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Rente wegen voller Erwerbsminderung – Funktionsstörung beider Kniegelenke – Beweiswürdigung

LSG Berlin-Brandenburg – Az.: L 16 R 455/10 – Beschluss vom 09.03.2012

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung (EM) für die Zeit ab 1. Mai 2006, hilfsweise von Versichertenrente wegen teilweiser EM für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2007 und ab 1. Juli 2010.

Der 1969 geborene Kläger ist gelernter Maurer und war nach der Ausbildung in diesem Beruf versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bis zum Eintritt dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (AU) am 28. September 2005 nach einem Arbeitsunfall vom 1. September 2005. Nach dem Auslaufen der Entgeltfortzahlung erhielt der Kläger Krankengeld vom 9. November 2005 bis 2. August 2006. Anschließend bezog er Arbeitslosengeld vom 3. August 2006 bis 21. Januar 2007 und erneut Krankengeld vom 22. Januar 2007 bis 31. Juli 2007.

Bei dem Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt aufgrund folgender Leiden: Psoriasis, Funktionsstörung beider Kniegelenke (Ausführungsbescheid des Landesamtes für Soziales und Versorgung Cottbus vom 26. Juli 2010).

Im Mai 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von EM-Rente; auf die eingereichten ärztlichen Unterlagen des Klägers wird Bezug genommen. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Orthopäden Dr. M untersuchen und begutachten (Gutachten vom 17. Juni 2006), der dem Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen mit weiteren qualitativen Einschränkungen bescheinigte. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 26. Juli 2006 ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte noch einen Bericht des behandelnden Orthopäden Dr. S vom 25. Oktober 2006 ein und wies den Widerspruch nach nochmaliger Vorlage an die Beratungsärztin Dr. B zurück (Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2007). Volle bzw. teilweise EM lägen nicht vor.

Rente wegen voller Erwerbsminderung - Funktionsstörung beider Kniegelenke - Beweiswürdigung
Symbolfoto: Von Elnur/Shutterstock.com

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers erstatten lassen, und zwar von dem Allgemeinmediziner Dr. M vom 20. Juli 2007, dem Hautarzt Dr. L vom 24. Juli 2007 und von Dr. S vom 23. September 2007. Das SG hat den Arzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. T als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 20. März 2008 (Untersuchung am 3. März 2008) folgende Gesundheitsstörungen des Klägers mitgeteilt: Initiale medial betonte Gonarthrose und Retropatellararthrose links bei Zustand nach Arthroskopie mit Innenmeniskusresektion links am 28. September 2005, erneuter Arthroskopie links mit Lavage, Entfernung von freien Gelenkkörpern, Innenmeniskusvorderhornnachresektion sowie partieller Hinterhornresektion und Synovektomie am 2. Oktober 2005 und diagnostischen Arthroskopien am 7. April 2006 und 8. Januar 2007, beginnende Gonarthrose und Retropatellararthrose rechts mit leichten Funktionsstörungen, belastungsindizierte Schmerzen im linken Schultergelenk bei beginnender AC-Gelenksarthrose ohne nennenswerte Funktionsstörungen, chronisch lumbales Lendenwirbelsäulensyndrom bei muskulärer Dysbalance mit leichten bis mäßigen degenerativen Veränderungen ohne nennenswerte Funktionsstörungen, Schmerzchronifizierung Stadium III nach Gerbershagen und Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung, Psoriasis vulgaris mit großflächigem Befall der Haut, unterdurchschnittliche Intelligenz, Aufmerksamkeitsstörung, leicht erhöhte Depressivität. Der Kläger könne seit „Mitte 2007“ täglich regelmäßig noch drei bis sechs Stunden körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Haltungswechsels unter Berücksichtigung der weiter aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen sowie seinem Bildungsniveau entsprechende geistige Arbeiten ausführen. Auf den Zusatzuntersuchungsbericht des Dipl-Psychologen Dr. Dr. W vom 12. März 2008 und die ergänzende Äußerung von Dr. T vom 21. Oktober 2008 wird Bezug genommen.

Das SG hat ferner den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. v H mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 27. Juni 2009 (Untersuchung am 24. Juni 2009) mitgeteilt, dass auf seinem Fachgebiet keine Erkrankung des Klägers vorliege. Eine quantitative Leistungsminderung liege aus nervenärztlicher Sicht nicht vor.

Mit Urteil vom 17. März 2010 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger „unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls vom 1. Juli 2007“ Rente wegen teilweiser EM auf Zeit bis zum 30. Juni 2010 zu gewähren, und die auf Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser EM auf den „Antrag vom 31. Mai 2006“ gerichtete Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei im tenorierten Umfang begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM gemäß § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in der seit 01. Januar 2001 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert). Denn er sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seit 1. Juli 2007 nur noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen im Umfang von drei bis sechs Stunden täglich und damit nicht mehr „vollschichtig“ im Umfang von sechs bis acht Stunden auszuüben. Wegen der Besserungsaussichten sei die Rente zu befristen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Gewährung von Rente wegen voller EM für die Zeit ab 1. Mai 2006, hilfsweise auf Gewährung von Rente wegen teilweiser EM für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2007 und ab 1. Juli 2010 weiter. Einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bei Berufsunfähigkeit macht er nicht geltend. Er trägt vor: Er könne bereits seit Mai 2006 nicht mehr sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig sein. Sein Zustand habe sich auch entgegen der Annahme von Dr. T erheblich verschlimmert. Er habe auf dem Arbeitsmarkt keine Vermittlungschancen mehr.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 01. Mai 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2007 und ab 1. Juli 2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Kläger auch nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nach wie vor nicht für voll bzw teilweise erwerbsgemindert.

Der Senat hat im Berufungsverfahren Befundberichte von Dr. M vom 8. Oktober 2010 und von der Orthopädin Dr. P vom 31. August 2010 erstatten lassen. Der Senat hat den Orthopäden und Unfallarzt Dr. L als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 1. März 2011 dem Kläger eine regelmäßige tägliche Arbeitszeit von drei bis sechs Stunden für die noch möglich körperlich leichten Arbeiten mit den aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen attestiert (Knick-Senk-Spreizfuss beidseits, Psoriasis, belastungsabhängige Beschwerden der Lendenwirbelsäule, der Schultern und beider Hände, Zustand nach viermaliger Arthroskopie sowie nach Kniegelenksinfektion links). Dr. L hat sich ergänzend – auch zu den Einwendungen des Klägers im Schriftsatz vom 30. Juni 2011 – geäußert; auf die Stellungnahmen vom 9. Mai 2011 und 25. August 2011 wird verwiesen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die eingeholten ärztlichen Unterlagen, Befundberichte und Sachverständigengutachten nebst ergänzender Äußerungen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG); soweit das SG die Beklagte zur Gewährung von Rente wegen teilweiser EM für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2010 verurteilt hat, ist das Urteil mit der Berufung nicht angegriffen und daher rechtskräftig.

Die Berufung des Klägers, mit der dieser seine statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG insoweit weiter verfolgt, als er (nur) noch Rente wegen voller EM für die Zeit ab 1. Mai 2006, hilfsweise die Gewährung von Rente wegen teilweiser EM auch für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2007 und ab 1. Juli 2010 geltend macht, ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller bzw teilweiser EM in den bezeichneten Zeiträumen. Er war und ist insoweit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Der von dem Kläger erhobene Anspruch bestimmt sich nach § 43 SGB VI, weil der Kläger seinen vorliegend maßgebenden Rentenantrag im Mai 2006 gestellt hat und Rente wegen voller EM ausschließlich für Zeiträume nach dem 31. Dezember 2000 geltend macht (vgl § 300 Abs. 2 SGB VI). Die Vorschrift des § 43 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle oder teilweise EM vorliegen (vgl § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr 1, Abs. 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI).

Voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden bzw. mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl § 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger war und ist in dem vorliegend streitigen Zeitraum ab 01. Mai 2006 nicht voll bzw teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn er verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein sechsstündiges Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche und leichte geistige Arbeiten, mit dem er regelmäßig noch einer sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Damit ist sowohl ein Anspruch auf Rente wegen voller EM als auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM ausgeschlossen, die ein quantitatives tägliches Restleistungsvermögen von unter drei bzw unter sechs Stunden voraussetzen. Dass der Kläger jedenfalls über ein noch bis zu sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen verfügte und auch derzeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den vorliegenden Gutachten der Gerichtssachverständigen Dr. T.. Dr. v H und Dr. L. Diese Ärzte haben dem Kläger sogar ein vollschichtiges (Dr. v H) bzw zumindest noch ein bis zu sechsstündiges (Dr. T, Dr. L) Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend seit dem 01. Mai 2006.

Das vollschichtige bzw. noch bis zu sechsstündige Restleistungsvermögen des Klägers war und ist nach den von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegen gestanden wäre bzw entgegen stünde (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Die Kläger konnte und kann zwar nach den von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen seiner Leiden jedenfalls nur noch körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg, zeitweise bis 10 kg (Dr. T), verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter Einfluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft, Arbeiten unter Zeitdruck (Dr. T), in Nachtschicht (Dr. T), auf Leitern und Gerüsten, in Zwangshaltungen, mit einer Belastung der unteren Extremitäten sowie Überkopfarbeiten und Arbeiten, die eine besondere Fingergeschicklichkeit voraussetzen.

Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – veröffentlicht in juris). Es lagen und liegen zwar bei dem Kläger Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinaus gehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Arbeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit, bestimmte äußere Einwirkungen wie Hitze und Kälte zu vermeiden (vgl BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 – B 13 RJ 71/97 R = SozR 3–2600 § 43 Nr. 21). Die bei dem Kläger festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen, wie der Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen und mit einseitiger körperlicher Belastung, insbesondere der unteren Extremitäten, in Hitze und Kälte, unter Zeitdruck, auf Leitern und Gerüsten sowie Überkopfarbeiten und Arbeiten, die einer besonderen Fingergeschicklichkeit bedürfen, zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1 bis 4/95 – GS 2/95 = SozR 3 – 2600 § 44 Nr. 8). Das Gleiche gilt hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten der Klägers, die keine Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen – dem Ausbildungs- und Intelligenzniveau des Klägers entsprechenden – Arbeitsplatz mit einfachen geistigen Tätigkeiten erkennen lassen; nur eine besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die vorliegend nicht erkennbar ist, könnte aber eine spezifische schwere Leistungsbehinderung darstellen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104, 117). Bei dem Kläger liegen indes auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nach der eingehenden Untersuchung und schlüssigen Beurteilung von Dr. H überhaupt keine quantitativ oder qualitativ wesentlich leistungsmindernden Gesundheitsstörungen vor. Auch die – regelmäßige – Beschränkung auf Lastgewichte bis zu 5 kg erscheint nicht als geeignet, das Feld leichter körperlicher Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Zwar zählt die Beschränkung auf 10 kg regelmäßig zum Bereich leichter Arbeiten (vgl BSG, Urteil vom 19. August 1997 – 13 RJ 87/96 -). Das reicht aber nicht aus, das Vorhandensein eines noch ausreichenden Arbeitsfeldes zu verneinen (vgl BSG aaO).

Die Wegefähigkeit des Klägers ist nach den Feststellungen von Dr. L („Gangbild zwar linksverkürzt,…aber dennoch weitgehend raumgreifend“) und Dr. T erhalten. Der Kläger war und ist in der Lage, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in mindestens 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen (vgl zum Ganzen: BSG, Urteil vom 21. März 2006 – B 5 RJ 51/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 8 mwN). Er ist auch in der Lage, einen Pkw zu fahren.

Insgesamt betreffen die bei dem Kläger festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleineren Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt. So könnte und kann der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Bürotätigkeiten verrichten. Das Gleiche gilt für Sortier- und Verpackungstätigkeiten oder die Tätigkeit eines – einfachen – Pförtners. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Beurteilung, ob ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, wie der Große Senat des BSG in seinen Beschlüssen vom 19. Dezember 1996 (vgl GS 2/95, Umdr S 11) betont hat, im Regelfall nicht nach Anforderungsprofilen einer oder mehrerer Berufstätigkeiten erfolgen muß. Es genügt vielmehr die Prüfung, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen (zB Zureichen, Abnehmen, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw) erlaubt, wenn diese in einem hinreichend großen Arbeitsfeld gefordert zu werden pflegen. Dementsprechend ist davon auszugehen, daß dem Kläger noch hinreichende Betätigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt offen standen bzw offen stehen. Anhaltspunkte dafür, daß hier eine der vom BSG entwickelten Fallgruppen zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 137, 139; Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1-4/95 -) vorliegen könnte, sind nicht ersichtlich.

Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung der gerichtlichen Sachverständigen jedenfalls für derart auch intellektuell einfache körperlich leichte Tätigkeiten keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestanden und bestehen, konnte und kann der Kläger auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung bis zu drei Monaten vollwertig verrichten.

Durchgreifende Einwendungen gegen die gerichtlichen Sachverständigengutachten hat der Kläger nicht erhoben, zumal diese Einwendungen sich im wesentlichen darauf beschränken, dass der Kläger ohne Vorlage oder Benennung neuer, bislang nicht berücksichtigter ärztlicher Befunde die angebliche Unvollständigkeit der Anamneseerhebung bzw Unkorrektheiten in der Anamneseschilderung gerügt hat. Zu den Einwendungen des Klägers auf das im Berufungsverfahren erstellte Sachverständigengutachten von Dr. L hat sich dieser Arzt ergänzend inhaltlich geäußert, ohne seine Beurteilung zu ändern. Anlass zu weiteren medizinischen Amtsermittlungen bestand nicht. Denn die herangezogenen Gerichtssachverständigen haben jeweils sämtliche Diagnosen und Befunde auch der behandelnden Ärzte bei ihrer Beurteilung berücksichtigt. Sie haben die bei dem Kläger erhobenen Befunde umfassend gewürdigt und die sich hieraus ergebenden objektivierbaren Leistungseinschränkungen nachvollziehbar und schlüssig und damit in jeder Hinsicht überzeugend aus diesen Befunden hergeleitet. Allein dass der Kläger – ohne seinen Vortrag auf entsprechende aussagekräftige ärztliche Befunde oder medizinische Unterlagen zu stützen – teilweise mit dem Ablauf der Untersuchungen und insgesamt mit der Leistungsbeurteilung nicht einverstanden ist, vermag die Überzeugungskraft der eingeholten Gutachten nicht zu erschüttern. Wesentliche Verschlechterungen bzw. neue, bislang nicht berücksichtigte Leiden des Klägers sind nicht vorgebracht worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich, so dass die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen wie auch weitere Amtsermittlungen im Übrigen nicht angezeigt waren.

Da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens somit eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung nicht vorlagen und auch nicht vorliegen, war die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Für den Kläger in Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.

Darauf, ob der Kläger einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten hätte oder erhalten kann, kommt es – wie bereits ausgeführt – nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer wie den Kläger derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von EM, wie der Gesetzgeber klargestellt hat, unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

 

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