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Gesetzliche Unfallversicherung – Arbeitsunfall – Knalltrauma während der Arbeitszeit

Ein lauter Knall veränderte das Leben eines Lagerarbeiters schlagartig. Was als vorübergehende Vertäubung begann, entwickelte sich zu einem Albtraum aus Tinnitus und psychischer Belastung – ein Kampf um Anerkennung und Entschädigung begann.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landessozialgericht Baden-Württemberg
  • Datum: 29.01.2025
  • Aktenzeichen: L 3 U 791/24
  • Verfahrensart: Berufung
  • Rechtsbereiche: Sozialrecht, Arbeitsunfallrecht
  • Beteiligte Parteien:
    • Kläger: Eine Person, geboren 1963, berufstätig als Lagerist bei der T1 GmbH. Er argumentierte, dass ein Knall während seiner Arbeit mit Rohren am 31.08.2018 einen Arbeitsunfall darstellt.
    • Beklagte: Eine nicht näher benannte Partei, gegen die der Kläger seinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls richtete. Die Beklagte erkannte das Ereignis vom 31.08.2018 nicht als Arbeitsunfall an.
  • Um was ging es?
    • Sachverhalt: Der Kläger erlitt am 31.08.2018 bei der Arbeit mit Rohren einen lauten Knall, als mehrere Rohre aufeinanderflogen. Er suchte am 13.09.2018 einen Arzt auf, der ein Knalltrauma und Ohrgeräusche diagnostizierte. Der Kläger forderte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall.
    • Kern des Rechtsstreits: Ist ein Knallereignis während der Arbeit, das zu einer vorübergehenden Vertäubung führt, als Arbeitsunfall anzusehen?
  • Was wurde entschieden?
    • Entscheidung: Das Gericht hob den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13.02.2024 und den Bescheid der Beklagten vom 23.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2021 auf und stellte das Ereignis vom 31.08.2018 als Arbeitsunfall fest.
    • Begründung: Tritt infolge eines im Rahmen einer unfallversicherten Tätigkeit aufgetretenen Knalls (Unfallereignis) eine – wenn auch nur vorübergehende – Vertäubung (Gesundheitserstschaden) auf, handelt es sich um einen Arbeitsunfall.
    • Folgen: Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Das Ereignis vom 31.08.2018 wurde als Arbeitsunfall anerkannt, was Auswirkungen auf die Leistungen der [Unfallversicherung] haben kann.

Der Fall vor Gericht


Arbeitsunfall durch Knalltrauma am Arbeitsplatz: Landessozialgericht stärkt Rechte von Arbeitnehmern

Arbeiter in einem Industriewarenlager erschrocken nach lauter Explosion; clipboard fällt zu Boden neben einem metallenen Objekt.
Anerkennung von Knalltrauma als Arbeitsunfall | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem Urteil vom 29. Januar 2025 (Az.: L 3 U 791/24) entschieden, dass ein Knalltrauma, das ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit erleidet, als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Arbeitnehmern in Bezug auf die Gesetzliche Unfallversicherung und präzisiert, wann ein Gesundheitsschaden durch ein plötzliches Lärmereignis als Arbeitsunfall gilt. Das Gericht hob damit frühere Entscheidungen auf und verpflichtete die zuständige Berufsgenossenschaft zur Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall.

Der Fall: Rohre fallen und verursachen Knall – Lagerarbeiter erleidet Hörschaden

Im Zentrum des Falls stand ein 1963 geborener Lagerarbeiter, der bei der T1 GmbH beschäftigt war. Am 31. August 2018 kam es bei der Arbeit mit Rohren zu einem Vorfall, bei dem mehrere Rohre unkontrolliert aufeinanderfielen. Dieser Zusammenstoß verursachte einen lauten Knall. Unmittelbar nach dem Ereignis erlitt der Kläger eine vorübergehende Vertäubung und entwickelte in der Folge einen Tinnitus.

Ärztliche Diagnosen bestätigen Knalltrauma und Tinnitus

Unterschiedliche ärztliche Berichte dokumentierten die gesundheitlichen Folgen des Knallereignisses. Ein Arztbericht vom 14. September 2018 diagnostizierte ein Zustand nach Knalltrauma und ein Ohrgeräusch. Eine ärztliche Unfallmeldung vom 17. September 2018 bestätigte ein dekompensierter Tinnitus. Ein weiterer Bericht vom 25. September 2018 präzisierte, dass sich ein bereits bestehender Tinnitus durch das Knalltrauma massiv verstärkt hatte und zu erheblichen psychischen Belastungen führte, einschließlich Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und depressiver Verstimmung.

Ablehnung der Anerkennung als Arbeitsunfall durch die Berufsgenossenschaft

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte jedoch die Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall ab. Die Begründung für die Ablehnung ist dem Urteilstext nicht direkt zu entnehmen, jedoch lässt sich vermuten, dass die Berufsgenossenschaft möglicherweise den Zusammenhang zwischen dem Knallereignis und dem Tinnitus oder die Arbeitsbedingtheit des Vorfalls in Frage stellte. Das Sozialgericht Konstanz bestätigte diese Ablehnung in einem Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2024.

Berufung vor dem Landessozialgericht: Klärung der Definition Arbeitsunfall bei Knalltrauma

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ein. Das Landessozialgericht hatte zu prüfen, ob die vorübergehende Vertäubung unmittelbar nach dem Knallereignis als Gesundheitserstschaden im Sinne eines Arbeitsunfalls zu werten ist. Zentral war die Frage, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Arbeitsvorgang, dem Knall und dem erlittenen Gesundheitsschaden besteht.

Das Urteil des Landessozialgerichts: Knalltrauma ist Arbeitsunfall

Das Landessozialgericht gab der Berufung des Klägers statt und hob die vorherigen Entscheidungen auf. Das Gericht stellte klar, dass bereits die vorübergehende Vertäubung nach dem Knallereignis einen Gesundheitserstschaden darstellt. Da dieser Schaden im Rahmen der versicherten Tätigkeit aufgetreten ist, handelt es sich dem Gericht zufolge um einen Arbeitsunfall. Es sei irrelevant, ob der Tinnitus als Folgeschaden dauerhaft oder vorübergehend ist. Entscheidend sei das unmittelbare Schockereignis und die erste Reaktion des Körpers in Form der Vertäubung.

Begründung des Gerichts: Unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ereignis und Gesundheitsschaden

Das Gericht argumentierte, dass ein Arbeitsunfall ein zeitlich begrenztes Ereignis ist, das zu einem Gesundheitsschaden führt. Im vorliegenden Fall sei das Knallereignis als solches Ereignis zu werten. Die Vertäubung als unmittelbare Folge des Knalls stelle den Gesundheitserstschaden dar. Der Umstand, dass möglicherweise später weitere gesundheitliche Probleme wie ein Tinnitus oder psychische Belastungen hinzukamen, ändere nichts an der Tatsache, dass der ursprüngliche Gesundheitsschaden durch ein arbeitsbedingtes Ereignis verursacht wurde.

Kostenentscheidung: Berufsgenossenschaft trägt die Kosten des Verfahrens

Das Landessozialgericht entschied zudem, dass die Berufsgenossenschaft die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen tragen muss. Dies ist eine übliche Folge, wenn ein Kläger in einem sozialgerichtlichen Verfahren obsiegt. Die Kostenübernahme durch die Berufsgenossenschaft unterstreicht die Verantwortung der Unfallversicherungsträger für die Folgen von Arbeitsunfällen.

Bedeutung des Urteils für Betroffene: Stärkung der Arbeitnehmerrechte bei Lärmschäden

Dieses Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg hat eine bedeutende Signalwirkung für Arbeitnehmer, die durch Knallereignisse am Arbeitsplatz Gesundheitsschäden erleiden. Es stellt klar, dass auch vorübergehende Gesundheitsschäden wie eine Vertäubung als Arbeitsunfall anerkannt werden müssen, wenn sie unmittelbar auf ein arbeitsbedingtes Ereignis zurückzuführen sind. Arbeitnehmer sollten sich nicht scheuen, solche Vorfälle als Arbeitsunfall zu melden und ihre Rechte gegenüber den Berufsgenossenschaften geltend zu machen. Das Urteil unterstreicht, dass die gesetzliche Unfallversicherung auch bei Lärmschäden greift und Arbeitnehmer vor den Folgen solcher Ereignisse schützen soll. Es ist zu erwarten, dass dieses Urteil zukünftig die Anerkennung von Knalltraumata als Arbeitsunfälle erleichtern wird und Betroffenen den Zugang zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung eröffnet.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil stellt klar, dass bereits ein lauter Knall am Arbeitsplatz mit anschließender vorübergehender Vertäubung als Arbeitsunfall anzuerkennen ist, selbst wenn nur ein temporärer Gesundheitserstschaden vorliegt. Die Entscheidung senkt die Hürden für die Anerkennung von Arbeitsunfällen im Fall von akustischen Ereignissen, da nicht zwingend bleibende Schäden nachgewiesen werden müssen. Für Betroffene bedeutet dies einen erleichterten Zugang zu Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn akustische Ereignisse am Arbeitsplatz zu Gehörbeeinträchtigungen führen.

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Arbeitsunfall und Knalltrauma: Klarheit über Ihre Rechte gewinnen

Ist am Arbeitsplatz ein plötzliches Lärmereignis erfolgt und haben Sie unmittelbar gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten? In solchen Fällen stellt sich oft die Frage, inwieweit der Unfall im arbeitsbezogenen Kontext zu bewerten ist und welche Ansprüche sich daraus ergeben können.

Wir unterstützen Sie dabei, Ihren individuellen Sachverhalt präzise zu analysieren und schaffen durch klare Beratung Transparenz über die rechtlichen Perspektiven. Unsere sachliche und sorgfältige Prüfung berücksichtigt alle relevanten Parameter, um den Zusammenhang zwischen dem Arbeitsvorfall und den entstandenen Gesundheitsschäden nachvollziehbar zu evaluieren.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt ein Knalltrauma als Arbeitsunfall?

Ein Knalltrauma wird als Arbeitsunfall anerkannt, wenn es durch eine plötzliche, extrem laute Schallbelastung am Arbeitsplatz verursacht wird. Dies kann beispielsweise durch Explosionen, Schussgeräusche oder lauten Maschineneinsatz geschehen. Ein Knalltrauma erfüllt die Merkmale eines Arbeitsunfalls, da es ein zeitlich begrenztes Ereignis ist, das von außen auf den Körper einwirkt und zu einem Gesundheitsschaden führt.

Wichtige Kriterien für die Anerkennung als Arbeitsunfall sind:

  • Kausalzusammenhang: Es muss ein klarer Zusammenhang zwischen dem Lärmereignis und dem Gesundheitsschaden bestehen.
  • Zeitlicher Zusammenhang: Der Schaden muss unmittelbar nach dem Ereignis auftreten.
  • Schadensnachweis: Der Gesundheitsschaden muss objektiv nachweisbar sein, auch wenn es sich nur um eine vorübergehende Vertäubung handelt.

Ein Knalltrauma kann auch als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn es durch eine berufliche Tätigkeit verursacht wird, die regelmäßig zu Lärmbelastungen führt. Die gesetzliche Unfallversicherung bietet in solchen Fällen Heilbehandlung, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie Entschädigungsleistungen wie Verletztengeld oder Verletztenrente.


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Welche Rolle spielt die Berufsgenossenschaft bei einem Knalltrauma am Arbeitsplatz?

Die Berufsgenossenschaft (BG) spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Schäden, die durch Arbeitsunfälle, einschließlich Knalltraumata, entstehen. Ein Knalltrauma wird in Deutschland als Arbeitsunfall anerkannt, wenn es während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit auftritt.

Aufgaben der Berufsgenossenschaft

  • Anerkennung als Arbeitsunfall: Die BG prüft, ob das Knalltrauma als Arbeitsunfall anerkannt wird. Dies geschieht gemäß § 8 SGB VII, wenn der Schaden durch eine versicherte Tätigkeit verursacht wurde.
  • Gewährung von Leistungen: Bei Anerkennung des Knalltraumas als Arbeitsunfall gewährt die BG Heilbehandlung, Verletztengeld und gegebenenfalls Verletztenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt ist.
  • Rehabilitationsmaßnahmen: Die BG fördert auch Rehabilitationsmaßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.

Ablauf der Bearbeitung

  1. Unfallmeldung: Der Arbeitgeber muss den Unfall der BG melden. Dies geschieht in der Regel durch eine Unfallmeldung des Arbeitgebers und eine ärztliche Unfallmeldung.
  2. Prüfung durch die BG: Die BG prüft, ob das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt wird und ob die notwendigen Leistungen gewährt werden können.
  3. Gutachten und Entscheidung: Medizinische Gutachten können erforderlich sein, um den Zusammenhang zwischen dem Unfall und den gesundheitlichen Folgen zu klären.

Ablehnung der Anerkennung

Wenn die BG die Anerkennung des Knalltraumas als Arbeitsunfall ablehnt, kann der Betroffene Widerspruch einlegen oder rechtliche Schritte in Betracht ziehen. In solchen Fällen ist es wichtig, sich über die rechtlichen Möglichkeiten zu informieren und gegebenenfalls professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.


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Welche Leistungen stehen mir zu, wenn mein Knalltrauma als Arbeitsunfall anerkannt ist?

Wenn ein Knalltrauma als Arbeitsunfall anerkannt wird, stehen Ihnen verschiedene Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zur Verfügung. Diese umfassen:

  • Heilbehandlung: Alle notwendigen medizinischen Maßnahmen, um die Folgen des Knalltraumas zu beseitigen oder zu mildern und die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Diese sollen dazu beitragen, die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen zu erhalten oder wiederherzustellen.
  • Verletztengeld: Dieses ersetzt den Lohnverlust, wenn der verletzte Arbeitnehmer aufgrund des Knalltraumas arbeitsunfähig ist.
  • Verletztenrente: Sie wird gewährt, wenn der Betroffene infolge des Knalltraumas dauerhaft eine verminderte Erwerbsfähigkeit hat.

Diese Leistungen basieren auf dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), das die gesetzliche Unfallversicherung regelt. Ein Knalltrauma kann auch als Berufskrankheit anerkannt werden, was zu weiteren Leistungen führen kann.

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Beruf tätig, in dem Sie häufig lauten Geräuschen ausgesetzt sind, wie z.B. als Schweißer. Wenn Sie durch einen lauten Knall ein Knalltrauma erleiden, können diese Leistungen Ihnen helfen, Ihre Gesundheit wiederherzustellen und Ihre berufliche Zukunft zu sichern.


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Wie melde ich ein Knalltrauma als Arbeitsunfall?

Ein Knalltrauma kann als Arbeitsunfall gemeldet werden, wenn es während der Arbeit auftritt und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Hier sind die Schritte, die Sie unternehmen können:

1. Unfallmeldung an den Arbeitgeber

Wenn Sie ein Knalltrauma erleiden, sollten Sie Ihren Arbeitgeber sofort darüber informieren. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, den Unfall an die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse zu melden.

2. Fristen beachten

Die Meldung muss erfolgen, wenn die Arbeitsunfähigkeit mehr als drei Tage beträgt. Der Unfalltag wird dabei nicht mitgezählt. Bei schweren Verletzungen oder Todesfällen muss die Meldung sofort erfolgen.

3. Unterlagen und Prozess

Der Arbeitgeber muss eine Unfallanzeige ausfüllen und an die Berufsgenossenschaft senden. Diese kann online oder per Post erfolgen. Es ist ratsam, mehrere Kopien der Anzeige zu erstellen, um sie an verschiedene Stellen wie den Betriebsarzt und die Sicherheitsfachkraft zu verteilen.

4. Behandlung durch einen Durchgangsarzt

Nach einem Arbeitsunfall, einschließlich eines Knalltraumas, sollte ein Durchgangsarzt aufgesucht werden. Dieser spezialisierte Arzt erstellt einen Unfallbericht, der für die Versicherung wichtig ist.

5. Ablehnung der Meldung durch den Arbeitgeber

Wenn der Arbeitgeber die Meldung ablehnt, kann der betroffene Arbeitnehmer versuchen, den Unfall selbst bei der Berufsgenossenschaft zu melden. Es ist jedoch wichtig, dass der Arbeitnehmer Beweise für den Unfall sammelt, um die Meldung zu unterstützen.

6. Rechtliche Grundlagen

Ein Knalltrauma wird in Deutschland als Arbeitsunfall anerkannt und fällt unter die gesetzliche Unfallversicherung gemäß dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Der Betroffene hat Anspruch auf Heilbehandlung und weitere Leistungen.


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Was kann ich tun, wenn die Berufsgenossenschaft meinen Antrag ablehnt?

Wenn die Berufsgenossenschaft Ihren Antrag ablehnt, stehen Ihnen mehrere Rechtsmittel zur Verfügung, um gegen diese Entscheidung vorzugehen. Hier sind die wichtigsten Schritte:

1. Widerspruch einlegen:

  • Sie können innerhalb einer bestimmten Frist, in der Regel einen Monat nach Erhalt des Ablehnungsbescheids, Widerspruch einlegen. Dieser Widerspruch muss schriftlich erfolgen oder mündlich zur Niederschrift bei der Berufsgenossenschaft vorgebracht werden.
  • In der Widerspruchsbegründung sollten Sie detaillierte Gründe für Ihre Einwendungen darlegen und alle relevanten Unterlagen beifügen.

2. Widerspruchsausschuss:

  • Wenn der Widerspruch nicht erfolgreich ist, wird er an den Widerspruchsausschuss weitergeleitet. Dieser Ausschuss besteht aus ehrenamtlichen Mitgliedern und entscheidet über den Widerspruch.

3. Klage vor dem Sozialgericht:

  • Wenn der Widerspruchsausschuss Ihren Widerspruch ablehnt, können Sie Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Dies ist der nächste Schritt im Rechtsmittelverfahren und sollte innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen, in der Regel einen Monat nach Erhalt des Widerspruchsbescheids.

4. Anwaltliche Unterstützung:

  • Es kann hilfreich sein, sich von einem Anwalt für Sozialrecht beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass alle formalen Anforderungen erfüllt sind und die beste Verteidigung Ihrer Interessen gewährleistet wird.

5. Fristen beachten:

  • Fristen sind entscheidend: Achten Sie darauf, dass Sie alle Rechtsmittel innerhalb der vorgeschriebenen Fristen einlegen, um Ihre Rechte nicht zu verlieren.

Diese Schritte bieten Ihnen die Möglichkeit, gegen eine Ablehnung durch die Berufsgenossenschaft vorzugehen und Ihre Interessen durchzusetzen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Arbeitsunfall

Ein Arbeitsunfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führt und während einer versicherten Tätigkeit eintritt. Diese Definition basiert auf § 8 Abs. 1 SGB VII. Entscheidend ist der Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis. Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt bei einem anerkannten Arbeitsunfall die Kosten für medizinische Behandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen und gegebenenfalls Rentenzahlungen.

Beispiel: Eine Bürokraft stolpert während der Arbeitszeit auf dem Weg zur Toilette und bricht sich das Handgelenk. Dies gilt als Arbeitsunfall, weil der Weg zur Toilette im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht.


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Knalltrauma

Ein Knalltrauma bezeichnet eine Schädigung des Gehörs, die durch ein plötzliches, intensives akustisches Ereignis verursacht wird. Es führt typischerweise zu vorübergehender oder dauerhafter Hörstörung, Ohrenschmerzen, Vertäubungsgefühl und oft zu Tinnitus (Ohrgeräuschen). Die Schädigung entsteht durch die hohe Schalldruckwelle, die das Trommelfell und die Haarzellen im Innenohr beeinträchtigen kann. Nach § 9 Abs. 1 SGB VII kann es als Arbeitsunfall anerkannt werden, wenn es im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auftritt.

Beispiel: Ein Industriearbeiter erleidet ein Knalltrauma, wenn in seiner unmittelbaren Nähe ein Druckbehälter unerwartet platzt und einen extrem lauten Knall verursacht.


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Gesetzliche Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung ist ein Zweig der Sozialversicherung, der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten absichert. Sie ist im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geregelt und wird von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen getragen, deren Beiträge allein durch die Arbeitgeber finanziert werden. Im Gegensatz zur Krankenversicherung übernimmt sie alle Kosten für Heilbehandlung, Rehabilitation und Entschädigung ohne zeitliche Begrenzung und Zuzahlungen des Versicherten.

Beispiel: Nach einem anerkannten Arbeitsunfall übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur die Kosten für Arztbehandlungen, sondern auch für spezielle Rehabilitationsmaßnahmen, Hilfsmittel und bei bleibenden Schäden eine entsprechende Unfallrente.


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Gesundheitserstschaden

Der Gesundheitserstschaden beschreibt die unmittelbar nach einem Unfallereignis auftretende gesundheitliche Beeinträchtigung. Er ist ein entscheidendes Kriterium bei der Anerkennung eines Arbeitsunfalls und muss in direktem kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss dieser erste Gesundheitsschaden nicht dauerhaft sein, sondern kann auch vorübergehender Natur sein, wie im Fall einer temporären Vertäubung nach einem Knallereignis.

Beispiel: Ein Lagerist erleidet nach einem lauten Knall am Arbeitsplatz eine vorübergehende Vertäubung. Obwohl diese Vertäubung nur temporär ist, stellt sie einen anerkennungsfähigen Gesundheitserstschaden dar, der als Grundlage für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls dienen kann.


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Widerspruchsbescheid

Der Widerspruchsbescheid ist eine behördliche Entscheidung, die als Reaktion auf einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt erlassen wird. Er stellt das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens dar, das dem gerichtlichen Verfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten zwingend vorgeschaltet ist (§ 78 SGG). Der Widerspruchsbescheid kann den ursprünglichen Bescheid bestätigen, abändern oder aufheben und enthält eine Begründung sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung über die Möglichkeit der Klage.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält einen ablehnenden Bescheid bezüglich der Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Er legt Widerspruch ein, woraufhin die Behörde einen Widerspruchsbescheid erlässt, der bei weiterer Ablehnung dem Betroffenen den Weg zum Sozialgericht eröffnet.


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Berufung

Die Berufung ist ein Rechtsmittel gegen Urteile eines erstinstanzlichen Gerichts, mit dem eine neue Entscheidung durch ein höherrangiges Gericht erreicht werden soll. Im Sozialrecht ist sie in den §§ 143-160 SGG geregelt und ermöglicht eine vollständige Überprüfung sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat ab Zustellung des vollständigen Urteils und muss schriftlich beim Landessozialgericht eingelegt werden.

Beispiel: Nach einem für ihn negativen Urteil des Sozialgerichts Konstanz legte der Kläger im Fall des Knalltraumas Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg ein, welches den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid aufhob und das Knallereignis als Arbeitsunfall anerkannte.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 8 SGB VII (Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) – Arbeitsunfall: Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer versicherten Tätigkeit erleidet. Ein Unfallereignis muss plötzlich und unerwartet von außen auf den Körper einwirken und zu einem Gesundheitsschaden führen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Knall während der Arbeit mit Rohren wird als plötzliches, unerwartetes Ereignis von außen gewertet, das in Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Klägers stattfand und zu seiner Vertäubung bzw. dem Tinnitus führte.
  • Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV): Diese Verordnung dient dem Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm am Arbeitsplatz. Sie verpflichtet Arbeitgeber, Lärmbelastungen zu beurteilen, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen zu ergreifen und den Beschäftigten gegebenenfalls persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der laute Knall deutet auf eine potentielle Lärmexposition am Arbeitsplatz hin, die möglicherweise die Anforderungen der LärmVibrationsArbSchV verletzt und somit zur Unfallursache beigetragen hat.
  • § 20 SGB X (Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) – Amtsermittlungsgrundsatz: Die Behörde, hier die Berufsgenossenschaft als Träger der Unfallversicherung, muss den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln. Sie ist nicht nur an die von den Beteiligten vorgebrachten Tatsachen gebunden, sondern muss alle relevanten Umstände selbstständig aufklären. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stützt sich auf den Amtsermittlungsgrundsatz, um die Umstände des Knallereignisses und dessen Folgen umfassend zu prüfen, auch wenn der Kläger die Beweislast für einen Arbeitsunfall trägt.
  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Dieses Gesetz verpflichtet Arbeitgeber, Maßnahmen zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu treffen. Dazu gehören die Beurteilung der Arbeitsbedingungen, die Durchführung von Schutzmaßnahmen und die Unterweisung der Beschäftigten über Gefahren und Schutzmaßnahmen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Arbeitsunfall durch den Knall kann ein Hinweis darauf sein, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten aus dem Arbeitsschutzgesetz möglicherweise nicht ausreichend nachgekommen ist, indem er keine oder unzureichende Maßnahmen zur Vermeidung von Lärmbelästigungen getroffen hat.

Das vorliegende Urteil


Landessozialgericht Baden-Württemberg – Az.: L 3 U 791/24 – Urteil vom 29.01.2025


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