Behinderung und berücksichtigt die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen, nicht nur im Erwerbsleben.

Für die Beurteilung des GdB sind alle Gesundheitsstörungen der betroffenen Person zu berücksichtigen, wobei nicht die einzelnen Behinderungen addiert, sondern die Gesamtauswirkung auf die Person bewertet wird. Die Feststellung erfolgt durch ärztliche Gutachter, die die medizinischen Unterlagen und Befunde der Antragstellenden prüfen. Die Gutachter orientieren sich dabei an den in der VersMedV festgelegten Kriterien und den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen.

Nach Eingang des Antrags und der erforderlichen medizinischen Unterlagen beim zuständigen Amt wird der GdB festgestellt und ein Feststellungsbescheid erteilt. Dieser Bescheid gibt den GdB und die berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen an. Sollte die betroffene Person mit dem Feststellungsbescheid nicht einverstanden sein, besteht die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von vier Wochen Widerspruch einzulegen.

Es ist wichtig zu beachten, dass der GdB ein Maß für die Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben darstellt und nicht direkt auf die Leistungsfähigkeit im Beruf oder andere spezifische Lebensbereiche schließen lässt.

Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Feststellung des GdB?

Medizinische Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB), da sie die Grundlage für die Bewertung der Beeinträchtigung einer Person bilden. Im Schwerbehindertenverfahren ist das ärztliche Sachverständigengutachten ein entscheidendes Instrument, um das Gericht oder die Behörde bei der Feststellung des GdB zu unterstützen.

Die Gutachter müssen dabei das Finalitätsprinzip beachten, das heißt, sie bewerten die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die Gutachten müssen gewisse Mindestbestandteile enthalten und sollten bei Unklarheiten in der Erstellung Rücksprache mit dem Auftraggeber halten. Die Versorgungsmedizin-Verordnung und die darin enthaltenen versorgungsmedizinischen Grundsätze sind verbindliche Leitlinien für jedes Gutachten im Schwerbehindertenverfahren.

Die amtlichen Gutachter prüfen die eingereichten Unterlagen und erstellen eine gutachtliche Stellungnahme, in der der GdB für jedes Funktionssystem festgestellt wird. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, werden diese in der Reihenfolge ihres Schweregrades aufgeführt. Es ist wichtig, dass dem Antrag auf Feststellung des GdB möglichst umfassende und aktuelle medizinische Informationen beigefügt werden, um eine angemessene Bewertung zu ermöglichen.

Ein Gutachten ist nur verwertbar, soweit die fachliche Kompetenz des Sachverständigen gegeben ist und dieser das Gutachten selbst erstattet hat. Der Sachverständige darf seine fachliche Zuständigkeit nicht überschreiten. Bei der Beurteilung des GdB ist der Gesamt-GdB zu bewerten, der sich aus allen festgestellten Gesundheitsstörungen ergibt.

Insgesamt ist das medizinische Gutachten ein unverzichtbares Element im Prozess der Feststellung des GdB, da es die medizinische Bewertung der Behinderung und deren Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dokumentiert und begründet.

Was sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G?

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G im Schwerbehindertenausweis sind klar definiert und zielen darauf ab, Personen mit erheblicher Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr zu unterstützen. Das Merkzeichen G wird Personen zuerkannt, die aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen nicht in der Lage sind, eine Strecke von 2 km zu Fuß in etwa einer halben Stunde zurückzulegen, ohne sich selbst oder andere zu gefährden. Die wesentlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G sind:

  • Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr: Dies bezieht sich auf Personen, deren Geh- und/oder Stehfähigkeit so stark eingeschränkt ist, dass sie übliche Wegstrecken im Ortsverkehr, die normalerweise zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren für sich oder andere bewältigen können.
  • Verschiedene Ursachen der Beeinträchtigung: Die Beeinträchtigung kann durch Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen oder an der Lendenwirbelsäule bedingt sein, die für sich allein einen Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 bedingen. Auch Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 können berücksichtigt werden, wenn sie sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirken, wie z.B. bei Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40.
  • Innere Leiden und geistige Behinderungen: Auch Personen mit inneren Leiden, die eine Beeinträchtigung der Herzleistung oder Einschränkung der Lungenfunktion mit sich bringen und einen GdB von wenigstens 50 bedingen, sowie geistig behinderte Menschen, die sich im Straßenverkehr auf unbekannten Wegen nur schwer zurechtfinden können, können das Merkzeichen G erhalten.
  • Grad der Behinderung (GdB): Ein GdB von mindestens 50 ist eine grundlegende Voraussetzung für die Zuerkennung des Merkzeichens G.

Die Beantragung des Merkzeichens G erfolgt über die zuständigen Ämter für Versorgung bzw. Ämter für soziale Angelegenheiten. Im Antragsformular zur Feststellung des GdB können Antragstellende selbst angeben, welche Merkzeichen auf sie zutreffen. Die Entscheidung über die Vergabe des Merkzeichens basiert auf den medizinischen Befunden und Krankheiten, die in der Versorgungsmedizin-Verordnung aufgelistet sind.

Wie geht man gegen eine Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung des Merkzeichens G vor?

Wenn ein Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens G abgelehnt wird, besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Ablehnungsbescheids schriftlich bei dem Versorgungsamt eingereicht werden, das den Bescheid erlassen hat. Es ist möglich, den Widerspruch zunächst formlos einzureichen und die Begründung innerhalb eines Monats nachzureichen. Hier sind die Schritte, die Sie unternehmen sollten:

  • Widerspruch einlegen: Senden Sie ein formloses Schreiben an das Versorgungsamt, das den Bescheid erlassen hat. Geben Sie Ihre persönlichen Daten, das Aktenzeichen des Bescheids und den Wunsch nach Akteneinsicht an. Unterschreiben Sie das Schreiben, um Verzögerungen zu vermeiden.
  • Begründung nachreichen: In der Begründung sollten Sie darlegen, warum Sie der Meinung sind, dass Ihnen das Merkzeichen G zusteht. Erläutern Sie die Auswirkungen Ihrer Behinderung und fügen Sie gegebenenfalls zusätzliche medizinische Atteste, Fotos oder Dokumentationen bei, die Ihre Argumentation unterstützen.
  • Erneute Prüfung: Nach Eingang des Widerspruchs prüft das Versorgungsamt den Antrag auf Schwerbehinderung erneut. Sollte das Amt bei seiner Entscheidung bleiben, wird der Fall an den Widerspruchsausschuss weitergeleitet, der alle Unterlagen nochmals prüft.
  • Klage einreichen: Wird der Widerspruch abgelehnt, können Sie Klage beim Sozialgericht einreichen. Für das Gerichtsverfahren werden in der Regel keine Gerichtsgebühren erhoben und auch sonstige Kosten, wie für vom Gericht beauftragte Gutachter, müssen Sie grundsätzlich nicht tragen.

Es ist ratsam, die Widerspruchsfrist genau einzuhalten und gegebenenfalls rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 69 Abs. 4 SGB IX: Regelt die Feststellung von Behinderungen und gesundheitlichen Merkmalen, die für Nachteilsausgleiche relevant sind. Im Kontext des Falls zeigt dies, wie Behörden den Grad der Behinderung (GdB) und Merkzeichen bestimmen, die bestimmte Rechte und Erleichterungen gewähren.
  • § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX: Definiert die Voraussetzungen für unentgeltliche Beförderung für Personen mit erheblich eingeschränkter Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Dies ist zentral für den Fall, da hier die Berechtigung für das Merkzeichen „G“ geprüft wird, das genau diese Erleichterung betrifft.
  • Versorgungsmedizinische Grundsätze: Dienen der Bewertung von Behinderungen und sind maßgeblich für die Beurteilung, ob jemand die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ erfüllt. Diese Grundsätze sind entscheidend für die Argumentation im Gerichtsfall, da sie definieren, wann eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vorliegt.
  • § 30 BVG und § 70 SGB IX: Diese Gesetze sind relevant für die Rechtsgrundlage der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Sie zeigen, wie rechtliche Rahmenbedingungen die Beurteilung medizinischer Sachverhalte im Sozialrecht beeinflussen und stellen die Legitimität der Versorgungsmedizinischen Grundsätze dar, die im Kontext des Falls für die Beurteilung des Merkzeichens „G“ herangezogen werden.


Das vorliegende Urteil

SG Aachen – Az.: S 12 SB 812/14 – Urteil vom 23.06.2015

Der Beklagte wird entsprechend seinem Vergleichsvorschlag vom 07.05.2015 unter Abänderung des Bescheides vom 02.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2014 verurteilt, den GdB ab dem 17.02.2014 mit 50 sowie ab dem 01.03.2015 mit 60 zu bewerten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu ½.

Tatbestand

Der am 00.00.0000 geborenen Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Das Versorgungsamt Aachen stellte mit Bescheid vom 06.11.2007 aufgrund einer seelischen Beeinträchtigung, einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule sowie einem Bluthochdruck einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest.

Am 17.02.2014 beantragte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, die Feststellung eines GdB von 100 sowie des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G. Dem Antrag beigefügt waren ein Arztbericht der orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. C vom 12.02.2014, ein Arztbericht der Klink für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie der C gGmbH vom 29.01.2014 sowie ein Arztbericht der Praxis Radiologie B vom 19.12.2013. Daneben legte der Kläger einen Arztbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. E vom 06.03.2012, des Internisten Dr. L vom 23.10.2012, der Klinik für E vom 23.01.2013 und des Radiologen Dr. X vom 28.05.2013 vor. Der Beklagte holte Befundberichte des Urologen Dr. I, des HNO-Arztes Dr. C, des Lungen- und Bronchialheilkundlers Dr. N, des Neurologen und Psychiaters T sowie der Ärztin Dr. F ein und wertete diese zusammen mit den weiteren Arztberichten durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung für die seelische Beeinträchtigung sei beim Kläger weiterhin ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen. Die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule rechtfertigten einen GdB von 20, der Blutdruck einen GdB von 10. Die nachgewiesenen Funktionseinschränkungen der oberen Atemwege seien ebenfalls mit einem GdB von 10 in Ansatz zu bringen. Für die diagnostizierte Sarkoidose Stadium 0-1 sei kein GdB zu berücksichtigen. Hieraus sei weiterhin ein GdB von 40 zu bilden. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 02.06.2014 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB sowie die Zuerkennung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G ab.

Hiergegen legte der Kläger am 30.06.2014, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein. Der Kläger begehre die Feststellung des Merkzeichens G Zur Begründung verwies er auf den – bereits vorgelegten – Arztbericht der Klink für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie der C gGmbH vom 29.01.2014 sowie auf einen vorläufigen Arztbericht derselben Klinik betreffend eine partielle Parathyreoidektomie (teilweise Entfernung von Nebenschilddrüsengewebe) rechts oben mit Fettentfernung und Exploration im Gebiet der Schilddrüse, wegen der sich der Kläger in der Zeit vom 16.06. bis 20.06.2014 in stationärer Behandlung befand.

Der ärztliche Dienst des Beklagten wertete diese Unterlagen ebenfalls aus und kam zu der Einschätzung, dass der GdB für den Bluthochdruck mit 20 in Ansatz zu bringen sei. Darüber hinaus sei nunmehr ein leichtes Schlafapnoe-Syndrom attestiert, welches mit einem GdB von 10 in Ansatz zu bringen sei, da ein CPAP-Erfordernis nicht objektiviert sei. Der GdB sei weiter mit 40 in Ansatz zu bringen. Die Feststellung des Merkzeichens G sei medizinisch nicht gerechtfertigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2014 wies die Bezirksregierung N daraufhin den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 22.08.2014 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben und beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2014 zu verurteilen, den GdB des Klägers mit 50 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G festzustellen.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachinternistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens des Arztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Dr. Q sowie eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie X nebst eines psychologischen Gutachtens des Dipl.-Psychologen L.

Auf Grundlage dieser Gutachten hat der Beklagte am 08.04.2015 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach der GdB ab Antragstellung mit 50 bewertet werde. Mit Schreiben vom 22.04.2015 hat sich der Gutachter Dr. Q an das Gericht gewandt und mitgeteilt, er habe zwischenzeitlich noch einen pulmologischen Bericht des Dr. H vom 27.03.2015 wonach dieser die Notwendigkeit einer nasalen Überdrucktherapie bei Vorliegen eines schweren obstruktiven Schlafapnoesyndroms sehe. Hier sei, da der Kläger unter einer chronischen Bronchitis, Sinusitis und Tonsillitis leide, mit ungünstigen Auswirkungen auf die CPAP-Therapie zu rechnen, was erhöhend auch im Gesamt-GdB zu berücksichtigen sei. Er schlage insoweit einen GdB von insgesamt 60 vor.

Am 07.05.2015 hat der Beklagte einen geänderten Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach der GdB ab Antragstellung mit 50 und ab dem 01.03.2015 mit 60 bewertet werden könne.

Nachdem der Kläger dieses Vergleichsangebot zunächst nicht angenommen hat, ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23.06.2015 bestimmt worden. Im Rahmen dieses Termins hat der Kläger den Vergleichsvorschlag vom 07.05.2015 hinsichtlich des GdB angenommen und die Klage insoweit zurückgenommen.

Im Übrigen hat der Kläger persönlich weiterhin die Auffassung vertreten, ihm stünde das Merkzeichen G zu. Er sehe sich hierin auch durch das Gutachten des Herr X bestärkt. Im Übrigen sei er aber der Auffassung, dass die Gutachten, die beim ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht hinreichend erfasst und bewertet hätten. Die Kammer sei ebenfalls nicht in der Lage die Sachlage medizinisch adäquat zu erfassen. Anders als das Gericht sei er persönlich hierzu – auch wenn er keine besondere medizinische Ausbildung habe aufgrund seiner langen Erfahrung mit Ärzten – sicherlich besser in der Lage.

Er hat daher noch beantragt, beim Kläger das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichen G festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage, soweit sie über die im Vergleichsangebot festgestellte Höhe des GdB hinausgeht, abzuweisen.

Zur Begründung nimmt der Beklagte insbesondere Bezug auf die Ausführungen seiner medizinischen Berater im vorliegenden Verfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogen Verwaltungsakte des Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist – nachdem nunmehr durch Abschluss eines entsprechenden Vergleichs im Rahmen der mündlichen Verhandlung für den Kläger für die Zeit ab Antragstellung ein GdB von 50 sowie für die Zeit ab 01.03.2015 ein GdB von 60 festgestellt wurde – unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G.

Gemäß § 69 Abs. 4 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind.

Nach 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

Es steht zur Überzeugung der Kammer auf Grundlage der vorliegenden Arzt- und Befundberichte sowie der eingeholten Gutachten und dem persönlichen Eindruck der Kammer vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2015 fest, dass der Kläger diese Voraussetzungen derzeit (sowie auch seit Antragstellung) nicht erfüllt.

Die Länge der In § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Wegstrecke ist gesetzlich nicht geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beträgt die üblicherweise im Ortsverkehr zurückgelegte Strecke zwei Kilometer, die etwa in einer halben Stunde zurückgelegt werden (etwa BSG Urteil vom 10.12.1987 – 9a RVs 11/87 = juris Rn. 13 ff.; BSG Urteil vom 13.08.1997 – 9 RVs 1/96 = juris Rn. 19; BSG Urteil vom 27.08.1998 – B 9 SB 13/97 R = juris Rn. 15). Feststellungen zur Zuerkennung des Merkzeichens G enthält darüber hinaus Teil D Ziffer 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Die entsprechende Regelung lautet: „a) Nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist zu beurteilen, ob ein behinderter Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Hilflose und Gehörlose haben stets einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. b) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird. c) Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. Es ist nicht zu prüfen, ob tatsächlich diesbezügliche behinderungsbedingte Nachteile vorliegen oder behinderungsbedingte Mehraufwendungen entstehen. d) Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. e) Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdS von wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks. f) Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.“

Die Frage, ob die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Rechtsverordnung verbindliche Festlegungen enthalten, war bislang umstritten. So wurde teilweise die Auffassung vertreten, eine Ermächtigungsgrundlage zur Schaffung einer Rechtsverordnung betreffend die im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche sei nicht gegeben. Insbesondere enthalte die durch die Versorgungsmedizinischen Grundsätze in Bezug genommene Regelung des § 30 Abs. 17 BVG a.F. (nunmehr § 30 Abs. 16 BVG) keine entsprechende Ermächtigung (Dau, jurisPR-SozR 4/2009 Anm. 4; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 02.10.2012 – L 8 SB 1914/10 = juris Rn. 26). Die Regelungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Nachteilsausgleich G seien damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Rechtsgrundlage seien daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze. Dieser Auffassung hatte sich – normtheoretisch – in der Vergangenheit auch die erkennende Kammer angeschlossen. Sie hatte aber stets darauf hingewiesen, dass gleichwohl die Feststellungen des Teil D Ziffer 1 mit in die Bewertung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G einbezogen werden können, wenngleich freilich nicht als Rechtsgrundlage im Sinne einer Rechtsverordnung. Die Feststellungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen werden auf Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze evidenzbasierter Medizin erstellt und fortentwickelt, vgl. § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung. Sie enthalten – im Hinblick auf das Merkzeichen G – im Wesentlichen die gleichen Regelungen, wie bereits Ziffer 30 der vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX), zuletzt aus dem Jahr 2008, (AHP 2008). Die Festlegungen der Anhaltspunkte sind von der Rechtsprechung – als antizipierte Sachverständigengutachten – bei der Frage der Beurteilung der Zuerkennung von Merkzeichen zugrundegelegt worden. Eine entsprechende Funktion erfüllten nach Auffassung der Kammer bislang auch die nunmehr in Teil D Ziffer 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze dargelegten Regelungen (vgl. hierzu etwa SG Aachen – S 12 SB 240/13 = juris (zum Merkzeichen aG); für eine Anwendung der in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen dargelegten Anforderungen auch Bayerisches LSG Urteil vom 26.09.2012 – L 15 SB 46/09 = juris Rn. 61; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19.12.2011 – L 13 SB 12/08 = juris Rn. 29; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.11.2011 – L 11 SB 67/09 = juris Rn. 34; wohl auch LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 09.08.2012 – L 10 SB 10/12 = juris Rn. 15; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.07.2010 – L 6 SB 133/09 = juris Rn. 29; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.07.2010 – 6 SB 133/09 = juris Rn. 27; a.A. offensichtlich LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 12.10.2011 – L 6 SB 3032/11 = juris Rn. 39 ff.). Auf diese Problematik hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich reagiert (vgl. BT-Drucks. 18/3190, S. 5). Durch Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 (BGBl. II, S. 15) wurde in § 70 SGB IX ein Absatz 2 angefügt, in dem nun das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ausdrücklich ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Darüber hinaus wurde § 159 SGB IX um einen Absatz 7 erweitert, wonach, sofern noch keine Verordnung nach § 70 Absatz 2 erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des BVG und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Diese Änderungen sind am 15.01.2015 in Kraft getreten. Damit hat der Gesetzgeber nunmehr nach Auffassung der Kammer eine eindeutige und hinreichende normative Grundlage für die Anwendung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze auch hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Merkzeichen geschaffen (in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 22.05.2015 – L 8 SB 70/13 = juris; Vogl in: jurisPK-SGB IX, § 159 Rn. 38 f; ders., in: jurisPK-SGB IX, § 146 Rn. 5 f.). Spätestens seit dem 15.01.2015 ist damit klar, dass die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Rechtsverordnung unmittelbare – auch die Gerichte bindende – Wirkung entfalten. Für die Zeit davor bleibt es nach Auffassung der Kammer indes dabei, dass die in Teil B Ziffer 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze richterrechtlich zur Bestimmung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen herangezogen werden konnten. Im Ergebnis ergeben sich hierdurch mithin keine Änderungen (so auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 22.05.2015 – L 8 SB 70/13 = juris).

Der Kläger leidet seit der Antragstellung und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unter:

1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional instabile Persönlichkeitsstörung, hypochondrische Persönlichkeitsstörung) 2. Somatoforme Störung 3. Depressive Störung, z.Zt. leichtgradige Episode 4. Karpaltunnelsyndrom bds. 5. Psychovegetatives Syndrom mit Herzbeschwerden und sexuellen Funktionsstörungen 6. Chronischen Rückenschmerzen bei bekanntem zervikalem Bandscheibenvorfall und degenerativen LWS-Syndrom 7. Bluthochdruck 8. Erkrankung der Lunge 9. Schlafapnoe-Syndrom mit Notwendigkeit einer nasalen Überdruckbeatmung 10. Hyperparathyreoidismus 11. Funktionsstörungen im Bereich der Knie 12. Neigung zu Ödemen 13. Adipositas

Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie der Gutachten des Dr. Q sowie des Herrn X unter Berücksichtigung der testpsychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. Kilian fest. Die Gutachten beruhen auf umfangreichen Untersuchungen eines erfahrenen gerichtlichen Gutachters, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Soweit der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht geltend gemacht hat, die Gutachten beschrieben seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur unzureichend und die Kammer sei – anders als er – auch nicht in der Lage seinen Gesundheitszustand medizinisch zu erfassen, ist dies nach Auffassung der Kammer letztlich Ausdruck der beim Kläger bestehenden psychischen Beeinträchtigungen. Wie bereits vom Gutachter L beschrieben agierte der Kläger auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich distanzgemindert, teilweise aufbrausend und er zeigte auch hier ein hypochondrisches Klagen über von ihm beschriebene Missempfindungen und seiner Auffassung nach – mutmaßlich – bei ihm vorliegende Erkrankungen. Die Kläger vorhandene Hypochondrie, also die Überzeugung bzw. Angst an einer schweren Erkrankung zu leiden (vgl. hierzu etwa Zaudig/Trautmann/Joraschky/Möller/Rupprecht/Saß, Therapielexikon Psychiatrie, Psychosomatik & Psychotherapie, 2006, 330 f), zeigte sich gegenüber der Kammer nach deren Auffassung u.a. dadurch, dass der Kläger zum Beweis seiner erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen eine Bescheinigung über eine notfallmäßige Aufnahme im Krankenhaus aus April vorlegte. Dort war eine akute Infektion der oberen Atemwege bei nur leichten Erkältungszeichen und etwas erhöhter Temperatur von 38°. Den Hinweis des Gerichts, es habe sich also offensichtlich um eine Erkältung gehandelt, die im Übrigen im April durchaus nicht ungewöhnlich sei, wollte der Kläger nicht gelten lassen. Die dortigen Ärzte hätten seinerzeit nur die den Beschwerden tatsächlich zugrundeliegenden Ursachen nicht gefunden.

Die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind mit einem Gesamt-GdB von 50 ab dem 17.02.2014 und mit 60 ab dem 01.03.2014 zu beurteilen. Hierüber haben die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung zutreffend einen entsprechenden Vergleich geschlossen. Beim Kläger liegen indes keine wesentlichen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit vor, die entsprechend obiger Vorgaben die Zuerkennung des Merkzeichens G rechtfertigen würden. Der Kläger klagt unter Wasseransammlungen in den Beinen, wobei der gegenüber dem Gutachter Dr. Q angab, dies gelte insbesondere an heißen Tagen. Er trägt deshalb Unterschenkelkompressionsstrümpfe und hat sich bereits einer Venenspezialistin vorgestellt. Diese fand – bei auch von ihr beschriebenen Beinödemen – indes im Rahmen einer durchgeführten sonographischen Untersuchung keinen Hinweis auf eine venöse Insuffizienz beim Kläger. Bei der Untersuchung durch Herrn X fanden sich leichte Stauungsindurationen im Bereich beider Unterschenkel Bei der Untersuchung durch Dr. Q konnte dieser keine eindeutigen Ödeme feststellen, weswegen er beim Kläger von einer Neigung zu Ödemen ausgeht, die er am ehesten als durch das beim Kläger bestehende Übergewicht hervorgerufene Lymphabflussbehinderungen interpretiert. Gemäß Teil B Ziffer 9.2.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze höchstens mit einem GdB von 10 in Ansatz zu bringen ist. Hierdurch bedingte kontinuierliche wesentliche Bewegungseinschränkungen sind nicht objektiviert. Herr X beschreibt in seinem Gutachten die großen Gelenke der oberen Extremitäten als frei. Ein entsprechendes Bild zeigte auch die Untersuchung bei Dr. Q. Die Beugung/Streckung der Hüfte konnte nach Neutral-Null beidseits mit 120°/0°/10° ermittelt werden, was weitgehend altersentsprechend normgerecht ist. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Abspreizens/Anführens 40°/0°/20° und der Drehung einwärts/auswärts (90° gebeugt) mit 40°/0°/30° (vgl. Neurath/Lohse, Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung, 4. Aufl. 2015, 17.5.3; vgl. hierzu Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 16). Soweit der Kläger gegenüber Dr. Q angab, er leide unter Schmerzen in beiden Knien konnten Beeinträchtigungen insoweit aber nicht objektiviert werden. Die Beweglichkeit beider Knie war mit 130°/0°/0° altersentsprechend normgerecht (vgl. zu den anatomisch normalen Bewegungsausmaßen, Schünke, Topgraphie und Funktion des Bewegungssystems, 2. Aufl. 2014, S. 62; Thomann/Schröter/Grosser, a.a.O.). Für das Funktionssystem der unteren Extremitäten kommt daher die Feststellung eines GdB von mehr als 10 keinesfalls in Betracht. Voraussetzung für die Annahme des Merkzeichens G wäre nach Teil D Ziffer 1 lit d) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze indes – wie oben bereits dargelegt – wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Entsprechende Beeinträchtigungen sind beim Kläger keinesfalls objektiviert. Soweit der Kläger angibt unter Bandscheibenvorfällen zu leiden, sind entsprechende Befunde in der Tat gesichert. Es kommt indes beim Schwerbehindertenrecht nicht auf die Diagnosen, sondern auf die Funktionsbeeinträchtigungen an. Die vom Kläger geklagten Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlungen in das linke Bein zu leiden, konnten weder Herr X noch Dr. Q nachweisen. Herr X beschrieb, dass das Zeichen nach Lasègue negativ war, die Lenden- und Brustwirbelsäule nicht klopfschmerzhaft waren und ein Finger-Boden-Abstand von 20 cm erreicht wurde. Der Einbeinstand wurde regelgerecht ausgeführt, der Zehen- und der Hackenstand waren beidseits ohne pathologischen Befund. Extrapyramidalmotorischen Störungen fanden sich ebenfalls nicht. Der Knie-Hacke-Versuch war regelgerecht, ebenso der Romberg- und Unterberger-Versuch (vgl. dazu Stoll/Most/Tegenthoff, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen, 4. Aufl. 2004, S 45 f.; Dörfler/Eisenmenger/Lippert/Wandl, Medizinische Gutachten, 2008, 393) Der Blindgang und Seiltänzergang waren sicher durchführbar. Die Sensibilität an Rumpf und Extremitäten war normal. Herr Dr. Q ermittelte hinsichtlich der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule mit 20°/0°/20° für die Seitenneigung, 50°/0°/50° für die Drehung und 0°/20° für die Rückwärtsneigung nur leichtgradige Einschränkungen der Beweglichkeit. Das Gleiche gilt für die Halswirbelsäule (vgl. zu den Bewegungsausmaßen der Wirbelsäule allgemein Grifka/Krämer, Orthopädische Unfallchirurgie, 9. Aufl. 2013, S. 157 f.; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 17). Im Hinblick auf insoweit vorhandene Vorbefunde schlägt der Gutachter für die Wirbelsäule insgesamt einen GdB von 20 vor, was nach Teil B Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze keinesfalls zu niedrig bemessen ist. Mithin ist für die orthopädisch/neurologischen Beeinträchtigungen des Gangapparates (einschließlich der unteren Wirbelsäule) höchstens ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen, so dass insoweit die Zuerkennung des Merkzeichens G klar ausscheidet. Freilich kommt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr auch bei inneren Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit in Betracht. Entscheidend ist aber auch insoweit die Einschränkung des Gehvermögens. Dementsprechend ist nach Teil D Ziffer 1 lit d) eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen.

Der Kläger leidet, wie oben dargelegt, unter Einschränkungen des Herz-Kreislaufsystems sowie der Atemorgane. Allerdings haben die vorliegenden kardiologischen Befunde – zuletzt der Bericht des Internisten Dr. L aus Oktober 2014 – eine kardiale Belastbarkeit des Klägers bei Ergometrie bis 100 Watt gezeigt. Der Abbruch erfolgte seinerzeit wegen peripherer Erschöpfung ohne kardiale Beschwerdeangabe. Die Endstrecken zeigten sich unauffällig. Das Blutdruckverhalten unter Belastung war normal. Echokardiographisch wurde eine gute systolische linksventrikuläre Funktion bei diastolischer Funktionsstörung. Der Kläger leidet unter hohem Blutdruck. Bei der Untersuchung durch Dr. Q war der Blutdruck im Sitzen nach Riva-Rocci mit 170/110 mmHg bestimmt worden, bei Herrn X gar mit 190/110. Der Blutdruck wird medikamentös behandelt. Gemäß Teil B Ziffer 9.3 ist mit Herrn Q hier von einem GdB von 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf auszugehen. Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit Beeinträchtigungen der Herzleistung wenigstens nach Teil B Ziffer 9.1.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kommt vor dem Hintergrund der nachgewiesenen kardialen Belastbarkeit des Klägers nicht ansatzweise in Betracht. Soweit der Kläger eine Einschränkung der Atmung beklagt sind bei ihm zum einen eine chronisch rezidivierende Mandelentzündungen (Tonsillitis) und Kieferhöhlenentzündungen (Sinusitis maxillaris) bei Nasenpolypen links zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist bei dem Kläger seit 2010 eine Sarkoidose diagnostiziert. Der Lungen- und Bronchialheilkundler Dr. H hatte am 27.10.2014 bei einer Lungenfunktionsprüfung des Klägers eine geringe Restriktion bei Adipositas ergeben. Die Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid (DCLO) wurde mit 66% als grenzwertig beschrieben, wobei der Transferfaktor bezogen auf das Alveolarvolumen (KCO) sich mit 99% des Solls als normal darstellte. Eine Röntgenaufnahme ergab keinen Hinweis auf eine verbleibende Sarkoidose. Auch zeigte sich im Blut kein Hinweis auf eine Aktivität der Sarkoidose, weswegen hier von einer inaktiven Sarkoidose (Stadium I) ausgegangen werden könne (vgl. zur Sarkoidose Kirchner, Trainer Thoraxdiagnostik, 2010, S. 214 ff.). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Kläger einen Entlassungsbericht vom 28.04.2015 vor, wonach eine pulmonale Sarkoidose I-II diagnostiziert wurde. Der Gradeinteilung der Sarkoidose kommt freilich im Wesentlichen eine diagnostische Bedeutung zu (vgl. Kirchner, Trainer Thoraxdiagnostik, 2010, a.a.O.) und ist damit per se für das Schwerbehindertenrechts nur von sekundärer Bedeutung, als es – wie bereits oben dargelegt – um die objektivierbaren Auswirkungen der Beeinträchtigungen geht. Hier wurden indes in den Vorbefunden sowie den Untersuchungen bei den Gutachtern weitgehend lediglich unwesentliche Beeinträchtigungen beschrieben. Im Vordergrund standen insoweit die chronischen Entzündungen der oberen Atemwege, die Dr. Q zutreffend mit einem GdB von 20 in Ansatz gebracht hatte. Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades, entsprechend Teil B Ziffer 8.3 sind beim Kläger nicht nachgewiesen. Soweit zudem ein Schlaf-Apnoe-Syndrom objektiviert wurde, welches nach Teil B Ziffer 8.7 der Versorgungsmedizinischen Gründe mit einem GdB von 20 in Ansatz zu bringen ist, kommt die Zuerkennung der Merkzeichens G ebenfalls nicht in Betracht, wirkt sich das Schlaf-Apnoe-Syndrom – abgesehen von Müdigkeit u.Ä. – im Wesentlichen während des Schlafes aus.

Auch eine Zusammenschau der übrigen nachgewiesenen körperlichen Beeinträchtigungen rechtfertigt nicht die Zuerkennung des Merkzeichens G. Objektiv finden sich beim Kläger – mit Ausnahme der psychischen Erkrankung – weitgehend nur geringgradige Auswirkungen.

Der Kläger benutzte weder in den Terminen zur Untersuchung noch beim Termin zur mündlichen Verhandlung eine Gehhilfe. Das von der Kammer beobachtete Gangbild war – wohl mitbedingt durch das Übergewicht – etwas schwerfällig aber ansonsten unauffällig. Im Rahmen der Untersuchung durch Herrn X hat dieser hinsichtlich des Gangbildes neurologisch keine auffälligen Unsicherheitszeichen beschrieben. Der Gang war etwas kurzschrittig aber auch bei längerem Gehen zeigten sich neurologischerseits keine Auffälligkeiten. Er absolvierte mit dem Kläger eine Gehstrecke von ca. 500 m, bei der die Gehgeschwindigkeit ca. 4 km/h Stunde betrug. Bei den letzten 50 Metern sei der Kläger dann etwas hinter dem Gutachter zurückgefallen und habe eine geringe Atemnot gezeigt. Soweit der Gutachter X hieraus schlussfolgert, der Kläger könne zwei Kilometer nicht in einer halben Stunde zurücklegen, überzeugt diese Feststellung die Kammer nicht. Der Gutachter hat zwar einen Gehtest mit dem Kläger über ca. 500 m gemacht und hier eine leichte Belastungdyspnoe beschrieben. Eine weitere Evaluation hat der Gutachter hier indes nicht durchgeführt, insbesondere hat er nicht geprüft, ob die vom Kläger geschilderten Beschwerden und das Langsamer werden tatsächlich auch mit den körperlichen Beeinträchtigungen hinreichend zu erklären sind. Dies ist nach Auffassung der Kammer indes – in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr. Q – nicht der Fall. Dr. Q führt in seinem Gutachten vielmehr aus, dass aufgrund der festgestellten körperlichen Beeinträchtigungen durchaus davon auszugehen sei, dass der Kläger die entsprechende Strecke in etwa der Zeit auch schafft. Nach Auffassung der Kammer hat Herr X bei seinem Gehtest in der Tat nicht klar geprüft, ob der Kläger tatsächlich nicht mehr (schneller) konnte oder einfach nicht mehr wollte. Der Gutachter Wulfinghoff beschrieb, der Kläger habe „etwas Atemnot“ bekommen und sei langsamer geworden. Bei Vorliegen von „etwas Atemnot“ geht die Kammer indes davon aus, dass die körperlichen Grenzen des Klägers hier noch nicht erreicht waren. Dies steht auch im Einklang mit den oben dargelegten übrigen Feststellungen beider Gutachter sowie den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Vor dem Hintergrund der beim Kläger absolut im Vordergrund stehenden psychischen Beeinträchtigungen sind Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht im Ansatz dargetan. Nach alledem scheidet die Zuerkennung des Merkzeichens G aus. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, die Tatsache, dass der Kläger hinsichtlich der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab Antragstellung obsiegt hat, hinsichtlich des Merkzeichens G demgegenüber unterlegen ist.

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